Zitat von MarkoStuhr im Beitrag #300Planst du eigentlich ein Kalender-Zifferblatt oder ähnliches, um die Äquation genau einstellen zu können?
siehe vorletztes Bild in #293
Die Kurvenscheibe ist mit Markierungen für die Monate versehen. Außerdem ist sie mit einer Reibung zu dem Zahnrad verbunden, das sich im Sonnenjahr genau einmal dreht.
Vorausgesetzt, dass die Uhr ununterbrochen läuft, ist zeitlebens keine Korrektur mehr an dieser Stelle erforderlich. Nach einer längeren Unterbrechung (z.B. eine Woche) muss das ZB allerdings für eine Neueinstellung mal abgenommen werden. Das kommt hoffentlich nur zum Zwecke einer geplanten Revision vor.
deswegen "hoffentlich", denn ich habe noch weitere Pläne in der Schublade, darunter für eine Uhr, die u.a. ein Kalendarium besitzt.
Ansonsten wiederhole ich hier gern ein Zitat von Mark Twain: "Trenne dich nie von deinen Illusionen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben."
Alle Bauteile für das Uhrwerk sind fertig, d.h. angefertigt, erprobt und ggf. nachgearbeitet und finissiert (poliert/geschliffen und zaponiert). Vor dem finalen Zusammenbau wurden nun auch die Platinen veredelt. Während Räder eine Politur und Kloben einen Längsschliff erhielten, sollten die Werkplatten mit einem Streifenschliff versehen werden.
Auch dafür bin ich von üblichen Verfahren (Schleifpaste auf Platine auftragen, Schleifen mit Schleiftasse) abgewichen. Im Zuge der Vorbereitung habe ich unterschiedliche Schleifstifte auf ihre Eignung auf einem Probeblech getestet. Die Platinen wurden kreisend blank geschliffen, zuletzt mit einer Körnung von 800.
1 - 40 mm Gummiartiger Schleifkörper, Körnung ? 2 - 15 mm Holzzylinder mit aufgeklebtem Schleifpapier 3 - 20 mm Nylon-Polierstift, Körnung ? 4 - 15 mm Nylon-Polierstift, Körnung K150 5 - 15 mm Nylon-Polierstift, Körnung K240
- Mit #1 war der Schliff zu blank und zu breit. - Das mit #2 erzielte Ergebnis war recht gut. problematisch ist der Verschleiß des Schleifpapiers, der zu einem ständig feiner werdenden Schliffbild geführt hätte. - Bei #3 störte die mittige Bohrung. - Die besten Ergebnisse erzielte ich mit Polierstift Nr. 4. Vor der Verwendung musste er allerdings zylindrisch und die Stirnseite plan gedreht werden.
Der Schliff erfolgte auf dem X-Y-Tisch der Fräsmaschine bei 1000 U/min und einem Vorschub von 2 mm/s. Das Werkstück wurde nach jedem Streifen um 6,5 mm verschoben - die Hälfte des Polierstiftdurchmessers.
Am Ende eines Streifens wurde der Polierstift angehoben und das Werkstück zurück gefahren. Für jeden Streifen stellte ich den Polierstift 0,02 mm vor, um seinen Verschleiß zu kompensieren.
Auf dem Bild ist deutlich der Messingstaub zu erkennen, den der Schleifkörper von der Oberfläche der Platine abgetragen hat. Die erzielten Streifen sind viel zu rau. Sie sehen nicht so aus, wie ich sie auf dem Probeblech erzielt hatte.
Also wiederholte ich den Schliff mit veränderten Parametern.
Bei vermindertem Schleifkörperdruck wurden die Streifen feiner. Es zeigte sich, dass das ständige Zustellen des Schleifkörpers sich nicht nur nachteilig auf den Schliff auswirkte, sondern auch überflüssig war. Der Verschleiß an dem Polierstift ist äußerst gering, nach der Fertigstellung aller Schliffe hatte der Schleifkörper nur knapp einen halben Millimeter seiner Höhe verloren.
Das Werkzeug stellte ich nun nur noch um 1/100 mm zu, wenn der Schliff zu blank wurde.
Als Zeichen des optimalen Schleifdrucks zeigte sich eine höchstens 1 mm breite Spur von Messingstaub am Rande des geschliffenen Streifens und kaum vorhandenes Pulver auf dem Streifen selbst.
Die Streifenschliffe sahen nun feiner aus, waren mir aber viel zu blank. Der Zufall brachte Abhilfe. Versehentlich hatte ich das Werkstück um einen falschen Weg verschoben und musste zwei Streifenschliffe wiederholen. Die nun geschliffenen Streifen waren nicht mehr so glänzend, sondern "seidenmatt".
Die Technologie wurde daraufhin verändert: 0. Erster Streifen (am Rand des Werkstücks) wird normal geschliffen mit 2 mm/s Vorschub. 1. Werkstückoberfläche mit weichem Pinsel reinigen. 2. Werkstückverschiebung um 6,5 mm. 3. Zweiter (und jeder weitere) Streifen wird zunächst bei -5 mm/s Rücklauf vorgeschliffen. 4. Werkstückoberfläche mit weichem Pinsel reinigen. 5. Abhängig vom vorherigen Ergebnis wird das Werkzeug gegebenenfalls um 0,01 mm angehoben oder abgesenkt. 6. Der zweite (und jeder folgende) Streifen wird normal bei 2 mm/s Vorschub geschliffen. Wiederholung ab 1.
So wurde dieses Ergebnis erzielt:
Zum Schluss veredelte ich mit dieser Methode auch die Rückwandplatine. Diese besteht aus einer weicheren Messinglegierung und wirkt auch nach dem dritten Schliff immer noch viel zu blank. Bei nur gering erhöhtem Schleifdruck wirken die Streifen jedoch schon wieder kratzig.
Auch nach einem vierten Durchgang konnte ich an der Rückwandplatine nicht so einen Schliff erhalten, wie an den Werkplatinen. Fazit: "Es ist wie es ist."
das vorletzte Bild sieht sehr gut aus. Hast Du mal probiert nass (mit Kühlschmierstoff) zu arbeiten um das Schleifmittel immer frei zu spülen und dadurch in seiner Schnittwirkung ev. gleichmäßiger zu bekommen?
Da braucht es nur ein Fläschchen mit Kühlschmierstoff, das Du ohnehin brauchst, keine Kühlmitteleinrichtung. Nass schleifen die meisten Schleifmittel deutlich agressiver als trocken, haben weniger Verschleiß und schleifen gleichmäßiger. Trocken wird es dafür glänzender.
Bei deinen Teilen sieht man, dass die Kanten teilweise deutlich abefallen sind. Das sieht nicht professionell aus und kommt von einen zu weichen Schleifkörper mit zu hohem Druck, oder wahrscheinlicher vorher schon, von zu weichem Schleifpapier auf zu weicher Unterlage. Ganz vermeiden lässt sich das nie, aber deutlich vermindern. 3M Lapping Film auf Aluplatte arbeitet z.B. wesentlich Kantenschärfer als normales Schleifpapier, oder auch einfach ein Holzklotz mit Läpppulver von ca 1/3 der Platinengröße, die man beim Schleifen nur jeweils knapp über die Blechkante rauslaufen lässt. Es geht dabei nicht nur um das einsinken, sondern auch darum, dass die voreilende Kante wegen besserer Schnittbedingungen immer stärker abträgt als die Fläche, die schon mit ansammelndem Abrieb zu kämpfen hat.
. Viele Grüße von Coloman, der natürlich nicht ich ist.
Dass die Kantenbereiche der Werkplatinen flacher geworden sind, habe ich beim Streifenschliff schon bemerkt, da dieser auf 1/100 mm Höhenunterschied sensibel reagiert. Geschliffen hatte ich mit Holzklotz+Schleifpapier.
Ob das Nassschleifen auch mit Nylon-Polierstiften anders aussieht, werde ich mal testen.
Momentan bin ich auf der Suche nach einem Dienstleister, der das ZB matt versilbern kann. Anscheinend ist überwiegend nur eine Glanzversilberung das angebotene Verfahren.
Kann mir jemand von Euch einen Betrieb empfehlen, der Messing mit einer matten Silberschicht beschichten kann, ohne vorher oder nachher durch Glasstrahlen die Oberfläche aufzurauhen?
(Bitte keine Vorschläge für Aufreiberversilberung!)
Ich lasse immer bei https://www.dresdnersilber.de/de galvanisieren. Ob die matt versilbern und ob das überhaupt ohne vorherige Körnungsbehandlung geht, weiss ich nicht, aber die sind kompetent und machen auch Kleinaufträge.
. Viele Grüße von Coloman, der natürlich nicht ich ist.
Mein Eloxierer (für Aluminium) macht eine glänzende Oberfläche durch Beizen (Säure oder Lauge) matt. Erst danach folgt das eloxieren. Alternativ kann durch gleitschleifen und sehr kurzes Beizen eine schön matte Oberfläche erzielt werden. Auf jedem Fall muss die Oberfläche vor dem Eloxieren fertig sein, was ich mir auch beim Versilbern sehr gut vorstellen kann.
Zitat von mikromeister im Beitrag #310Ich lasse immer bei https://www.dresdnersilber.de/de galvanisieren. Ob die matt versilbern und ob das überhaupt ohne vorherige Körnungsbehandlung geht, weiss ich nicht, aber die sind kompetent und machen auch Kleinaufträge.
Danke für diesen Link. Diese Firma hatte ich noch nicht auf meiner langen Liste. LG Roland
Um das Uhrwerk längere Zeit zu testen, brauchte es natürlich eine Aufzugskurbel. Die ist nun auch fertig. Das Rohr mit dem Innenvierkant konnte ich von einem vorhandenen Uhrschlüssel verwenden.
Beinahe vergessen: Die großen Minutenzeiger müssen ausbalanciert werden. Am Minutenzeiger für die MOZ (mittlere Ortszeit) sollte eigentlich der pfeilartige Schwanz diese Aufgabe übernehmen, aber anscheinend habe ich mich dabei verrechnet. Ein kleines Stückchen Blei hinter der Pfeilschwanz hilft nun dabei. Es ist beim Ablesen der Zeit nicht sichtbar.
Für den mit rund 9 Gramm relativ schweren Minutenzeiger der WOZ hatte ich den Gewichtsausgleich an dessen Minutenrohr vorgesehen. Dafür war bedeutend mehr Masse erforderlich.
Nachdem die Platinen geschliffen und zaponiert sind, wurden vor dem Zusammenbau alle Teile noch einmal gereinigt.
Nun waren erstmalig das Zeigerwerk sowie das Äquationswerk gleichzeitig montiert. Erst jetzt zeigte sich, dass die Kurvenscheibe an ihrem größten Radius die Zähne dss Minutenrohrs für die WOZ (wahre Ortszeit) berührte. Dieses Problem konnte einfach dadurch behoben werden, dass an der Kurvenscheibe rundherum ein Millimeter Material abgenommen wurde.
Beim händischen Bewegen der Räder zeigte das Äquationswerk an einigen Stellen geringe Widerstände, die sich durch vorsichtiges Nachfeilen an einigen Zähnen beseitigen ließen. Da diese Räder nahezu kraftlos nur zur Herabsetzung der Drehzahl für die Kurvenscheibe dienen, ist hier eine perfekte Abwälzung der Zähne zum Glück nicht zwingend notwendig.
Zuweilen gab es im Differenzialgetriebe "hakelnde" Übertragung der Differenzzeit MOZ-WOZ. Hier ist eine Notreparatur nicht möglich. Es muss erneut angefertigt werden. Für die Inbetriebnahmetests bleiben darum das Differenzial und die WOZ-Anzeige erst mal "außen vor".
Dieses Bild zeigt das Uhrwerk am Prüfstand. Die zum Test verwendeten Antriebsgewichte haben jeweils oben und unten Haken. So kann ich das Antriebsgewicht jederzeit variieren.
Das Testpendel besteht aus einem 1m langen Schweißstab und einer 800 Gramm Stahlscheibe. Die daran hängende M10-Schraube dient mit etlichen Sechskantmuttern zum Feinabgleich der Pendelfrequenz. Die Masse des gesamten Pendels beläuft sich auf fast genau 1 kg.
Das Uhrwerk wollte einfach nicht laufen. Sogar mit 5,5 (statt wie geplant 4,2) kg an der Seilrolle blieb es stehen. Endlich fand ich den Grund: Der am Anker befestigte "Magnetarm" berührte leicht die "Magnetgabel". Die Vertiefung des Ausschnitts in dem U-förmigen Bauteil behob das Problem.
So kann das Uhrwerk nun eine Weile laufen, bis ein neues Differenzialgetriebe montiert werden kann. Inzwischen kommen die ersten Antworten auf meine Anfragen für das Versilbern des Zifferblatts an.
Schön, dass das Ziffernblatt noch nicht fertig ist - es würde die Sicht auf das sehr gelungene Werk versperren
Wenn ich mich richtig erinnere, dann hattest Du früher mal geschrieben, dass alle Teile in 3D konstruiert wurden, um Kollisionen zu erkennen. Deswegen bin ich etwas verwundert, dass es jetzt doch passiert ist. War das schon im CAD grenzwertig eng?
Ja, Willy, die 3D-Konstruktion war insbesondere hilfreich, Überdeckung der Räder zu erkennen. Das war insbesondere für die Höhenstaffelung der Fall.
Bei der Kurvenscheibe habe ich wohl gepennt. Denn ich habe zwar die Min- und Max-Stellungen der Äquation erzeugt, um die Position des Abtasthebels zu überprüfen. Daneben hätte ich aber entsprechend ihrem maximalen Radius temporär eine kreisrunde Scheibe mit eben diesem Radius erzeugen müssen, um mögliche Kontakte zu anderen Bauteilen erkennen zu können.
Die Bedeckung des Uhrwerks mit dem ZB würde übrigens wenigstens verhindern, dass man wie auf den Fotos in #313 beim näheren Betrachten die schlecht polierten Räder des Zeigerwerks sieht.
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28.09.2023 08:22
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das vorletzte Bild sieht sehr gut aus. Hast Du mal probiert nass (mit Kühlschmierstoff) zu arbeiten um das Schleifmittel immer frei zu spülen und dadurch in seiner Schnittwirkung ev. gleichmäßiger zu bekommen?
