Hallo,
freut mich, dass ich dich so erfreuen konnte/kann ;-)
Inzwischen ist es schon weitergereift und eine weitere Stufe mit Minutenrad und Stundenrad nebst Trommel und zwei Laternen dazugekommen.
Anbei ein paar Impressionen aus der Grossuhrenwerkstatt ;-)






Es gibt natürlich auch schon Designvorstellungen der fertigen Uhr, aber zuerst muss die Mechanik zufriedenstellend laufen.

In den letzten Tagen haben wir uns einige Gedanken zur Antriebsleistung gemacht:

Leistungsabschätzung

Der allererste Gehversuch lief mit einem Gewicht von 30 g, direkt auf die Hemmungsradwelle auf einen Radius von 9 mm wirkend, zufriedenstellend. Das entspricht einem Drehmoment von 2,65 Nmm am Hemmungsrad oder einer Leistung von 70 Mikrowatt.
Ein Wochenläufer würde demnach ein Gewicht von 3,2 kg benötigen - auf den ersten Blick erschreckend viel verglichen mit der Coronica, die mit 1 kg 30 Tage lang läuft!

Wo geht die Leistung hin?

• Vor allem in die Luftreibung des Pendels. Und das macht, im Vergleich zur Graham-Hemmung, eine sehr große Amplitude. Und die Amplitude geht (bei laminar angenommener Luftreibung) quadratisch in die Leistung ein, wie schon von Willy hier dargelegt. Dazu passt, dass die gleiche Uhr mit einem Waagependel (wie in Peters letztem Video oben), dessen Weg und Geschwindigkeit geringer ist, deutlich weniger Leistung benötigte (zunächst 30 Mikrowatt).
• Zweitens in Reibung von Verzahnungen und Lagern. Die aber bei Kugellagerung und (versuchsweisem) Antrieb direkt am Hemmungsrad hier keine große Rolle spielen dürfte.
• Und drittens in die Hemmung selbst:
  Beim Grasshopper gibt es zwar kein Gleiten der Paletten (wie es bei Graham einiges an Leistung aufzehrt). Dafür stellen sich die Paletten bei jedem Zahndurchgang steiler auf, und das Gegengewicht am Palettenende wird angehoben. Diese Höhenenergie geht verloren, sobald die Palette vom Zahn abfällt und in ihre Ausgangslage zurückfällt. Man sollte also das Gegengewicht der Palette so leicht als möglich machen, so dass sie gerade eben noch sicher und reproduzierbar zurückfällt, und auch den Composer möglichst leicht, dass er die Palette gerade noch sicher abfängt.
  Dazu passt, dass die Leistungsaufnahme einen gewaltigen Sprung in die richtige Richtung machte, nachdem Peter die Paletten und Composer nochmal neu konstruiert hatte:
  Aktuell nur noch 10 Mikrowatt mit Waagependel bzw. 42 Mikrowatt mit Sekundenpendel an einer Pendelfeder.

Die neue Hemmung läuft mit ca. 10° Amplitude seit gestern Abend mit einem Antriebsgewicht von ca. 1.2 kg an der Trommel mit 4cm Durchmesser. Ein Video gibts auch, ich muss das allerdings nochmal neu machen, weil man da den Verhau auf der Werkbank so sieht ;-) Ich probier eine nochmal leichtere Hemmung demnächst, mal sehen, ob da noch etwas geht. Aber es geht in die richtige Richtung. Dann kann man irgendwann mal an der Optik arbeiten....

Zitat von Bierjunge im Beitrag #17

---

Wo geht die Leistung hin? ....
[*]Und drittens in die Hemmung selbst:
Beim Grasshopper gibt es zwar kein Gleiten der Paletten (wie es bei Graham einiges an Leistung aufzehrt). Dafür stellen sich die Paletten bei jedem Zahndurchgang steiler auf, und das Gegengewicht am Palettenende wird angehoben. Diese Höhenenergie geht verloren, sobald die Palette vom Zahn abfällt und in ihre Ausgangslage zurückfällt. Man sollte also das Gegengewicht der Palette so leicht als möglich machen, so dass sie gerade eben noch sicher und reproduzierbar zurückfällt, und auch den Composer möglichst leicht, dass er die Palette gerade noch sicher abfängt.
Dazu passt, dass die Leistungsaufnahme einen gewaltigen Sprung in die richtige Richtung machte, nachdem Peter die Paletten und Composer nochmal neu konstruiert hatte:
Aktuell nur noch 10 Mikrowatt mit Waagependel bzw. 42 Mikrowatt mit Sekundenpendel an einer Pendelfeder.[/list]

---

Zitat von mikromeister im Beitrag #20

---

Die potentielle Energie des Palettengegengewichts wird doch in die Rotation des Palettenhebels umgesetzt und beim Anschlag in ein Drehmoment, das aufs Pendel wirkt.
Wenn nun dieser Drehimpuls nicht durch einen weichen Anschlag in Wärme verbraten wird und gleichzeitig zu einer Zeit wirkt, in der er die Pendelschwingung verstärkt anstatt bremst, sollte der Energieverlust doch minimiert sein.

---

Zitat von peterg im Beitrag #19

---

Die neue Hemmung mit leichteren Paletten hat leider nichts gebracht. Nach wie vor ca. 1.3kg an Trommel mit 4cm Durchmesser. Ausschlag ca. 9.6°.
Wahrscheinlich ist das so ungefähr die Grenze mit der Drucktechnik. Es gibt schon noch Verbesserungspotential wie zb. PTFE-Lager oä, Komposer und Paletten noch leichter. Auch das Pendel hat noch extrem viel aerodyn. Potential.

---

Zitat von Bierjunge im Beitrag #21

---

[quote=mikromeister|p137038].....Das Zurückfallen der Paletten erfolgt sehr nah am Umkehrpunkt des Pendels. Damit ändert es wenig an der Energie im Pendel, die Höhenenergie der Paletten geht verloren.
Übigens zeigte ja auch der Versuch, dass ein leichteres Antriebsgewicht genügte, nachdem Peter leichtere Paletten gebaut hatte.

---

"Übigens zeigte ja auch der Versuch, dass ein leichteres Antriebsgewicht genügte, nachdem Peter leichtere Paletten gebaut hatte."
Nur damit keine falschen Schlüsse gezogen werden: Der grösste Unterschied ergab sich durch die Umstellung der Hemmung von 15,5 Zähnen auf 20,5 Zähne Übergriff und damit einer Verringerung des Schwingungsbogen von 14-15° auf ca. 9,5°.
Der Umstieg auf die leichteren Paletten hat leider in meinem Aufbau nichts gebracht. Ich hoffe, ich hab da in meinen Posts nichts falsches geschrieben. Wenn, dann Sorry !
Wobei mein Aufbau natürlich nicht dazu geeignet ist, solche Feinheiten zu ergründen. Dazu müsste in ganz anderer Aufwand getrieben werden. Auch das korrekte Einstellen der HEmmung ist mit Sicherheit bei mir noch nicht komplett erfolgt.

Zitat von mikromeister im Beitrag #23

---

Nehmen wir ein ruhendes Pendel an und dann lässt man einen Palettenhebel aus der hohen Position fallen, dann ist doch die Energie des Hebels hinterher geringer wie vorher. Ich hoffe, wir sind uns hier einig.
Wo soll diese Energie, die meiner Meinung nach als Moment über eine Zeit auf das Pendel wirkt hingehen, wenn nicht in eine Auslenkung des Pendels und innere Reibung? Verloren kann sie ja bekanntermaßen nicht sein.

---

Vielen Dank für deine Mühe.
Ich will nicht behaupten, das ich die Diagramme wirklich verstehe, aber dass der Effekt relativ klein ist scheint mir trotzdem ersichtlich.

Triebstockverzahnung revisited

Wenn man sich mit Harrisons Prinzipien befasst, kommt man mehrmals an den Punkt, wo man sicher geglaubte Dogmen traditionellen Uhrenbaus über Bord werfen und sich auf völlig neue Denkmuster einlassen muss. Leichtes Pendel, große Amplitude, erwünschter Luftwiderstand, rückführende Hemmung sind nur ein paar dieser gedanklichen Stolpersteine.

In Posting #12 habe ich ausführlich geschildert, dass ich mich sehr intensiv mit rechnerischer Optimierung der Triebverzahnung befasst und dabei auch viel gelernt zu haben glaube. Herausgekommen ist eine an eine Zykloide angenäherte Kreisbogenverzahnung. Und bei einer Treibstockverzahnung kann geometrisch auch gar nichts anderes als eine Zykloide als ideale Zahnform herauskommen!

Harrison dagegen verwendete eine völlig andere, erschreckend primitive Zahnform: Gerade, radiale Zahnflanken mit einer abgerundeten Spitze. So etwas kann doch gar nicht vernünftig abwälzen?!


Auch in der Literatur kam ich nie mit der Beschreibung dieser Verzahnung klar:

Zitat

---

John Harrison's Contrivance
Stuart Harrison

When he introduced lantern pinions throughout his 1728 regulators he arranged for the pinion rollers to make contact throughout their action on the radial sides of the teeth. The radiused ends of the teeth were to enable clearance. This meant that any slight change in the dimensions of the frame altering the depthing has insignificant effect.
Harrison 1730 drawing shows that the chordal pitches rather than the circular pitches of the wheel and pinion are equal.

---

Zitat

---

The Origins of John Harrison’s ‘Pendulum-Clock’ Technology
Andrew King

The wheels with their mating pinions are set on chordal pitch centres rather than the normal circular pitch centres. The extra deep engagement only permits the pinion rollers to roll on the flanks of the wheel teeth, never engaging the wheel tips.

---

Meine geistigen Hemmsteine dabei waren:

• Wenn angeblich ausschließlich Kontakt zwischen Rollen und radialer Zahnflanke stattfindet (und die abgerundete Zahnspitze nur dazu dient, Platz zu schaffen), dann muss die Drehübertragung meilenweit entfernt vom gleichförmigen Ideal der Zykloiden-Flanke entfernt sein.
• Schlimmer noch: So lange Rolle und radiale Flanke Kontakt haben, würde nach dem passieren der Mittellinie das Trieb ggü. dem Rad immer schneller werden, so dass es gar nicht zu einer Übergab an den nächstfolgenden Zahn kommen kann.
• Weil das nicht sein kann, muss demnach die Rolle eben doch über die gerundete Zahnspitze abwälzen, womit die eher unwichtig geglaubte, angeblich nur Freigang schaffende Form der Abrundung der Zahnspitze plötzlich gewaltigen Einfluss auf das Übertragungsverhalten hätte.

• Bei meiner Zykloidenverzahnung schwankt die Übersetzng (bzw. das Drehmoment) um 3,5%. Allerdings reagiert sie sehr sensibel auf Änderungen der Eingriffstiefe bzw. des Achsabstandes: Bei nur 1/10 mm tieferem Eingriff (und das bei einem Rad von 300 mm Durchmesser!) verdoppelt sich die Schwankung fast, auf 6,4%. Und bei 2/10 tieferem Eingriff steigt sie auf 10,3%. Also stellt sie sehr hohe Anforderungen an eine absolut exakt eingestellte Eingriffstiefe.
• bei Harrisons Radialverzahnung findet tatsächlich überwiegend Kontakt zu den radialen Flanken statt. Nur unmittelbar bei der Übergabe von einem Zahn zum nächsten kippt der Kontaktpunkt minimal auf die gerundete Spitze. Die Übersetzungsschwankung beträgt im best case 10,5%. Allerdings ist sie tatsächlich sehr robust gegenüber Abstandsänderungen: Selbst bei 0,5 mm mehr oder 0,5 mm weniger Achsabstand ändert sich kaum etwas am Übertragungsverhalten.

Zitat

---

Reflections on Making Clocks Harrison’s Way
Martin Burgess FSA, FBHI

Harrison used roller pinions. The rollers are lignum vitae on brass pins, and to get large rollers he had to use narrow, straight-sided peg teeth. Clock B uses stainless steel dry Barden bearings. They are dust shielded, and the cages are coated with Teflon, which means they offer very little friction. Furthermore, they are small enough to engage with cycloidal teeth, thereby enabling a reasonably constant torque transmission.

---

Wieder was gelernt!

Übrigens haben sowohl Harrisons RAS-Regulator als auch Burgess Clock B ein dem Steigrad unmittelbar vorgeschaltetes Remontoir, so dass etwaige leichte Schwankungen im Triebstrangmoment eh ausgebügelt werden. Und bei dem hier in diesem Thread skizzierten Projekt ist ein Zahn in 30 Sekunden durchgelaufen, so dass das Pendel (hoffentlich) nicht allzuviel Zeit findet, sich auf ein verändertes Antriebsmoment einzuschwingen.

Moritz

Hallo Moritz,

das ist eine interessante Betrachtung geworden. Danke für die anschauliche Darstellung.

Roland

Hallo Moritz,

vielen Dank für deine Arbeit und die daraus entstandenen Erläuterungen. Das Thema hat mich schon lange fasziniert, jedoch reicht mein Verständnis nur dazu an der oberfläche zu kraten. Mit deiner Hilfe und die Erläuterungen gelingt es mir noch ein wenig mehr zu verstehen. Danke.

Gruß,
Dieter

Momentan bin ich von rapid prototyping wieder zurück in Richtung slow prototyping. Peter hat mich mit seinen wunderbaren, extrem schnell 3D-gedruckten Funktionsmustern total begeistert, dennoch lässt mich die ursprüngliche Idee einer Holzräderuhr nicht los.
Und während Peter nur gut 3 Wochen brauchte, bis eine erste Uhr tickte, nachdem ich ihm die ersten Abmessungen geschickt hatte, bastle ich seitdem nur an einer Vorrichtung, bevor ich auch nur daran denken kann, das erste Zahnrad schneiden zu können .

Aber hier ist sie nun, die Pantographen-Radschneidemaschine Marke Eigenbau:



Im Wesentlichen handelt es sich um einen Storchschnabel, der die Bewegungen der 20 mm-Rolle am unteren Ende des Parallelogramms in 10-fach verkleinertem Maßstab auf einen 2 mm-Stiftfräser überträgt, im Prinzip wie bei einer Gravier-Kopierfräse. Mit der Rolle soll die Kontur der Zahnschablone im Vordergrund abgetastet und so jeweils eine Zahnlücke in den Zahnradrohling eingefräset werden.



Als Teilmaschine fungiert ein gekauftes Zahnrad mit 120 Zähnen im Modul 1,5 (zum Glück plane ich alle Räder mit 120 Zähnen), das sich inklusive darauf gespanntem Rad-Rohling spielfrei auf einem gehärteten Passstift dreht. Die im Vordergund sichtbare, federbelastete Klinke sorgt mit einem 3 mm-Passstift für eine reproduzierbare Positionierung des Rades.

Ich hoffe, nächste Woche erste Ergebnisse zeigen zu können.

Gruß, Moritz