Hallo,

Stinksauer - ausnahmsweise auf einen Kollegen - muss ich das mal los werden:

Dieser Tage traf unten beschriebener Hanhart Fliegerchrono in meiner Werkstatt ein.
Der optische Zustand war durchaus ok.

Wie üblich, wird dann geprüft und der Besitzer erhält einen schriftlichen Befund zum KVA.
Hier ein Auszug:

Zitat

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Festgestellt wurden:
1. Uhr traf mit blockiertem Werk ein. Hemmung ist ausgeschwungen.
2. Falsche Unruhwelle. Höhenspiel Unruh zu groß. Unruhspirale nicht zentriert. Plateau unrund.
Beide Incabloc Unruhlager sind durch Veränderungen beschädigt. Da auch die Vernietung der U-Welle deformiert ist, reicht vorr. ein Tausch der Welle nicht, Unruh kpl. wird nötig.
3. Sehr geringe Amplitude der Unruhschwingung.
Ist, hor.: 195 ... 220° vert.: 140 ... 170° (Soll, hor.: 270° vert.: 240°)
Gangwerte sehr stark schwankend (+50 ... -90 s/d je nach Lage).
4. Gewinde des Gehäusebodens ist verdorben, Gewinde im Ms-Gehäuse wird dadurch längerfristig zerstört.
5. Feder, Dichtung fehlen in unterem Drücker. Bodendichtung fehlt.

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Soweit nicht so ungewöhnlich bei einer Uhr, die schon 60 Jahre hinter sich hat.

- ABER -

Der Besitzer schrieb mir, dass die Uhr im Herbst 2016 beim Uhrmacher zur Revision war! Er musste dafür 1300,- bezahlen, ohne Rechnung/Quittung versteht sich. Er hatte keine Ahnung, was gemacht wurde, die nur mündlichen Erklärungen des "Fachmanns" natürlich längst vergessen.

Wer meine Beiträge kennt, weiss es: ich neige dazu, bei Klagen über "die Uhrmacher" die Kollegen zu verteidigen. Aber bei so viel Pfusch & Chuzpe ging mir doch der Hut hoch!

Was hat der Uhrenbesitzer falsch gemacht?
Meine Meinung:
1.) sich nicht vorher informiert, welcher Fachmann die Arbeiten ausführen kann.
Erst als die Uhr blockierte, fragte er bei Hanhart in Gütenbach nach, wo ihm mein Betrieb empfohlen wurde.

Ein verantwortungsvoller Kollege hätte allerdings erkannt, wenn er überfordert ist und hätte den Auftrag abgelehnt.

2.) Die Arbeiten "schwarz" bezahlt.
Vermeintlich gesparte 19% - in Wahrheit Verlust des vollen bezahlten Betrags. Gewährleistung kann nicht eingefordert werden, Schadenersatz wird hier sicher nicht geleistet.

Nach Abschluss einer neuen Revi in meiner Werkstattwird die Uhr wieder technisch einwandfrei sein, der Rückbau falscher und vermurkster Bauteile in den Originalzustand aber erzeugt Zusatzkosten, die unnötig waren.

Anscheinend ist es schwerer zu sagen "das kann ich nicht" als auf etwas Geld zu verzichten, und dann kräftig zu murksen.

lg

michael

...das sollte man sich aber wirklich 3x überlegen. Schnell zahlt man dreifach drauf! Gegenüber sich und dem Kunden ehrlich zu sein, schafft mehr Vertrauen als irgendeine gute Uhr zu zerstören!
Aber zu einem Deal gehören immer zwei: seit Saturn ist ja sowieso alles anders.... "Geiz ist geil!"

LG Thomas

Zitat von tojota im Beitrag #3

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Anscheinend ist es schwerer zu sagen "das kann ich nicht" als auf etwas Geld zu verzichten, und dann kräftig zu murksen.

lg

michael

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Hallo Ellipse,
danke für Deinen Beitrag (auch allen anderen!).

Pfusch ja, billig sicher nicht. Er wollte seinem Sohn eine einwandfreie Uhr aus Besitz des eigenen Vaters weitergeben. An den Reparaturkosten wollte er wohl nicht sparen (an Steuer schon), jetzt tut er's doppelt nicht.

Dein Vergleich mit Medizinern ist richtig, mir fiel die Forderung der AOK ein, die gerade durch die Nachrichten geht.

Etliche Uhrensammler die ich kenne hätten gerne einen Uhrmacher als Rentner, der noch gelegentlich nebenher Uhren repariert. Natürlich fast umsonst und natürlich ohne Rechnung. Das ist eine Seite der Medaillie.

Die andere ist, dass es durchaus Leute gibt, die vorgeben die gewünschte Dienstleistung erbringen zu können, aber gleich dazusagen, sie könnten aber keine Rechnung schreiben weil sie kein Gewerbe hätten. Wenn man niemand anderen weiß, der diese Dienstleistung auch erbringen kann, dann ist man geneigt sich darauf einzulassen.

Hier ist der Sonderfall, dass die Dienstleistung teuer war und auch noch schlecht ausgeführt wurde. Das gleiche kann man auch in anderen Bereichen erleben, z.B in Autowerkstätten. Sich an die Markenwerkstatt, bzw. den Hersteller zu wenden macht sie Sache oft teuer und nicht zwingend besser. Das ist aber keineswegs eine Regel auf die man sich verlassen könnte. Erfahrungswerte sind für Laien schwer zu kriegen und hinterher ist man immer schlauer.

Wenigstens ist die Uhr jetzt in guten Händen.

@Frank: Wie reparierst Du das Deckelgewinde?

Gruß
Norbert

Zitat von nobrett im Beitrag #7

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@Frank: Wie reparierst Du das Deckelgewinde?

Gruß
Norbert

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Hallo

Sicher dass das ein Uhrmacher war?
Dichtung fehlt, Drückerdichtung und Feder sind ja obligatorisch und eigentlich Kleinigkeiten. Und einen Gehäuseboden sollte man ja auch drauf haben richtig zu schließen.
Das ein Uhrmacher wenig Erfahrung im Einbau einer (falschen?) U-Welle hat, kann ich ja noch verstehen, aber die Stoßsicherung beschädigen???

Und niemals würde ich in meiner Firma versuchen, so eine Rep. ohne Rechnung zu machen. Klagt der Kunde ob des Pfusches, hat man auch noch das Finanzamt am Hals.

Gruß hermann

Meine unmassgebliche Meinung dazu:

Wieso sollte es kein "professioneller" Uhrmacher gewesen sein?

In allen Bereichen des Handwerks gibt es professionelle Stümper. Vermutlich werden die meisten von Euch, ebenso wie ich schon einmal solche Erfahrungen gemacht haben. Ich denke, das ist keine spezielle Besonderheit im Uhrmacherhandwerk.

Das Problem ist, dass solche "Idioten-Stümper" den Ruf eines Handwerks schädigen, nicht zuletzt fragt dann der Profi ob es wirklich ein professioneller und gelernter Uhrmacher war, der eine solche "Reparatur oder Revision" durchgeführt hat...funktionieren wir doch alle nach dem Induktionsprinip "vom Speziellen zum Allgemeinen".

Ich denke, dass es in früheren Jahren anteilig mehr Handwerker gab, die eine persönliche und berufliche Ehre innehatten und dass das heute eher selten der Fall ist.


Heute gilt das Motto: "Kompetentes Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit!"


Das ist sicher nicht zuletzt auch dem Kommerz geschuldet und der Tatsache, dass Kunden ihren Handwerkern weniger Wertschätzung entgegenbringen als das früher der Fall war. Dazu kommt natürlich noch die Tatsache, dass nur ein geringer Teil der Kunden bereit ist, Ihren Handwerkern einen angemessenen Preis für deren Leistung zu zahlen.

Die in der Vergangenheit bekannt gewordenen Fleischskandale basieren doch auch genau darauf, dass man jeden Tag Fleisch essen will und deshalb nicht bereit ist, einen adäquaten Preis dafür zu zahlen, antstatt nur einmal in der Woche Fleisch zu essen, das von höchster Qualität ist. Heute gibt man sein Geld lieber für neue Handys, Spielkonsolen oder andere Gimmiks aus.

Die Generationen, die handwerkliche Kunst (wie die der Uhrmacherei) zu schätzen weiss und wusste, wird ausstreben und deshalb auch die Nachfrage nach mechanischen Uhren.

... oder es wird eine Renaissance der handwerklichen Künste geben...wer weiss das schon?

LG

Ralf

Lieber Ralf, wahre Worte. Wie ich ja schon schrieb: Geiz ist geil!

LG Thomas

... und je nach Konstellation für mindestens einen, manchmal für beide Geschäfts"partner" strafbar ...

Beitrag um 22:58 Uhr ergänzt:

Vielleicht noch eine (unmassgebliche) Anregung für die Profis unter Euch:

Gebt Euren potentiellen Kunden Referenzlisten an !!!

Ich halte Referenzen, sowohl bei Bewerbern als auch bei anbietenden Dienstleistern für eine recht hilfreiche Angelegenheit.

Wäre es nicht möglich, dass professionelle Uhrmacher ihren potentiellen Kunden Listen mit Referenzen zugänglich machen? Dann hätte jeder Kunde die Möglichkeit, die angegebenen Referenzen selbst abzuklopfen, um in Erfahrung zu bringen, welche Qualität zu erwarten ist.

Selbstverständlich ist die Angabe von Referenzen nicht ganz objektiv, kann doch jedes Unternehmen frei entscheiden, welche Referenzen weitergegeben werden. Gleichwohl gibt es dann Auskünfte aus Referenzen, die anders sind, als sich das Unternehmen das vorgestellt hat. Denn das Selbstbild, das Unternehmer oder Handwerker von sich haben und in die Beurteilung eines Kunden, den sie als Referenz angeben, projezieren, unterscheidet sich dann doch häufig von den Bewertungen, die man von den Referenzkunden tatsächlich erhält. In einem geschickt geführten Telefonat oder Gespräch mit solchen Referenzkunden, lässt sich viel "Wahrheit" über eine Dienstleistung herausfinden.

Ich habe in meiner Branche jedenfalls recht gute Erfahrungen damit gemacht, mich bei Referenzkunden über eine Dienstleistung und deren Qualität zu informieren.


Zitat von Frank:
"Ein verantwortungsvoller Kollege hätte allerdings erkannt, wenn er überfordert ist und hätte den Auftrag abgelehnt."

In der Medizintechnik gibt es einen Ehrenkodex, der auch schriftlich als "Unabhängigkeit der Weisungsbefugnis" festgelegt wird. Danach handelt jeder Medizintechniker bei der Überprüfung eines medizintechnischen Gerätes völlig unabhängig von Forderungen sowohl seines Arbeitgebers als auch seines Auftraggebers. Er allein entscheidet über die Beurteilung des Zustandes desjenigen Gerätes, das er überprüft. Er steht damit in der persönlichen Verantwortung für den sicheren Betrieb eines Gerätes, von dem Menschenleben abhängen kann. Fehlt ihm dazu das entsprechende Wissen oder die notwendigen Kenntnisse, wird er sich hüten, ein Gerät zu prüfen und ein abschliessendes Urteil zu fällen.

Einen ähnlichen Ehrenkodex sollten alle Uhrmacher und Handwerker unterschreiben!


Gruss

Ralf

Das ist aber genau der Punkt an dem der Kunde scheitert: Wen fragen wohin man sich wenden soll wenn man keine Ahnung hat und nicht in der Szene ist?

Eine historische Fliegeruhr wird kaum ein "Juwelier" der Uhren verkauft annehmen, egal wie groß und glänzend das Geschäft ist, der Kunde ist vermutlich froh wenn er überhaupt jemand findet. Und für mich kam es auch überraschend, dass Hanhart mich mit einer Anfrage an Frank verwiesen hat. Und das obwohl ich davor versucht habe, mich in einem (anderen) Forum schlau zu machen. Das nächste Mal weiß ich das jetzt.