Schweiz, zwischen Zürich-Luzern und Deutschland, Saarbrücken
Auf dem Werktisch liegt ein Parvenis-Kaliber, das seinen Dienst eingestellt hat, erste Diagnose bei der Demontage: Zifferblattseitiger Deckstein der Unruh gebrochen.
Der Deckstein muss ersetzt werden, also Stein-Sortiment hervorholen und passenden Deckstein suchen. Wie so oft, wieder einmal ist der wirklich passende Stein nicht vorhanden. So findet sich zwar ein im Durchmesser passender Deckstein, der jedoch für die Fassung und die Stoss-Sicherung eindeutig eine zu grosse Dicke aufweist.
Hinweis für meine Kollegen der Fraktion Hobby- und Amateur-Schrauber: Der zifferblattseitige, also obere Deckstein ist meist dünner als der Deckstein des Unruhklobens. Dies vermutlich deshalb, weil die Unterseite eher grösseren Schlägen durch die Unruhwelle ausgesetzt ist.
Also überlegen, einen passenden Deckstein zu beschaffen oder den vorhandenen entsprechend anzupassen, das hätte den Vorteil, an dem Kaliber weiterarbeiten zu können und nicht erst auf den passenden Ersatz zu warten....ausserdem die kleine Herausforderung, aus Vorhandenem zu schöpfen. Also Entschluss gefasst und beschlossen, den vorhandenen Deckstein passend zu schleifen. Schliesslich habe ich ja alle dafür notwendigen Mittel in der Werkstatt vorrätig.
Für das Abschleifen des Decksteins habe ich 3 entsprechende Schleifpasten (die mir André einmal empfohlen hatte) für Rubine in der Schublade.
... und auch für das Finish habe ich eine "edle Paste" in der Werktisch-Schublade:
Zum Schleifen des Decksteines habe ich ein Putzholz an einem Ende plan gefeilt und mittels Rollensenker eine kleine Senkung, die den Stein aufnehmen soll, angedreht.
Der Deckstein wird nun in die Senkung des Putzholzes gedrückt, ein wenig Schleifpaste auf einer Glasfläche verteilt und den in das Putzholz eingedrückten Stein mittels Stiftenkloben in kreisenden Bewegungen über die Glasfläche geführt. Neben der kreisenden Bewegung auf der Glasfläche, wird der Stiftenkloben mit dem Putzholz immer wieder ein Stück in der Hand gedreht.
Nach jedem Schleifgang werden Stein und Putzholz, ebenso wie die Glasfläche (hier eine Petrischale), sorgfältig gereinigt und die nächst feinere Paste zum Schleifen aufgetragen. Zum Schluss folgt das Finish mit der 1um-Diamantpaste. Das Ergebnis ist eine saubere, glatte Oberfläche des jetzt ausreichend dünnen und passenden Decksteins.
Danach werden Loch- und Deckstein eingesetzt, zum Schluss fehlt nur noch die Sicherung, die noch einzusetzen ist.
ohne Stein:
mit Lochstein:
mit Deckstein:
LG
Ralf
Es gibt Dinge die wir lernen müssen bevor wir sie tun können und wir lernen sie indem wir sie tun
Schöne Arbeit und ich freu mich, dass es geklappt hat.
Allerdings kenne ich es mit den verschiedenen Dicken der Steine so das der Deckstein auf der Unruh-Seite deswegen größer bzw. dicker ist, ganz einfach weil man ihn sieht. Also es hat was mit der Optik zu tun und der Stein wirkt einfach größer und schöner. Technisch gesehen hat es keinerlei Hintergründe.
Schweiz, zwischen Zürich-Luzern und Deutschland, Saarbrücken
Zitat von Victor im Beitrag #2Schöne Arbeit und ich freu mich, dass es geklappt hat.
Allerdings kenne ich es mit den verschiedenen Dicken der Steine so das der Deckstein auf der Unruh-Seite deswegen größer bzw. dicker ist, ganz einfach weil man ihn sieht. Also es hat was mit der Optik zu tun und der Stein wirkt einfach größer und schöner. Technisch gesehen hat es keinerlei Hintergründe.
Hallo André
Danke für die Erklärung, das klingt plausibel. Ich hatte ja nur die Vermutung, dass es etwas mit der unterschiedlichen Belastung zu tun hat, dass die Steine unterschiedlich dick sind.
Bleibt für mich allerdings die Frage offen, weshalb sich die Hersteller die Mühe machen, zwei unterschiedliche Steindicken zu verwenden, es wäre doch in diesem Fall einfacher, den dickeren Stein für beide Seiten zu verwenden.
LG
Ralf
Es gibt Dinge die wir lernen müssen bevor wir sie tun können und wir lernen sie indem wir sie tun
Also, in den meisten Fällen ist der Deckstein im Unruhkloben dicker. Auf der Zifferblattseite flacher, dort ist die kompl. Stoßsicherung flacher, damit sie nicht übersteht.
Beim Unruhkloben ist die Aufnahme wegen dem Rücker etwas tiefer, also liegt der Loch- und Deckstein auch tiefer, die Feder würde nicht straff genug aufliegen. Es hat somit einen technischen Sinn, zwei verschiedene Stärken vorzufinden.
Optische Gründe sind das weniger. Früher hatten die Uhren auch keine Glasböden.
LG Thomas
Vom Handwerk kann man sich zur Kunst erheben. Vom Pfuschen nie. J.W.v. Goethe
Eine Frage noch, Wie viel abgeschliffen in welcher Zeit?
Hallo Dirk
Ich habe nicht gemessen, wieviel Zehntel/Hundertstel ich abgeschliffen habe, bin nach Augenmaß vorgegangen.
Mit der groben Schleifpaste geht das aber sehr viel rascher als man vermuten würde. Auf der groben Paste habe ich nur einige wenige Minuten geschliffen, das anschließende Polieren mit den feineren Pasten hat einige Minuten länger gedauert.
LG
Ralf
Es gibt Dinge die wir lernen müssen bevor wir sie tun können und wir lernen sie indem wir sie tun
Saubere Arbeit und Respekt! Ich hätte wahrscheinlich (mehr) Zeit in die Suche nach einem passenden Stein investiert. Aber der scheinbar einfach Weg ist nicht immer der schnellste.
alleine schon die Idee aufzugreifen, sich den benötigten Stein selbst passend zu schleifen, finde ich schon bemerkenswert. Man merkt, das Du Dich vorher mit diesem Thema intensiver auseinander gesetzt, und Dich gut vorbereitet hast.
Vielen Dank fürs Zeigen .
LG Sigi
Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden (Hermann Hesse)
Ja, das streite ich auch nicht ab! Besonders ETA-Werke und Co. Das wird aber wohl im Zuge der Vereinfachung und Reduzierung der Vielfalt von Einzelteilen geändert worden sein. Jetzt sind sie meistens gleich dick oder dünn, je nachdem, wie man es betrachtet. 😎
LG Thomas
Vom Handwerk kann man sich zur Kunst erheben. Vom Pfuschen nie. J.W.v. Goethe
danke für die interessante Vorstellung! Das Verfahren kannte ich noch nicht.
Es ist sicher oft nützlich, wenn ein Deckstein mal verloren geht, und passender Ersatz nicht vorhanden ist.
Viele Grüße!
Matthias
Hallo Matthias
Dieses "Verfahren" ist von mir frei erfunden. So vorzugehen, lag für mich aber auf der Hand. Welche Schleifpasten hierzu am Besten passen, habe ich mal von André erfahren.
alleine schon die Idee aufzugreifen, sich den benötigten Stein selbst passend zu schleifen, finde ich schon bemerkenswert. Man merkt, das Du Dich vorher mit diesem Thema intensiver auseinander gesetzt, und Dich gut vorbereitet hast.
Vielen Dank fürs Zeigen .
LG Sigi
Hallo Sigi
Über das "Handwerk des Uhrensteinschleifens" kann man ja einiges an Theorie und Praxisanleitung aus dem gleichnamigen Werk von André entnehmen.
LG
Ralf
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06.10.2014 21:59 (zuletzt bearbeitet: 06.10.2014 23:22)
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