Moin,

ja schon klar. Und das ist der Unterschied zwischen "Feinsthandwerk" und "Grobhandwerk".
Wenn ich beim Uhrmacher bin und es ist alles geleckt und nirgends was von einer Arbeit zu sehen, drehe ich mich um und gehe.
Liegen jedoch Teile auf dem Tisch rum und sind auch die Staubglocken mit Uhrenteilen versehen , Werkzeug ist sichtbar. Dann bleibe ich.
Ist alles nur unachtsam durch die Gegend liegend ... naja, warum ist das so?

Aber eben bei uns ist es nunmal so das wir mehrere Arbeiten gleichzeitig auf dem Tisch haben und diese manchmal ein paar Tage auch liegen müssen. Daher schaut es bei uns auch so "chaotisch" aus.
Aber es wird auch permanent wieder aufgeräumt und gefegt und Werkzeug gepflegt, meistens schleife ich die Werkzeuge die geschliffen werden müssen an einem Montag oder Freitag. Aber ich sammel solche Werkzeuge immer, so das es sich auch lohnt die Schleifmaschine einzurichten.

Andere Sachen wie immer wiederkehrende Kleinzuschnitte werden mal auf einen "ruhigeren" Tag verlegt und dann schaut der Tisch auch wieder entsprechend voll aus und für den Unwissenden kommt da leicht der Eindruck auf "Warum schmeissen die den Müll nicht einfach weg?" Es ist eben kein Müll und wenn die Kunden ein paar Minuten warten müssen, sehen die das dann auch das der angebliche Müll auch noch verpackt wird zu 10er Paketen ...

LG Nico

.... würdet Ihr in ein Flugzeug steigen, von deren Betreibergesellschaft ihr vorab die Werkstatt der Flugzeugmechanik besichtigen durftet und dort das Chaos unübersehbar war?

.... würdet Ihr Euch von einem Chirurgen operieren lassen, von dessen Instrumentiertischen ihr Bilder gesehen habt, die blutige Instrumente in völlig ungeordneter und chaotischer Anordnung zeigen?

.... habt Ihr ein gutes Gefühl, wenn Ihr Euren Oldtimer in eine Werkstatt bringt, in der die Unordnung sofort ins Auge sticht?

Dass ein Arbeitsplatz unordentlich aussehen muss, wenn daran gearbeitet wird, versuchen meine Mitarbeiter mir auch immer wieder zu verkaufen!

Für mich gibt es nur zwei Gründe, weshalb ein Arbeitsplatz (auch der Uhrmachertisch) nicht ordentlich und aufgeräumt ist:
1. Der Handwerker oder Techniker ist zu faul, seinen Arbeitsplatz in einem ordentlichen Zustand zu halten.
2. Der Handwerker oder Techniker ist eine chaotisch strukturierte Person, sein Arbeitsplatz ist ein Abbild seiner insgesamt unstrukturierten Arbeitsweise.

Ich frage mich, wie man ein filigranes Kaliber, an dem man arbeitet, von Schmutz, insbesondere von funktionsbeeinträchtigendem Schmutz fernhalten kann, wenn der Arbeistplatz sich in einem völlig unordentlichen Zustand befindet. Denn schlussendlich führt Unordnung an einem Arbeitspaltz auch zu vermehrtem Schmutz am Arbeitsplatz, denn meist korrelieren ja Unordnung und Schmutz miteinander. Wer seine Werkzeuge, Messgeräte und Messinstrumente am Arbeitsplatz "herumfliegen lässt", sieht den angesammelten Schmutz überhaupt nicht.

Ich bin überzeugt, dass ein wirklich guter Handwerker oder Techniker ein gewisses Mass an Ordnungssinn verinnerlicht hat und auch so arbeitet. Dem ein oder anderen Handwerker- oder Techniker-Genie gestehe ich ein gewisses Chaos in Arbeitsweise und Umfeld zu, bei "normalen" Handwerkern und Technikern muss das anders sein.

Diejenige Uhrmachertradition, die ich nur aus der alten Uhrenliteratur kenne, zeugt doch klar davon, dass die alten Uhrmachermeister auch grossen Wert auf Ordnung und Sauberkeit gelegt haben.

Gerade dann, wenn man an einem Objekt über längere Zeit arbeitet, sollte es selbstverständlich sein, dass das Objekt während der Wartezeit eben nicht auf dem Tisch herumliegt, sondern in geordneter Struktur in seinem "Warteregal" Platz findet.

Für mich persönlich ist Unordnung und Schmutz sowohl in meinem Umfeld der Medizintechnik als auch in einer Uhrmacherwerkstatt völlig unakzeptabel.

Aber wie immer.....alles eine Sache der persönlichen Einstellung und Perspektive, so mag jeder, wie es ihm beliebt und von seinem Chef akzeptiert, im Chaos arbeiten. Ich halte es persönlich ähnlich wie Pierre, spätestens nach Abschluss der Arbeiten wird aufgeräumt und für eine saubere Umgebung gesorgt.

Dem Vorwurf derjenigen, ich sei ja nur Uhrmacher-Laie zu entgegnen, nochmals der Hinweis, dass ich o.g. Argumente aus meinem eigenen Berufsfeld der Medizintechnik ziehe und überzeugt bin, dass das durchaus auch 1:1 in die Uhrmacherei übertragbar ist.


Ich finde den Gedanken und die Idee mit der Schauwerkstatt grossartig, bin aber überzeugt, dass sie nur ankommt, wenn die gezeigte Werkstatt einen ordentlichen Eindruck macht und noch viel wichtiger, dass sie die "reale" Werkstatt des Betriebes spiegelt und keine falsche Illusionen darstellt, bzw. zur Schau stellt, nach dem Motto: Wir zeigen Euch eine schön ordentliche Werkstatt, hinter dem Vorhang versteckt sich aber der Chaos-Laden.

LG

Ralf

Hallo,
Harte Worte, Ralf!
Aber die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, dazwiswchen:
- pikfein aufgeräumt = na, da will uns wohl einer etwas vorflunkern, mal sehen, wie es hinten aussieht (bestimmt chaotisch!)
- charos = auweia! Und der sieht noch durch?
- ordentlich, aber benutztes in Arbeitsreichweite, nicht ganz sauber... = real - hier arbeitet wirklich einer und tut nicht nur so!

= nur mal als Gedanken, die mir eingefallen sind. Ich selbst bevorzuge den dritten Punkt

Gruß,
derTeichfloh

Allerdings muss man Ausnahmen machen...wenn z.B. ein Kunde wartet weil er zb schnell ein Armband gekürzt haben will und ich in Eile bin, weil z.B ein Stift abgebrochen ist, sieht mein Tisch auch nicht immer gut aus. Allerdings ist das immer im Einzelfall zu sehen.

Nicht umsonst hat uns der Lehrer vor allem im ersten Lehrjahr etwas getritzt...Alles symetrisch zum Tisch ausrichten....ich mach es trotz noch nicht jahrzehnte im Beruf immernoch so

Zitat von Teichfloh im Beitrag #18

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Hallo,
Harte Worte, Ralf!
Aber die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, dazwiswchen:
- pikfein aufgeräumt = na, da will uns wohl einer etwas vorflunkern, mal sehen, wie es hinten aussieht (bestimmt chaotisch!)
- charos = auweia! Und der sieht noch durch?
- ordentlich, aber benutztes in Arbeitsreichweite, nicht ganz sauber... = real - hier arbeitet wirklich einer und tut nicht nur so!

= nur mal als Gedanken, die mir eingefallen sind. Ich selbst bevorzuge den dritten Punkt

Gruß,
derTeichfloh

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Hallo

Dreck geht, dreckig bleiben geht gar nicht.
Das Werkzeug sollte mit verbundenen Augen zu finden sein.

Es ist durchaus auch nett anzusehen, wenn man mal eine Führung durch die Werkstätten eines Herstellers mit macht, wo frisch gekämmte und geschnäuzte UhrmacherInnen in makellos weißen Arbeitsmänteln an ihren Tischen Werkeln, alles im gleißenden Neonlicht und mit penibel auf die 3 Werke die sie Tag aus Tag ein reparieren, eingerichteten Werktischen.
Ganz anders eine Werkstatt eines freien Betriebes. Hier wandert vom Wecker aus Großmutters Zeiten, über Armbanduhren unzähliger Hersteller, bis hin zur franz. Kaminuhr fast alles über den Werktisch was die Zeitmessung so hergibt.
Da stehen antike Maschinen neben neuester Technik. Da stapeln sich (hoffentlich) die noch zu bearbeitenden oder auf Ersatzteile wartenden Uhren verschiedenster Bauart. Da liegen noch Eisen- und Messingspäne am Tisch der entsprechenden Maschinen weil es entweder die Kundenfrequenz oder einfach die momentanen Aufträge nicht zulassen gleich hinterher zu putzen.
Da stapeln sich Kartons mit alten Ersatzteilen in der Ecke, weil man noch keine Zeit hatte sie wieder zu Hause im Schrank zu verstauen. Da warten leere Pakte von Ersatzteillieferungen darauf, ordnungsgemäß im Papier Container 2 Blocks weiter entsorgt zu werden.
Da liegt ein Stapel Fachzeitschriften auf einem anderen Tisch, die man vor Tagen für das Fachsimpeln mit einem interessierten Kunden herausgesucht hat. Da biegen sich die Regale unter der Last der Bücher die alle mit dem Thema Zeitmessung zu tun haben. An 2 Wänden ticken die unterschiedlichsten Wanduhren nach der erfolgreichen Restaurierung fröhlich vor sich hin und veranstalten mehr oder weniger synchron zu jeder vollen und halben Stunde ihre Klang- und Tonorgien.
Ach ja, das Waschbecken müsste nach der Sauerei der Ultraschall Session von Gestern auch dringendst mit Scheuermittel bearbeitet werden....

So stelle ich mir eine Uhrmacherwerkstatt vor und so sieht es bei mir auch aus!

Gruß hermann

Moin,

Hermann Du triffst es genau auf den Punkt oder wie man so schon sagt den Nagel auf den Kopf.

Ralf, wenn ich ein Foto sehen würde von einem OP-Saal wo der Chirurg arbeitet und das Besteck blutig ist, ja, denn der Mann scheint zu wissen was er tut.
Aber eine Transplantations-OP wo nur das Skalpell einen leichten Bluttropfen hat und dem Chirurgen Schweiss auf der Stirn steht? Nein Danke.

Beim Zahnarzt, sollte alles an seinem Platz sein und nicht die Bohrer irgendwo unachtsam auf dem Schwesterntisch und das Mundspülglas/ - becher sollte auch sauber bzw neu sein. Aber beim Zahntechniker sollte schon sichtbar sein das hier an Brücken und Protesen gearbeitet wird, da erwartet man einen gewissen rosafarbenen, blaufarbenen Staub auf dem Werktisch und kein Museeum!

Ich denke, es ist in jedem Handwerk ein wenig anders. Dennoch bin ich der meinung das jeder in Punkto Werkzeug sein eigenes System hat, ob nun penibel akkurat ausgerichtet oder links, oben, rechts und unten quer. Solange man zielsicher dahin greift sitzt es. Aber wenn der Kopf hochgeht und dann das Gefluche los geht wo denn schon wieder Werkzeug xyz abgeblieben ist, das geht nimmer und definitiv in gar keinem Handwerk. Sowas kostet unnötige Zeit und da heisst das system einfach schlichtweg Ordnung. Egal ob ich als Außenstehender die Ordnung durchschaue oder nicht.

Wenn ich an den Elektroniksachen arbeite steht mein Lötkolben immer Stirnseitig oben, da ich Links sowie Rechts damit arbeite. Seitenschneider, Feinsäge, Knippex immer Rechts, Schraubendreher dagegen immer Links.
Wenn ich Glasbearbeite, steht oder liegt mein Glasschneider immer Rechts bzw. Rechtsoben, die Kröselzange immer Rechts, Spiegelzange immer links. Das ist so drin und wird sich nicht mehr ändern. Würde ich jetzt ein Foto von der Werkstatt machen, dann würdest Du nur sagen Chaos pur. Dem ist aber eben nicht so, sondern es hat sein System mit dem ich effizient arbeite und genauso ist es in der KFZ-Werkstatt. Ok, wenn ich da rein komme und es liegen 5 Sätze Maulschlüssel unten wild verstreut rum, Öllachen, Filter und andere Kleinmaterialien säumen den Fussboden und es ist weit und breit kein KFZ sichtbar ... dan würde ich auch grübeln. Eine werkstatt mit hochglänzenden weissen Fliesen, würde ich mein KFZ nicht anvertrauen. Das stinkt und ich hätte Angst das mein KFZ da unverzeilich Strassendreck rein bringen würde und ich wo möglich noch die Hochganzpolitur der Fliesen bezahlen müsste. Ne lass man gut sein.

So eine Werkstatt wie Hermann es beschrieben hat, hätte bei mir schon allein deswegen 90% Vertrauen.
Die fehlenden 10% sind dann die Kompetenz.

Meine Meinung dazu.

LG Nico

Hallo Hermann

Genau so wie Du es beschreibst sieht es auch bei mir aus, mitten in der Arbeit sogar manchmal etwas chaotisch.
Aber wenn eine Arbeit sprich Uhr fertig ist halte ich es wie es uns in der Lehre eingebläut wurde.
Sämtliches Werkzeug an seinen Platz der Arbeitsplatz und die Maschinen geputzt der Boden gefegt.
Dann macht das anfangen mit einer neuen Arbeit nochmal soviel Spass.

Gruss
W.F

Gottseidank haben mir meine Ausbilder das auch so beigebracht, wie Wolfgang beschreibt.

Es war die Hölle, aber wir haben es geliebt

Hallo ,
Hauptsache stört Ordnung nicht beim arbeiten ,
Wenn ich alles aufgeräumt habe - habe ich mal keinen Lust zum arbeiten .
Wenn ich mich dann überwinde und doch arbeite , dann liegen nun Werkzeuge , Späne , Teile auch mal rum , blind weiß ich aber wo was dann sich befindet , und suchen muß wo die perfekt geordnete Sachen liegen /// das ist Prototypen Bau --- Improvisation .
Soll ein Teil mal nach Zeichnung gefertigt werden /// ganz anderes Vorgehen --- da sortiert man Werkzeuge nach Bedarf , Teile liegen im Kästchen , Maschinen perfekt sauber .

Gedanken ordnen ist Chaos aus welchen Ordnung entsteht .
Schlimmer ist es umgekehrt.
L.G.
Alexander
P.S.; nicht jeder Kunde der zusieht - was so beim Improvisieren passiert , passt in erste System ,
durchaus aber in zweite , da er in Productionsablauf eingeplant werden kann .

Hallo

Zitat von "oldnicos"

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Aber wenn der Kopf hochgeht und dann das Gefluche los geht wo denn schon wieder Werkzeug xyz abgeblieben ist,

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Das Werkzeug das sich am meisten vor mir versteckt, ist die Schieblehre! Zum Glück habe ich drei davon!
Was vermisst ihr im Berufsalltag für ein Werkzeug am öftesten?

Gruß hermann

PS: Selbstverständlich wird der Arbeitsplatz vor Feierabend aufgeräumt, sonst arbeitet der Teufel weiter wie mein erster Meister stets zu sagen pflegte!
Deswegen ist es auch wichtig, das der Schraubstock immer(!) geschlossen ist - das ist mir auch bis heute geblieben.

Moin,

Zitat von HermannH im Beitrag #26

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Das Werkzeug das sich am meisten vor mir versteckt, ist die Schieblehre! Zum Glück habe ich drei davon!

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Ich finde Schauwerkstätten gut, weil es unser Handwerk wieder mehr in den Mittelpunkt rückt. Natürlich gibt es Arbeiten, die viel Konzentration und Ruhe benötigen, wo man nicht noch jemanden über die Schulter schauend gebrauchen kann.

Ich selbst habe und hatte noch nie Probleme, wenn mir jemand über die Schulter schaut. Ist quasi mein Job. Man muss dabei einfach entspannt und ruhig bleiben. Aber es liegt nicht jedem!

Als Aussenstehender betrachtet - scheint das der Übergang von einem Handwerk zu einem Kunsthandwerk zu sein. Wenn man damit höhere Umsätze oder höhere Renditen erzielen kann, macht das geschäftlich Sinn.

Das muß also nicht schlecht sein, aber - wie von Anderen schon geschrieben - das muß demjenigen, der im Schaufenster arbeitet, auch liegen. Wenn jemand das nicht kann / mag, wird er entweder die Zähne zusammenbeissen müssen oder sich möglicherweise etwas Anderes suchen müssen, wo er nicht bei der Arbeit nebenbei auch noch Schausteller / Schauspieler ist.

Andererseits - für jemanden, dem das liegt, ein bischen Theater zu spielen, kann das natürlich ein echter Spaß sein. Das fängt dann mit der Kleidung (dem Kostüm) an und hört bei gezielt ausgesuchten Werkzeugen und Maschinen noch nicht auf.