Und jetzt zur Zweiten:
Ebenfalls eine KERN & Söhne, Kaliber P I (Piccolo), Herstellungsjahr 1958.

Auch hier dieses komische Schmiermittel. Klebte richtig und das überall. Sogar das Werk war auf dem Stuhl regelrecht festgeklebt.

Hier natürlich auch die Pendelfeder. Zwar stimmte die Dicke, aber sie war zu Breit. Eben NIVAROX.

Dann war natürlich durch die (erfolglosen) Versuche die Feder im oberen Bereich total verknickt und der Mitnehmer war abenteuerlich tief eingestellt.

Die Uhr komplett in die Einzelteile zerlegt. Lager und Zapfen überprüft, hier war nichts verbogen, dann die Teile alle im bewährten US-Bad gereinigt, nochmals Lager und Zapfen geprüft und Poliert.

Die Zugfeder war in Ordnung, nur ein wenig MoS2-Öl (aber wirklich nur so viel wie unbedingt nötig) und schon flutscht sie wieder, die Feder. Die Federn kommen bei mir NIE ins Ultraschallbad. Nicht, weil sie eventuell Schaden nehmen könnten durch den Ultraschall (dazu haben diese Bäder viel zu wenig Leistung), sondern weil die Feder im Federhaus ja fest am äußeren Rand anliegt und erst durch die Schwingungen Wasser (auch wenn es nur zu 90% in der Lösung vorkommt, es ist und bleibt Wasser) zwischen die Lagen der Feder kommt. Das anschließende Spülen mit Waschbenzin (sonst vollkommen richtig und hilfreich) nutzt hier nichts, da ohne die Schwingungen eben dieses Waschbenzin NICHT zwischen die Lagen der Feder kommt. Erfolg: ROST!!! Und nach geraumer Zeit der Bruch der Feder. Einzige Möglichkeit für die Federn aus dem Haus heraus und in ein großes US-Bad. Dann wird sie schön sauber und kann auch wieder leicht mit dem richtigen Fett gefettet werden. Von Graphithaltigem Fetten möchte ich allerdings abraten. Graphit ist ein Kohlenstoff und damit hart und leitend. Hart schmirgelt am Material und Leitend bringt Materialabtragung durch galvanische Ströme. Zwar nur im minimalsten Ausmaß, aber immer hin.

Bei dieser Uhr handelt es sich um einen Stiftankerhemmung geändert auf vielfachen wunsch und durch Erfahrung klug geworden, habe ich gleich die Hebeflächen etwas poliert.

Auch hier keinen Zaponlack, sonder den bewährten „Renaissance Wax“ drauf und sauber nach Poliert. Auch die Lager mit Putzholz von Resten des Wachses befreit.

Das Setzen der Wellen war dann nur noch Routine (und viel einfacher als Westminster-Schlagwerke). Alles wieder zusammen gebaut und auf den Stuhl. Nun die neue Pendelfeder (.0023“ = 0,058mm) HOROLOVAR angepasst und die Montierungen angebracht. Bei diesen Uhren übrigens eine Millimeter-Arbeit, da zulang auf der Transportsicherung aufsitzen kann und zu kurz die Montage des Sicherungsbügles verhindert. Feder eingebaut und Pendel um 180° ausgelenkt, denn Abfall eingerichtet, auf dem PC die Stoppuhr gestartet und die Schläge gezählt.

Noch ein wenig Nachregulierung und ab zum Testen ins Regal. Nach 24 Stunden ein Vorgang von 10 Minuten – kein Problem, da das Pendel gaaanz eng gestellt war.

Jetzt steht auch sie bei mir im Regal und freut sich, dass sie wieder eine eigene Arbeit hat. Eine Schöne Uhr, die der Herr KERN da gebaut hat.

Neben der Anderen KERN sieht das Paar nun aus wie Brüderlein und Schwesterlein.
2201-Bruder-und-Schwester.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)

Ebenfalls ein super Beitrag. Danke!

lg Christian

Hallo,
schöner Beitrag und schöne Uhr - gefällt mir.

Bitte: eine Frage vom Laien: Was ist ein "Stiftengang"? (Bild?)

mfg
derTeichfloh
PS: man sollte niemals auslernen - es gibt immer etwas Neues... oder Altes dazu zu lernen

Stiftengang = Scherenhemmung

Danke!

Zitat von Victor im Beitrag #4

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Stiftengang = Scherenhemmung

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Bitte, jetzt verwirrt ihr mich.
Währe ein Bild von beiden Hemmungen möglich? Ich weiß, wie die Hemmungen aussehen - nur der "Stiftengang" sagt mir garnichts.

mfg

Scherenhemmung:

http://www.uhrenlexikon.de/begriff.php?begr=Scherenhemmung

Stiftankergang:
http://uhrentechnik.vyskocil.de/58.0.html

das sind so die ersten Treffer beim Blick in die Kristallgoogle

wobei die Aussage das der Stifankergang in Präzisionspendeluhren verwendet wird für mich doch eher sketisch zu hinterfragen ist.
Diese Hemung wird im Allgemeinen ehrer mit billiger und einfacher Produktion in Verbindung gebracht.
Was nicht heißt, das dies schlechte Uhren sind.
Auch in den ersten Taschenuhren von Lange war die Stiftankerhemmung verbaut.

Also ich kenne Stiftenhemmung als Scherenhemmung

Stiftanker ist was anderes, ja . Weil das Wort Anker drin ist

Ich hab es aber jetzt nicht auf diese Uhr bezogen

Zitat von Victor im Beitrag #9

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Ich hab es aber jetzt nicht auf diese Uhr bezogen

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Trotzdem ist eine Stiftenhemmung für mich was anderes als ne Stiftankerhemmung

Muss ich jetzt Lachen oder zu Kreuze kriechen?

Egal, in deiner Uhr ist das, was mbc sagt, aber ne Stiftenhemmung ist ne Scherenhemmung bzw Amant-Hemmung (ich bleib dabei)

Hallo Stromer,
könntest du bitte, bevor sich unsere Uhrmacher bzw. angehende Uhrmacher die Köpfe heiß reden, ein Bild von diesem "Stiftengang" einstellen. Da sollte es ja klar sein - oder?

mfg

Habe es eben geändert: Stiftankerhemmung. Ist so, wie die Animation vom Vyskocil