ich benötige Informationen über (hoffentlich) triviale Grundlagen eines Uhrwerks. Und zwar habe ich zu Weihnachten eine französische Portaluhr von Japy Fils 1855 geschenkt bekommen (und freue mich auch total darüber ). Allerdings gibt es damit zwei Probleme.
Am schwerwiegendsten ist für mich die Tatsache, dass die Uhr zu schnell läuft (rund 1 Minute in 15 Minuten - also ganz erheblich zu schnell ). Kein Problem, dachte ich - da reguliere ich einfach die Einstellung am Pendel so, dass es länger wird. Allerdings steht es nun schon auf Anschlag, ohne Erfolg. Meinem ungeübten Auge fiel jedoch auf, dass die Pendelfeder offenbar nicht mehr original ist (ca. 1 cm breit, 2,5 cm lang). Daher meine Frage: Ist denn vorstellbar, dass das die mögliche Ursache ist? Kann ich mit einer längeren Pendelfeder die gewünschte langsamere Geschwindigkeit erreichen?
Das zweite Problem bezieht sich auf das Schlossscheibenschlagwerk. Prinzipiell funktioniert es zwar. Aber es läuft nicht immer an, wenn es ausgelöst wird. Man hört zwar den Klick des Auslösehebels, aber erst wenn ich den Windfang etwas anstubse läuft das Schlagwerk los. Die "Warnung" um 20 nach und 10 vor scheint immer zu gehen, nur das Schlagen selbst oft nicht. Was sollte man da überprüfen oder tun?
Ich würde mich unheimlich über hilfreiche Ratschläge freuen, um mein kleines Prachtstück wieder in Bestform zu bringen.
Hallo Aaron So wie ich das sehe wirst Du nicht um eine General-Revision des Werkes herumkommen.Es muss auf jeden Fall die Hemmung nachgesehenwerden ob das Ankerrad in Ordnung ist und ob die Hemmung richtig eingestellt ist. Die Ursachen können mannigfaltig sein. Da ist es besser man geht der Sache systematisch auf den Grund. Was das Schlagwerk betriftt habe ich mal versucht mein Wissen in Wort und Bild zu packen. Aber ob man meine Gedankengänge nachverfolgen kann bleibt mal dahingestellt. Ich habe diese Uhren jedenfalls häufig auf meinem Tisch. f8t2698p25439n2_ji.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Gruss Wolfgang Fritz
Es gibt keinen Weg der nicht irgendwann Nachhause führt.
nochmals allerbesten Dank für die schnelle und sehr ausführliche Hilfe! Die Kommentare des Fotos sind sehr aufschlussreich (vielen Dank auch für die Mühe!!!). Allerdings wird das Spannen der Feder wohl eher etwas für einen Fachmann sein, oder?
Dann werde ich einmal versuchen einen Uhrmacher hier in der Nähe zu finden. Mir wäre es auch lieb, wenn das kleine Prachtstück einmal professionell durchgeschaut wird. Als ich allerdings gestern einmal beim erstbesten Geschäft mit der Aufschrift "Uhrmacher" anfragte, teilte man mir mit, dass man für Großuhren nicht der richtige Ansprechpartner sei (so groß finde ich die Uhr dann auch wieder nicht ). Sind Uhrmacher, die sich mit solchen Uhren auskennen, denn so selten? Oder hatte ich einfach nur Pech?
Zum Schluss hätte ich noch eine andere Frage, da Du schreibst, Du hättest diese Uhren öfter auf dem Tisch. Mir ist dieser Typ zuerst so richtig bewusst auf den Flohmärkten von Paris aufgefallen - dort zu horrenden Preisen (1200 bis 2000€), die wohl amerikanische Touristen als Zielgruppe hatten. Seitdem haben sie mich nicht mehr losgelassen. Weißt Du zufällig, wo ich historische Informationen über diese Uhren finden kann? Stammt mein Exemplar wirklich aus dem Jahr 1855, wie die Prägung vermuten lässt?
na, da hast Du in sehr kurzer Zeit sehr viel gelernt:
1.: Die Händler in Paris sind durchwegs größenwahnsinnig (das Essen dort ist aber hervorragend!) 2.: Jede Uhr, die man nicht am Körper trägt, ist eine Großuhr 3.: Es gibt kaum mehr Uhrmacher, die sich mit Großuhren beschäftigen.
Was Du noch lernen wirst:
- gute Uhrmacher sind dünn gesät - die Revision einer solchen Uhr ist nicht billig (da laufen einige Stunden rein) - wenn man mal Geschmack daran gefunden hat, soll man anfangen zu Hause Platz zu schaffen
So, und jetzt zu Japy: Das war eine Uhrmacherdynastie, die Jahreszahl passt zum Werk und zum Namen, wobei die Jahreszahl meist in Verbindung mit z.B. "Medaille de or" auf das Werk geprägt wurde und sozusagen das Auszeichnungsjahr festlegt, die Werke wurden dann noch länger so eingesetzt. Damit steht fest, das Werk ist nicht vor 1855 gebaut worden. Du kannst ja mal auch Fotos von der ganzen Uhr zeigen.
Viel Spass noch mit Deiner Uhr (artgerechte Haltung nur im Rudel!)
Siverl ------------------------------ Frau muss ihrer Zeit stets voraus sein
vielen Dank für Deine hilfreiche Antwort und die Informationen zu Japy. Ich bin begeistert über Eure zahlreichen Antworten noch zu so später Stunde. Und auch die von Dir angesprochene Medaille d'or habe ich gefunden - 1844-49 steht dort. Mich wundert es, dass man in erster Linie Auktionen mit solchen Uhren findet, wenn man im Web danach sucht. Gibt es denn keine dedizierten Websites oder Bücher zu diesem Thema?
Eigentlich ist es schade, dass "Großuhren" komplett in die pure Antiquitäten-Nische gedrängt werden. Zumindest bei Armbanduhren sind doch mechanische Uhrwerke immer noch die Aushängeschilder vieler Hersteller (oder sollte ich mich da auch täuschen?). Aber wenn ich drüber nachdenke, ist es schon so, dass im Bekanntenkreis eigentlich kaum "Großuhren" an den Wänden hängen oder auf den Schränken stehen. Na, was soll's, Antiquitäten sind ohnehin ganz auf meiner Wellenlänge. Ich trage mich gerade mit dem (langfristigen) Gedanken, eine Kommode oder einen Sekretär im Empire-Stil anzuschaffen, auf dem die Portaluhr dann stehen soll (jetzt nicht allein wegen der Uhr natürlich). Im Moment werkelt sie (im Akkordtempo) neben mir auf dem Schreibtisch.
Was die Preise anbelangt, so stieß ich zufällig auf einen Restaurateur in Berlin, der für die Reinigung einer solchen Uhr rund 120,- € sowie 14 Tage veranschlagte. Sind das marktübliche Werte? Ich würde die Uhr natürlich nur ungern 14 Tage lang hergeben.
Meine Hoffnungen ruhen auf einem Uhrmacher, der selbst mehrere Großuhren in seinem Geschäft ausgestellt hat, soweit ich das durchs Fenster erkennen konnte. Leider ist der bis nächste Woche noch im Urlaub.
Was Paris anbelangt, kann ich Dir nur recht geben. Das Essen ist gut aber ebenfalls teuer. Die Leute dort sind auch ganz nett, selbst wenn man ihrer Sprache nicht mächtig ist.
Artgerechte Haltung nur im Rudel? Grins, wie groß ist denn dann Deine Herde?
Zitat von Aaron im Beitrag #7.....Artgerechte Haltung nur im Rudel? Grins, wie groß ist denn dann Deine Herde? ....
Aaron,
uns hat es im Doppelpack erwischt und wir sammeln, restaurieren und reparieren Großuhren vom Wecker bis zur Standuhr. Unsere Herde ist mehrfach dreistellig, ab und zu verkaufen wir mal wieder eine, dafür kommen dann 2 oder 3 dazu. Wir haben ein Herz für arme alte vernachlässigte Objekte und eine mittlerweile ganz hübsch eingerichtete Werkstatt. Wir, das sind "Steffl" und ich.
14 Tage sind nix! Ich weiß von Uhrmachern, die für die Revision eines Gewichtsregulators 6 Monate veranschlagen und dann auch noch mehrere 100 Euros dafür nehmen! Wohlgemerkt: keine Reparatur, nur Revision!
Tempus Fugit hat Dir ja schon Einblick in die Literatur gegeben, auch unser Bücherregal hat sich im Laufe der Jahre gefüllt, einige sind allerdings nur auf ausländisch erhältlich .
Warum Großuhren in die Antiquitätennische gedrängt wurden? Na ganz einfach: Zum Angeben sind sie zu unhandlich, man kann sie schlecht vorzeigen und nur wahre Kenner wissen sie zu schätzen. Armbanduhren sind da ein ganz anderes Kaliber, nicht umsonst lebt eine große Industrie von gefälschten Uhren. In der Türkei bekommt man jede erdenkliche "Faked Watch" angeboten. Meist entpuppen sich diese als sogenannte "Flughafenuhren", denn genau bis dahin halten sie
Siverl ------------------------------ Frau muss ihrer Zeit stets voraus sein
Hallo Aaron Also 14 Tage und 120.- Euro sind schon mal sehr gute Werte, wenn denn das Wek auch komplett zerlegt und die Zugfedern nachgesehen werden. Nun können aber die angegebenen Kosten ganz schnell aus dem Ruder laufen falls unvorhergesehene Schäden, wie ausgelaufene Lager,verschlissene Zapfen, eingeschlagene Hebeflächen etc... auftauchen. In diesem Falle kann sich der ursprüngliche Voranschlag in Schall und Rauch auflösen und leicht dreimal so hoch werden. Ich pflege keine Reparaturkosten anzugeben bevor ich die Uhr nicht in zerlegtem Zustand inspiziert habe. Im übrigen ist dieser Werktyp noch sehr häufig auf Flohmärkten in den sogenannten "Pariser Pendülen" anzutreffen.
Gruss Wolfgang Fritz
Es gibt keinen Weg der nicht irgendwann Nachhause führt.
tempus_fugit, die Links sind wirklich sehr interessant. Ich habe da gerade genüsslich gesurft. Aber mir scheint, als wäre eine Art deskriptiver Katalog solcher Uhren eine echte Marktlücke. Klar, die Vielzahl der Modelle sowie der wahrscheinlich arg limitierte Interessentenkreis wird da sicherlich Probleme bereiten. Gab es denn in diesem Forum schon Bestrebungen, ein eigenes Wiki, das mit solchen Informationen gefüllt werden kann, anzudocken?
Siverl, das ist natürlich perfekt, wenn Dein Partner Dein Hobby in diesem Ausmaß teilt. Ich stelle mir Euer Zuhause sehr spektakulär vor. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Sammlung um Uhren sämtlichen Kalibers? Armbanduhren besitze ich natürlich auch, aber nichts wirklich wertvolles. Mir gefallen dort leicht "skelettierte" Uhrwerke, bei denen man zumindest die Unruhe gut erkennen kann. In Sachen Großuhren ist mein jetziges Prachtstück des erste seiner Art. Aber wo Du sagst, dass man mit Großuhren nicht angeben kann, muss ich gestehen, dass die Wiener Säulenuhr meines Onkels doch bei jedem Besuch anerkennende Blicke von mir erntet.
Was Flughafenuhren anbelangt, da bin ich immer wieder überrascht, wie freizügig die im Ausland angeboten werden. Egal ob Spanien, Portugal, Malta oder selbst Paris, man sieht sie immer wieder. Gerade in Paris vor dem Flohmarkt bei Clignancourt wurden sie sehr aufdringlich "vermarktet". Das muss nun wirklich nicht sein.
Lasst mich kurz einschieben, was sich bis jetzt getan hat. Wie in meiner Ursprungsmitteilung anklang, ging ich ja von einer unpassenden Pedelfeder aus. Bereits vorgestern hatte ich vier unterschiedliche Pendelferdern per Versandhandel bestellt, die heute früh eintrafen. Ich dachte, ich könnte nichts verlieren, wenn ich einmal testweise eine längere Pendelfeder einsetze. Damit konnte die Uhr jedoch das Pendel nicht mehr antreiben. Also schnell wieder die ursprüngliche Pedelfeder eingesetzt, damit die Uhr wenigstens wieder tickt. Aber leider hat mein Prachtstück mir diese kleine Intervention sehr übel genommen. Obwohl alles wieder wie vorher ist, bleibt sie jetzt immer wieder stehen. In meiner Verzweiflung habe ich dann die Gelben Seiten einmal durchtelefoniert und tatsächlich eine Uhrmacherin gefunden, die auf meine Frage nach Großuhrenreparatur ganz enthusiastisch "ja natürlich" rief. Leider hatte sie heute schon geschlossen, aber ich werde ihr die Uhr dann schnellstmöglich vorbei bringen und hoffe auf ein gutes Ende, das mich finanziell nicht komplett ruiniert.
Ich habe mir auch ein Buch namens "Reparatur antiker Pendeluhren" antiquarisch bestellt. Allerdings befürchte ich, dass das Reparieren von Uhren auf Dauer keines meiner Hobbies werden wird, denn leider bin ich handwerklich eher unbegabt. Klar, reizen würde mich das schon. Aber Geschick und Zeit sind doch limitierende Faktoren in meinem Fall. Letztlich genieße ich dann doch lieber den Anblick der voll funktionstüchtigen Uhr.
Wolfgang, es ist schade, dass Du so extrem weit weg bist. Ich hoffe, dass man mir hier vor Ort einen ähnlichen Service bieten kann. Sind denn Schäden bei diesem Uhrentyp wahrscheinlich, die die Wirtschaftlichkeit einer Reparatur in Frage stellen würden?
Hallo Aaron Wenn alle Stricke reissen und Du gar keine Möglichkeit finden solltest könnte ich Dir schon weiterhelfen. In diesem Falle kannst Du mir ja eine PN schicken.
Gruss Wolfgang Fritz
Es gibt keinen Weg der nicht irgendwann Nachhause führt.
vielen Dank für dieses Angebot, Wolfgang! Ich weiß es sehr zu schätzen!
tempus_fugit, Dein Link zu den französischen Pendulen ist genau das, wonach ich suchte! Zusätzlich hatte ich zwischenzeitlich etwas Zeit mir das Watch-Wiki anzusehen, das ich zunächst etwas links liegen ließ, da sich "Watch" einfach zu klein anhörte. Aber inzwischen arbeite ich mich dadurch. Ach ja, meinen Kommentar bzgl. eines Wikis weiter oben kann man natürlich streichen.
Gibt es denn hier im Forum noch mehr Teilnehmer, die sich speziell für Großuhren aus dem 19. Jahrhundert interessieren?
29.12.2012 18:40 (zuletzt bearbeitet: 29.12.2012 18:55)
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). Allerdings gibt es damit zwei Probleme.
). Kein Problem, dachte ich - da reguliere ich einfach die Einstellung am Pendel so, dass es länger wird. Allerdings steht es nun schon auf Anschlag, ohne Erfolg. Meinem ungeübten Auge fiel jedoch auf, dass die Pendelfeder offenbar nicht mehr original ist (ca. 1 cm breit, 2,5 cm lang). Daher meine Frage: Ist denn vorstellbar, dass das die mögliche Ursache ist? Kann ich mit einer längeren Pendelfeder die gewünschte langsamere Geschwindigkeit erreichen?
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). Sind Uhrmacher, die sich mit solchen Uhren auskennen, denn so selten? Oder hatte ich einfach nur Pech?
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Und auch die von Dir angesprochene Medaille d'or habe ich gefunden - 1844-49 steht dort. Mich wundert es, dass man in erster Linie Auktionen mit solchen Uhren findet, wenn man im Web danach sucht. Gibt es denn keine dedizierten Websites oder Bücher zu diesem Thema?
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In meiner Verzweiflung habe ich dann die Gelben Seiten einmal durchtelefoniert und tatsächlich eine Uhrmacherin gefunden, die auf meine Frage nach Großuhrenreparatur ganz enthusiastisch "ja natürlich" rief. Leider hatte sie heute schon geschlossen, aber ich werde ihr die Uhr dann schnellstmöglich vorbei bringen und hoffe auf ein gutes Ende, das mich finanziell nicht komplett ruiniert.
