Habe vor kurzem eine schöne Elektrouhr aus den USA erworben. Schöne Großuhr aus den USA, die immer Uhren gebaut haben, die eher in die Grobschmiede gehören? Doch, das gibt es, und sogar von einem Volumenhersteller. Allerdings aus den ersten Tagen, als von Volumen noch keine Rede war.
Es handelt sich um eine Warren Mystery Clock.
Warren war als Hersteller von Großuhren bekannt, und in den USA wurden sie zuhauf ver- und gekauft. Leider haben die Stromnetze dort 60 Hz, und daher sind diese Uhren hier nicht zu gebrauchen. Ich habe aber eine Pendeluhr, die von einer 1,5V-Zelle angetrieben wird, und daher ist das USA-Stromnetz kein Problem.
Wie man sieht, ist es eine sehr schöne Uhr mit einem tadellosen Emailzifferblatt. Wenn man sich die Uhr genau betrachtet, merkt man, dass es eine "Mystery Clock" ist, denn das Pendel berührt nichts, hängt nur an der Pendelfeder. Zumal, wenn man bedenkt, dass diese Uhr um 1915 gebaut wurde, musste das für den normalen Betrachter dieser Zeit an Zauberei grenzen, denn auch das Räderwerk wird berührungslos weitergeschaltet, und auch einen Kontakt sieht man nicht. Noch nicht einmal eine Reguliermutter ist vorhanden!
Als die Uhr hier ankam - natürlich defekt gekauft - habe ich erst einmal den Kontakt kontrolliert, der den Stromkreis ein- und ausschaltet. Nur hier verbaut, ist es ein Quecksilberschalter, der sich im Pendel befindet und eigentlich unsichtbar ist. Er ist das kritische Bauteil und nicht zu ersetzen. Er befindet sich in dem zylindrischen Teil über der C-förmigen Pendellinse.
Daher habe ich auch - obwohl es mir schwerfiel - die Sache nicht zerlegt. Im Nachhinein habe ich gelesen, dass ein Kontakt mit dem Pendel verlötet ist, und dieses Kabel reißt man gerne ab, wenn man alles zerlegt. Die Funktion ist: Beim Pendeln wird die Perle Quecksilber im Glasrohr hin- und hergeworfen, und an einer Seite schließt sie den elektrischen Kontakt. Die Sache ist nicht so einfach, wie es sich anhört, denn Warren hat einige Klimmzüge machen müssen, dass sich das Quecksilber genügend leicht im Glasrohr bewegt und nicht am Glas kleben bleibt. Der Vorteil ist ganz klar, dass Quecksilber in der Röhre nicht oxidiert, die Sache hält ewig, wenn sie nicht zerstört wird.
Das 2. Mysterium ist die Weiterschaltung. Sie wird magnetisch durchgeführt. Das Pendel hat 2 kleine Magnete, die einen Magneten führen, welcher die Bewegung an das Räderwerk überträgt. Netterweise funktionierte die Sache sogar ungereinigt. Daher kam nur neues Öl dazu, und alles funktionierte nun etwas leichter:
Das Bild zeigt den Teil des Räderwerks, der die Weiterschaltung macht. Der Rest ist eher grobschlächtig und würde wahrscheinlich noch in 1000 Jahren funktionieren.
Die Regulierung ist auch etwas tricky, und ich brauchte einige Zeit, bis ich das durchschaut habe: Dass es bei elektrischen Uhren häufig eine magnetische Regulierung gibt, ist ja nichts Neues. Hier ist sie im Fuß der Uhr verborgen:
Leider war die Uhr außerhalb des Regulierbereichs: Sie lief immer vor. Aber auch hier gibt es eine Einrichtung. Die Grobregulierung erfolgt über die Pendelfeder:
Wie man sieht, gibt es eine 2. Feder hinter der Pendelfeder, die den Stromkreis von und zum Kontakt schließt. Aber der eigentliche Trick ist, dass man die Pendelfeder einklemmen kann, durch eine Nuss. Dadurch kann man die Pendelfeder weiter aus der Halterung ziehen und mit der Nuss dann höher einklemmen, sodass die Gesamtlänge des Pendels konstant bleibt (wegen der magnetischen Weiterschaltung). Die Pendelfeder wird länger, also weicher, die Uhr läuft nach. Der Rest geht dann wieder über die magnetische Regulierung.
Bei der Reparatur war eigentlich das größte Problem die Spule: Im Batteriefach war eine Zelle ausgelaufen, durch eine Abdeckung aus Papier war dann die Batteriesäure bis in die Spule gelaufen und hatte beide Anschlüsse und Teile der Spule angeätzt. Da war also nichts mehr zu machen:
Also Neu wickeln. Da es aber den schwarzen Lackdraht nicht mehr zu kaufen gibt, habe ich große Teile der Spule abgewickelt, den Draht aufgehoben und beim Neuwickeln die äußere Schicht wieder mit dem originalen Draht gewickelt. Der innere Teil ist dann mit heute lieferbarem, passendem Draht gefertigt, sodass nichts mehr von der Repartur zu sehen ist und auch die technischen Daten erhalten geblieben sind.
Die Drahtlage ist auch elektrisch eingebunden. Dadurch hat man an der Außenseite kein loses Ende. Natürlich muss man innerhalb der Spule löten, aber das habe ich bei antiken Uhren schon öfter gesehen. Hat nie Probleme bereitet, die waren immer an anderer Stelle. Der innere, moderne Draht hat genau den gleichen Durchmesser, allerdings sind die aktuellen Lackdrähte klarlackiert und daher rötlich. Netterweise ist der schwarze Draht nicht direkt zu löten, der Lack ist hoch-temperaturfest. Daher darf man ihn an der Lötstelle außen blank machen, damit er lötbar wird. Das ist bei einem Lackdraht von 0,1mm Durchmesser kein Vergnügen, und man muss recht vorsichtig zu Werke gehen. Der aktuelle Lackdraht ist da einfacher zu verarbeiten, denn bei über 180°C verabschiedet sich der Lack, und wenn man mit der Lötbrate etwas geduldig ist, ist der Draht außen verzinnt.
Nee, kenne ich nicht. Das sind doch Kopfschmerztabletten, oder? Da ich so gut wie nie Kopfschmerzen habe, kenne ich die Dinger nicht. Und: Wer kommt denn auf so etwas?
Schöner Bericht zu einer interessanten Uhr. Übrigens habe ich noch vor wenigen Jahren bei einem Großhändler Quecksilberkontakte für die Neigungsüberwachung bestellt. Die sind recht klein und aus Sicherheitsgründen in Plastik eingebettet. Es wird also die Möglichkeit für eine Notreparatur noch eine Weile geben.
Zitat von Typ1-2-3 im Beitrag #6Und: Wer kommt denn auf so etwas?
Hat mir in jungen Jahren ein alter Praktiker verraten. Kopfschmerzen habe ich auch nie, aber die Tabletten hatte ich mir damals besorgt (und eingesetzt).
Gruß, Frank ______________ Fliegeruhren - Hanhart Vintage Service PCZW - PC Zeitwaage der Profis
Uhrenwerkstattforum
»
Werkstatt und Werktisch
»
Elektrotechnik und Elektronik
»
Schöne Elektrouhr aus den USA
Kontakt
Moderatoren
Foren-Regeln
Links
Xobor-Interview
Thema drucken
02.06.2020 08:57
Antworten
Danke für Deinen Bericht.
