Eigentlich baue ich nur an eigenen Uhren, aber hier habe ich mich breitschlagen lassen.
Uhr läuft nicht. (Angeblich war die auch mal beim Uhrmacher, der hat wohl das Werk angeschaut und das war es ).
Zerlegen: Alle Schrauben unvermackt und mit dem Schlagschrauber angezogen. Schmutz und Oxydation an jeder Stelle, wo das (originale ?) Öl hingekrochen ist. Ich gehe davon aus, dass dieses Werk noch nie einen Service erlebt hat.
Ich habe da noch so einen großen Ultraschallreiniger von Bandelin. 7 Liter Reinigungslösung selbstgemischt und losgelegt. Diese schwarze Oxyde wollten Nachhilfe mit Schleifvlies. Lager und Zapfen sind zwar nicht mehr taufrisch, Handlungsbedarf gab es keinen. Auch die Ankerpaletten sind noch gut.
Anscheinend ist die Uhr die letzten 50 Jahre auch nur rumgestanden.
Nun läuft sie wieder. 2 Stunden Extraarbeit gab es noch bei einem Gewicht. Das war mal abgestürzt und die Messingteile oben und unten waren völlig zerknittert. Im Rahmen der Möglichkeiten habe ich das gerichtet. (Man beachte meinen kreativen Versuchsaufbau).
Zitat von megasonic im Beitrag #4Wie bist Du denn mit der vorhandenen Zaponschicht auf den Platinen umgegangen?
Die wurde ja bei der Reinigung abgelöst, lässt sich kaum vermeiden. Hast Du neu zaponiert, oder bleiben die Teile blank?
Nach dem Reinigen habe ich Lochverstärkungsringe von Leitz auf jedes Lager geklebt. Natürlich von beiden Seiten. Dann gab es eine dünne Schicht Bohnerwachs. Die Ringe sind groß genug, um kein Wachs in die Nähe der Lager zu bringen.
Eine Stunde später die Ringe wieder abgezogen, fertig.
Bohnerwachs? Das gibt es für ein paar Euros im Baumarkt. (z.B. Poliboy Spezial Bohnerwachs)
Sehr praktisch auf polierten Silber (bleibt 10 x länger schön), oder auf geschliffenem Edelstahl (Dunstabzugshaube). Es lässt sich problemlos entfernen und frischt auch Holzoberflächen wieder auf.
Das ist so ein Universalmittel. Aber: bei Uhrenlagern würde das Öl sich mit dem Wachs verbinden und kriechen. Deswegen: Trennlinie schaffen.
Hallo Bernd, schön das Du dem WD40-Zombie noch ein neues Leben einhauchen konntest.
Aber Bohnerwachs? Da kann man wie im Treppenhaus oder auf dem Küchenboden, geteilter Meinung sein.
Ohne Ultraschall, nass und basisch gewaschen, Mit kräftigem bürsten werden vorhandene Oxydschichten entfernt oder wenigstens reduziert. Nach dem trocknen in Alkohol kommen die Teile dann für 3 Tage in die Spänekiste, damit sich die feine Öxydhaut regenerieren kann. Werden die Teile dann in, in Aether gelöster Stearinsäure getaucht, findet eine Salzreaktion statt, Metalloxyd und die schwache organische Stearinsäure gehen eine haltbare Verbindung ein. Das angelagerte Stearin schützt gegen Oxydation, und ist Ölabstßend, was das Öl in den Lagern an seinem Platz hält. Bei der nächsten Naßreinigung wird die Salzschicht, samt angelagertem Schmutz, wieder abgelöst. Und kann wieder neu aufgebracht werden. Stearinsäure hat eine Lebensmittelzulassung, E570, und kostet meist weniger als 15 Euro pro Packung. Eine Menge die man als Epilam im Leben nicht verbraucht. Parafin dagegen ist Ölliebend, und geht keine feste Verbindung mit dem Metall ein.
Diese Uhren sollten wohl nie spiegelnd glänzen, denn sonst hätte sie der Hersteller sicherlich vergoldet und die Eisenteile vernickelt. Ich bin sehr skeptisch sowohl was Zapponlack oder Bohnerwachs betrifft. Aber das ist halt Mode/Ansichtssache. Das will ich weder loben noch verdammen.
Das Du die Lagerstellen zugeklebt hast, zeigt mir das Du mitgedacht hast. Silber schüzt man besser, mit einem Palladium Elektrolyten. Oder wenn es nicht um Essbesteck geht mit (weiss)Ruthenium. (Tampon-Galvanik langt)
WD 40 oder Nähmaschinenöl hat dieses Werk nie erleiden müssen. Deswegen gab es auch kaum Verschleiß. (Es lief halt nicht mehr, und das war auch gut so).
Die Platinen sind matt geschliffen. Jeder Fingerabdruck wird sofort sichtbar. Da gibt es nur 2 Möglichkeiten: A: Lackieren mit Zaponlack. B: Einwachsen.
Ich habe mich für Wachs entschieden, durchaus der Problematik wegen Ölhaltung bewusst. Natürlich habe ich alle Teile mit Ultraschall und basichem Reiniger kräftig geputzt. Das wird so schon für die nächsten Jahrzehnte gut sein.
Mit Fingerlingen ein Werk zusammensetzen, mache ich bei einer Taschenuhr. Dieses große Werk muss Berührungen abkönnen. Zaponlack oder Wachsüberzug hilft dabei.
Ich bin mir sicher, dass dieses Werk in meiner Restlebenszeit keinen weiteren Service mehr bekommt.
Ich glaube, dass die Platinen original nicht mal lackiert waren, das hätte ich beim Reinigen merken müsen. Wahrscheinlich waren sie auch nur gewachst oder völlig unbehandelt. Wenn man sich das Bild des frisch geöffneten Werkes anschaut, muss aber eine Schutzschicht auf den Platinen gewesen sein, da sie doch deutlich weniger als die Räder oxydiert sind.
So richtig altes Öl ist manchmal auch nicht schlecht, sorgt es doch dazu, dass die Uhr nicht weiter gequält wird. Beispiel: Hamilton Taschenuhr. Nach der Reinigung und frischem Öl läuft sie wie neu. ( Wie alt mag das Öl, bzw. die Reste davon, wohl gewesen sein? ).
Deutsche Großuhrwerke waren ab dem späten 19. Jahrhundert durch den Hersteller fast immer zaponiert. Oft nicht nur die Platinen, sondern auch die Räder, Hebel etc. aus Messing.
Diese Lackschicht löst sich im Ultraschall bei Verwendung von basischem Reiniger, durch Alkohol wird sie auch angegriffen bzw. verfärbt.
Um nach der Reinigung eine neue Schutzschicht aufzubringen, finde ich beide hier vorgestellten Varianten interessant.
Zitat von megasonic im Beitrag #10Deutsche Großuhrwerke waren ab dem späten 19. Jahrhundert durch den Hersteller fast immer zaponiert. Oft nicht nur die Platinen, sondern auch die Räder, Hebel etc. aus Messing.
Zapponlack, einer der vielen Markennahmen für Nitrolack, also in Aceton+Methanol aufgelöstes Gemisch aus Campher und Schießbaumwolle. wurde erst 1905 erfunden. Markteinführung in erheblichen Mengen nicht vor 1930. Ab da wurde wie im Wahn alles zapponiert was irgendwie zu zapponieren war. Ob es nun gut war oder nicht, oder ob es eher schadete als nützte, Hauptsache zapponiert ...
Also Nix mit 19. Jahrhundert ... Achtzehnhundertirgendwas gab es nirgendwo im Handel sowas zu kaufen.
Mir bleibt immer nur die Frage, hilft es bei irgendwas ... oder macht e am Ende nur mehr Probleme.
Danke für den Hinweis auf die Markteinführung von Zaponlacken.
Gut möglich, dass die zuvor verwendeten Oberflächenbeschichtungen von anderer chemischer Zusammensetzung ware. Dennoch sind auch vor 1900 schon Platinen oft beschichtet gewesen. Ich würde vermuten, dass es vielleicht Beschichtungen waren, die Schellack enthielten. Was meinst Du, Matthias?
Zitat von Metallfunk im Beitrag #9 Die Platinen sind matt geschliffen. Jeder Fingerabdruck wird sofort sichtbar. Da gibt es nur 2 Möglichkeiten: A: Lackieren mit Zaponlack. B: Einwachsen.
Von Alters her verwenden die Uhrmacher Stearin zum epilamisieren. Aus Stearin wurden vor der Erdoelzeit Kerzen gezogen ... nur mal so.
Also reinigen trocknen, 3 Tage ruhen lassen, (wegen der empfindlichen Oberfläche, und der Gefahr von Fingertappen ) Danach hat sich eine hauchzahrte Oxydschicht gebildet. Wird danach epilamisiert, hast Du eine hauchfeine Wachschicht auf dem Metall, nur eben nicht Parafin, aus Erdöl, sondern Stearin, aus natürlichen Ölen. Nun ist die Oberfläche für die nächsten 3 Jahre gegen Oxydation geschützt, und auch gegen wanderndes Öl, denn das Stearin lässt sich nicht mit Öl benetzen.
Zitat von Metallfunk im Beitrag #9 Ich bin mir sicher, dass dieses Werk in meiner Restlebenszeit keinen weiteren Service mehr bekommt.
Der Lieferant der Uhrenöle, gibt für die Lebensdauer an : Bis zu 4 Jahren, davon eines in der Flasche ... ich bin sehr vorsichtig wenn jemand im Marketing von "bis zu" spricht. Du solltest also davon ausgehen das nach 3 Jahren schon wenigstens 1 Lager auf Verschleiß läuft. und nach 5 Jahren schon das erste fest sein kann.
Die Ölschäden an deinen beiden Uhren kommen nicht von Uhrenöl, und seiner korrekten Anwendung. Mal zum Ölbedarf so eines Lagers. Großuhrenzapfen 0,8mm Durchmesser ist 1,2mm lang, der Lagerspalt ist 0,02mm. die Fläche auf dem Umfang des Zapfens ist 3,0mm^2 Das Volumen des Lagerspalts also 0,06mm^3. Gewöhnlich füllt man den Spalt zu 30% mit Öl, das Öl steht dann etwas über die Mitte im Lager. Also sind im Lager 0,02mm^3mm Öl! Ein Tropfen Uhrenöl sind etwa 60 mm^3. Also kann man mit einem Tropfen 3000 dieser Lager für die nächsten Jahre ölen.
Nun verrate mir mal wie kann, diese winzige Menge vom Klebrigen gut haftende Uhrenöl aus dem Lager kriechen und sich über die Welle das Trieb bis über das Zahnrad verteilen? Gut Uhrenöl kann wie jedes Öl von Mikroben befallen werden, es beginnt dann zu erstarren, und kurz bevor es gänzlich erstarrt schäumt es auf und etwas davon quillt aus dem Spalt. Es kommt aber nicht weit denn es ist ja bereits mitten in der Umwandlung zum Polyesterharz. So kommen die hässlichen schwarzbraunen Ringe die etwa den doppelten Zapfendurchmesser haben können zustande die sich so schwer entfernen Lassen.
Also ich kenne das Gespräch so: der Kunde bekommt das Angebot und geht auf wie eine Hefebrezen, "Waaas, Sooo viel Geld für reinigen und Ölen !!! Da krieg ich ja 10 neue Uhren für !!!" Plauz rumbum ist die Tür zu. Also schreitet er zum selberölen .... Folgen hast Du selbst gesehen. Falsches Öl und davon jede Menge, die Uhr geht noch eine Weile, dann ist sie wieder fest. Gut für die Uhr wenn er aufgibt, und die Uhr irgendwohinpackt und vergisst. Wiederholt er das Ganze, vielleicht noch, ist das Teil nur noch für die Schrottkiste gut.
Zitat von Metallfunk im Beitrag #9 Ich glaube, dass die Platinen original nicht mal lackiert waren, das hätte ich beim Reinigen merken müsen. Wahrscheinlich waren sie auch nur gewachst oder völlig unbehandelt. Wenn man sich das Bild des frisch geöffneten Werkes anschaut, muss aber eine Schutzschicht auf den Platinen gewesen sein, da sie doch deutlich weniger als die Räder oxydiert sind.
Das muss nicht sein, erst mal das verklebte Lager mit Bremsenreiniger oder WD-40 gelöst, und durchgeblasen. Da bildet sich schon die Kriechspur auf die Wellen, und das Öl folgt dann dieser Spur. Da das Ursprüngliche Öl ja schon von den Mikroben befallen war wird auch das nun davonkriechende Öl damit gesättigt sein, und bis zu erstarren kräftig Säure produzieren. Die Blauschwarzen Spuren sind Säureschäden, kein normales Oxyd, das wäre wie die Patina Rehbraun.
Zitat von Metallfunk im Beitrag #9 So richtig altes Öl ist manchmal auch nicht schlecht, sorgt es doch dazu, dass die Uhr nicht weiter gequält wird. Beispiel: Hamilton Taschenuhr. Nach der Reinigung und frischem Öl läuft sie wie neu. ( Wie alt mag das Öl, bzw. die Reste davon, wohl gewesen sein? ).
Ist es einmal erstarrt, ists egal ... nach spätestens 7Jahren ist nichts davon mehr flüsssig. An seiner Stelle bleibt nur nach ein Gemisch aus Milch-, Essig-, und Ameisensäure und Polyester übrig. Die Säure zerfrisst zum neutralisieren die exakt passend Menge Metall, und dann kommt der Prozess zum stehen. Auch darum ist es wichtig nur soviel Öl wie unbedingt nötig einzusetzen. Weniger ist hier oftmals mehr. Denn um so weniger Öl, um so weniger Bakterien, und um so weniger Säure. Auch den Schaden an Deiner wunderschönen Taschenuhr hat ein Selberöler verursacht.
Im Museum werden die Uhren in der Sammlung und im Fundus, nur 1x in 25-30Jahren gereinigt, und auch niemals geölt. Nur die Uhren die laufen müssen werden alle 3 Jahre gereinigt, und frisch geölt. So laufen sie praktisch ohne Verschleiß und man hat nur das Risiko, das beim zerlegen und der Montage ein Schaden entstehen könnte. Wunderbar sind natürlich die Uhren die gänzlich ohne Öl laufen können, wie die vom alten Harrison Z.B.
@megasonic damals hatte man wenig Auswahl, Japanlack, sehr giftig, und irre teuer und trocknet monatelang. Öllack braucht auch Wochen, zum trocknen, und Schellack, mit Bienenwachs und Mastix (Pianolack). Da war der Zapponlack für viele eine wahre Verheißung.
Matthias hat ja durchweg recht mit seiner Einschätzung.
Ich sammel ja Taschenuhren, speziell exotische Stoppuhren. Der Sammlertraum: Das Teil lief einige Jahre und wurde nicht mehr gebraucht. Ab in die Schublade. 50 Jahre später wurde sie wiederendeckt. Funktioniert nicht mehr, ab in die Schublade für die nächsten 70 Jahre.
Nun ist das Teil 124 Jahre alt und wird als nicht funktionierend, günstig verkauft.
Einmal durch die Waschmaschine und frisches Öl, läuft wie neu.
Alles schon erlebt.
Einmal hatte ich eine "nicht funktionierend" hochwertige Taschenuhr ersteigert. War kein Wunder: Jedes drehende Teil (wirklich jedes!) war mit Fasern umwickelt. Der ursprüngliche Besitzer hat wohl in einer Spinnerei gearbeitet. So richtig dicht war das Gehäuse nicht.
Das Abwickeln der Fasern von jedem Trieb und jeder Achse war mühsam, danach aber neuwertiger Zustand.
Das schlimmste sind halt "Bastler", die mit WD 40, Lötzinn und Sekundenkleber an Uhrwerken rummachen. (Auch schon erlebt).
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01.05.2025 18:39
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