Hier zwei zusammengehörige Videos von Herrn Slaap vom YouTube-Kanal Chronoglide, die sich (in einem Livestream ) theoretisch und praktisch mit dem Austausch der Unruhwelle und dem anschließenden statischen Auswuchten der Unruh beschäftigen. Die verwendete, temperaturkompensierte Unruh stammt aus einer Türler-Damenarmbanduhr aus den 1940ern mit Tavannes-Werk. Aus meiner Sicht sehr interessant für den angehenden Hobby-Uhrenreparateur, der schon lange mal wissen wollte, wozu eine Triebnietmaschine und eine Unruhwaage gut sind .

Ich möchte den Kanal nochmal etwas promoten. Jeden Dienstag Abend um 20.30 macht er einen knapp 2 stündigen livestream und ich persönlich freue mich immer auf die Abendzeit nach dem Feierabend. Unglaublich interessant, lehrhaft und unterhaltsam. Nebenbei sind die Videos wirklich unglaublich von dem was dort erzählt wird. Also ein reinschauen besonders als "Laie" lohnt sich definitiv!

Kanal von Chronoglide

Dazu muss ich leider sagen, zum Demolieren von Unruhn muss man keine Videos als Anleitung schauen, das macht jeder Laie ganz intuitiv genauso.
Hier wurde diese Arbeit lang und breit im Forum diskutiert und dann solche fragwürdigen Tipps?

Ja Frank, Youtube u.a. sind doch meist leistungsstarke Verdummungsmedien. Man muss schon etwas Fachwissen mitbringen um dort den Müll aussortieren zu können. Folge, hat man dieses dann braucht man Youtube nicht.

Ich kann gut verstehen, wenn man als Fachmann (ich bin definitiv keiner) bestimmte Videos auf YouTube (oder YouTube als Ganzes) kritisch sieht. Ich denke aber, man hilft den lernwilligen Laien (an die sich Herr Slaap richtet) nicht, wenn man solche Videos per se als "fragwürdig", "Müll" oder "verdummend" bezeichnet. Es wäre für die Laien/Anfänger unter uns hilfreich, wenn diese Fundamentalkritik mit konkreten Hinweisen auf die Fehler verbunden wäre. Ich kann nur vermuten, daß Ihr Euch vielleicht an dem Ausschlagen der Unruhwelle (statt dem Abdrehen) stört, aber vielleicht ist es ja die ganze Präsentation oder die Person von Herrn Slaap.

Bei mir hinterläßt diese Kritik einen gewissen faden Geschmack, weil sie sich sehr nach grundsätzlichem "Bashing" eines Uhrmacherkollegen anfühlt. Wir reden in diesem speziellen Fall ja nicht vom Kanal irgendeines Wald-und-Wiesen-Amateurs sondern eines ausgebildeten Uhrmachermeisters mit eigener Vintage-Uhren-Werkstatt. Wenn der einem "Müll" vorsetzt, warum soll ich dann noch irgendjemand glauben.

Hallo Phil,
Ich schrieb meist, also nicht generell. Es mag auch gute Beiträge bei Youtube geben. Nur wie will der Hobbyist erkennen was gut und schlecht ist. Dazu braucht er entsprechendes Wissen. Dann aber kann er seine Zeit besser mit praktischen Arbeiten ausfüllen. Ohnehin braucht es auch in der Uhrmacherei ein ordentliches Maß an Übung. Deshalb ist meine Meinung zu derartigen Medien auch geteilt, wohl auch weil mir die Intention der dortigen Darsteller bewußt ist.
Wie wenig theoretisches Wissen mancher Hobbyist mitbringt wenn er z.B. hier im Forum seine Fragen stellt, konnte man unlängst erst lesen. Da erlischt meine Bereitschaft zur Hilfe schlagartig wenn auf konkrete Hinweise einfach nicht reagiert wird.
Bezüglich Literatur ist das Angebot so vielfältig, da braucht es keine Empfehlung sondern die Bereitschaft des Einzelnen, sie entsprechend zu nutzen. Doch diese Bereitschaft nimmt leider immer mehr ab.

Es werden z.b. in amerikanischen Foren online kostenpflichtige Seminare von Uhrmachern angeboten, da wird es genau so gemacht. Da werden die Unruhwellen mit der Triebnietmaschine einfach rausgeprügelt - nach dem Motto "schaut her, so machen das die großen Jungs".
Ich dachte auch erstmal "aha, okay" - woher sollte ich es denn wissen? - und stellte fest: Bei z.b. einer Molnija mit Messingreif funktioniert das genau 1-mal, dann sieht der Reif aus wie ein überfahrener Muffin und du kannst ihn dir um den Hals hängen. Zum "Glück" war es eine Molnija und nicht was selteneres. Also, ich bin auch schon reingefallen. Und ich bin überrascht, dass der Chronoglide-Kanal (den ich bisher eigentlich auch ganz charmant fand) sowas macht, das wundert mich gerade echt...

Wenn das tippgebende Uhrmacher-Internet aus Fritz und Phil bestehen würde, gäb's unter Anfängern und Hobbyisten auch nicht so viel Verwirrung.

Zitat von Philclock im Beitrag #6

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@Fritz ... Vielleicht können wir ja mal was zusammen machen, wo Du zum Beispiel Literatur empfiehlst.

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Zitat von monozelle im Beitrag #8

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Wenn das tippgebende Uhrmacher-Internet aus Fritz und Phil bestehen würde, gäb\'s unter Anfängern und Hobbyisten auch nicht so viel Verwirrung.

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Ich habe die Welle früher auch schon aus der Unruhe ausgetrieben! Ich habe es nicht besser gewusst. Es hat auch einige Male geklappt! Aber, Schaden macht klug! Und heute bin ich ein Stück weiter.

Ich zitiere einmal aus Reparatur der AU von Hans Jendritzk:

Vernietung abdrehen! Wer sich schon mehrfach damit herumgeärgert hat, eine Unruh rund und flach zu richten, wird es freudig begrüßen, wenn man ihm sagt, dass das eigentlich immer zu umgehen ist! Wodurch aber? Sehr einfach die Unruh darf nicht sofort von der Welle abgeschlagen werden, sondern man muss die Vernietung restlos abdrehen, damit die Unruhwelle ohne Kraftanstrengung herauszudrücken ist. Das gewaltsame Herausschlagen bringt das Unruhloch aus der Mitte, drückt es schief, und die Vorbedingungen für die spätere zeitraubende Arbeit sind geschaffen. Also - erst die Vernietung schön abdrehen! Die Welle der Hebelscheibe wird in die Spannzange eingespannt, wo die Arbeit schnell vonstattengeht. Mancher Kollege dreht lieber den Unruhteller fort und schlägt die Unruhwelle von unten durch den Schenkel heraus!

Nun muss ich als Amateur, der eigentlich nicht die Uhrmacherei zum Hobby hat, sondern viel mehr die Sammelleidenschaft von bestimmten Uhren, anmerken, dass man erst einmal eine vernünftige Drehbank zum abdrehen haben muss. Und wenn man dann eine hat, auch wissen muss, wie man damit umzugehen hat. Diese Möglichkeiten hat man als Amateur erst im fortgeschrittenen Stadium seiner Hobby-Uhrmacherei.

Das man auf YouTube dann von Fachleuten vorgeführt bekommt, wie man es eigentlich nicht machen soll, finde ich merkwürdig. Als Berufskollege muss man sich einfach dazu äußern.
Dies würde mich in meinem erlernten Fachgebiet auch nicht "kalt" lassen. Es ist natürlich sehr bequem und einfach sich ein Video anzuschauen und danach zu handeln. Dies habe ich in anderen Bereichen wie z.B. zum Wechseln von einem fest eingebauten Akku in kleinen Elektrogeräten und ähnliches auch schon gemacht. In der Uhrmacherei habe ich dies bisher vermieden. Es war mir zu oberflächig. Da lese ich lieber mehrfach in der Literatur nach. Aber auch das "nachlesen" in der Literatur erfordert für den Laien schon ein gewisses Grundverständnis, was man sich erst aneignen muss. Hat man sich so etwas für sein Vorhaben weiter gebildet kann man auch hier im Forum nach entsprechenden Beiträgen suchen und ggf. auch nachfragen.

So habe ich z.B. zu einer englischen TU mit Spitzankerhemmung und gebrochenem Unruhzapfen schon mindestens 2 -3 Mal den Bericht über die Herstellung einer neuen UW von praezis nachgelesen.
Hier bin ich aber noch auf der Suche nach Rohlingen, die es universell für diese Werke gegeben hat. Unterschieden werden die Wellen nur nach der Größe des Werkes. Vor Jahren hatte ich auf einer Börse eine Schachtel in der Hand. Leider habe ich damals keine Notwendigkeit gesehen die Wellen zu erwerben.

U-Wellen-Rohlinge kannst Du von mir geschenkt haben. Habe ich seit fast 40 Jahren mehrere 100 Stück und nie eine gebraucht. Entweder nehme ich fertige (habe da ein mäßig großes Lager), frage hier nach oder drehe sie komplett neu.

Ich bin übrigens ein Fan davon, nicht die Vernietung abzudrehen, sondern den Teller auf der anderen Seite. Beim Abdrehen der Vermietung besteht die - zugegebenermaßen geringe - Gefahr, dass man in den Reif dreht. Macht man das von unten, fällt ein kleiner Ring von der Welle ab, wenn man das richtig macht, und man ist fertig. Dann kann man den Unruhreif fast mit der Hand abziehen, und zwar garantiert ohne Schäden. Da spart man viel Zeit bei der weiteren Arbeit.

Frank

@Frank
Vielen Dank für dein Angebot. Normale Rohlinge zum drehen habe ich auch. Die lagen noch bei der Anlage, die ich gekauft hatte.
Für englische Spitzankerhemmung waren es Wellen, die bis auf die Zapfen zu polieren, bereits fertig waren. Wenn du diese hast, würde ich dein Angebot gerne annehmen!

Den Teller abzudrehen hat Vorteile, die auf der Hand liegen. Ich denke, dass kommt auf das Teil im einzeln an und ob man je nach Ausführung lieber auf Nummer sicher geht.

Ja, dann kann ich Dir mit den Wellen auch nicht helfen. Für mich war das uninteressant, weil die natürlich alle durcheinander liegen. Und bis ich die einigermaßen passende ausgesucht und angepasst habe, habe ich die auch komplett gedreht.
Englische Rohlinge sind da nicht dabei, schade.
Frank

OK, ich geb's zu, bei dem verlinkten Video habe ich wohl voll in die Sch... gegriffen Werde ich zukünftig einfach unterlassen.

Bei meiner Erwiderung ging es auch nicht darum, die im Video gezeigte Vorgehensweise zu verteidigen. Mich hat nur die in meinen Augen etwas pauschalisierte Verdammung von YT-Videos (oder, allgemeiner, Wissenserwerb durch Videos) getriggert. Man kann sich über den Müll streiten, den es dort definitiv gibt, aber für mich stellen YouTube und ähnliche visuelle Kanäle auch eine "Demokratisierung" des Wissenserwerbs unabhängig von geografischer Verortung, finanziellen Möglichkeiten, Alter, etc. dar. Seien es Mathe-Nachhilfevideos für unterprivilegierte Kinder, Heimwerkertips, Geschichtsdokus und was sonst noch (OK, Schminktips vielleicht nicht ). Ich denke, jedem hier ist klar, daß sowohl beim Hobby des Uhrensammelns als auch dem der Uhrenreparatur (und sogar bei der eher passiven Tätigkeit des Uhrentragens) ein immenses Nachwuchsproblem besteht. Hier setzen viele Kanäle bei YouTube an, die versuchen, speziell junge Leute für diese Themen zu begeistern. Es ist dabei vielleicht nicht immer die beste Strategie, zu sagen, lies' erst mal diese fünf Bücher, kauf' Dir eine Drehbank, übe damit 100+ Stunden und erst dann wage Dich an Deine erste Uhr. Auch wenn es sich um einen abgerockten Flohmarktfund für 'nen Fünfer handelt, der ansonsten irgendwann im Müll gelandet wäre, weil er nicht mehr läuft und eine professionelle Reparatur wirtschaflich keinen Sinn hat. Ich denke, damit legt man die Einstiegshürde einfach zu hoch und wundert sich dann, daß der potentielle Nachwuchs kein Interesse zeigt. Klar, wenn ich eine Uhrmacherausbildung absolvieren will, ist das Erlernen und die Anwendung von State-of-the-Art Verfahren natürlich Pflicht. Aber das wollen doch auch 95% der Interessenten gar nicht. Die wollen einfach nach einem anstrengenden Tag bei ihrem Hobby entspannen, ein bisschen an eigenen Billiguhren "herumbasteln", die sonst keiner mehr lieb hat und sich freuen, wenn sich der Sekundenzeiger wieder bewegt. Die lernen dann vor allem aus YouTube-Videos. Natürlich gibt es auch die anderen 5%, die das Ganze ernsthaft betreiben wollen und für die das das Hobby ist, für das sie All-in gehen, mit umfangreicher Fachliteratur, Drehbank, Seminaren und allem. Ich bewundere diese Menschen, gehöre aus Zeitmangel und diversen anderen Interessen aber zu den ersteren 95%. Ich werde mir nie eine Drehbank kaufen, weil ich einfach nicht die nötige Zeit habe, ihren Gebrauch auf ausreichend hohem Niveau zu lernen und es auch in Bezug auf den monetären Wert der zu reparierenden Uhren ein absoluter Overkill wäre. Trotzdem werde ich weiter an meinen Uhren schrauben und ich kann nicht versprechen, daß ich nicht aus Ermangelung einer Drehbank eines Tages eine Unruhwelle mit der Triebnietmaschine ausschlagen werde. Wenn's dann in die Hose geht, werde ich mich auch nicht beklagen, denn Ihr habt mich ja gewarnt und mir gezeigt, wie es eigentlich geht. Was ich allerdings nicht machen werde, ist, das Hobby aufzugeben, nur weil ich die notwendigen Tätigkeiten nicht auf professionellem Niveau ausführen kann. Geht ja schließlich nicht um Elektrik, wo man andere Menschen durch seinen Dilettantismus gefährdet.

Zum Abschluß dieses langen Sermons: Ich verspreche, wenn einer der Mitdiskutanten einen eigenen YouTube-Kanal zur Uhrmacherei aufmacht, werde ich ihn abonnieren, mir die Videos anschauen und (hoffentlich) daraus lernen. Bin schon gespannt. Allerdings werden diejenigen, die denken, daß andere das nur "des Geldes wegen" tun, wahrscheinlich feststellen, daß das in den meisten Fällen ein Verlustgeschäft ist, bei dem das verdiente Geld in keinem Verhältnis zur aufgewendeten Zeit und den Hardware- und Produktionskosten steht. Da hilft am Ende doch nur sehr viel Idealismus.

Zu dem Thema sind nun schon einige Gedanken und Meinungen artikuliert worden.

Ich erlaube mir nun, meine eigene und subjektive Überzeugung und Erfahrung hier kurz vorzustellen:

Ich bin lediglich (seit knapp 20 Jahren) passionierter Amateur und Autodidakt in der Uhrmacherei (ausschliesslich Kleinuhren und insbesondere Chronographen) und in den 20 Jahren nie auf die Idee gekommen, dass derartige YT-Videos zum Erlernen (auch und insbesondere als Autodidakt) dieses wunderschönen Handwerks beitragen.

Meiner Überzeugung nach dienen solche Videos lediglich den Personen, die eine schnelle Lösung suchen und nicht bereit sind, sich mit der Materie in Theorie und Praxis wirklich ernsthaft auseinanderzusetzen und ein Handwerk auch ernsthaft (auch aus reiner Passion und als Autodidakt) zu erlernen.

Insgesamt ist das aber sicher der Tatsache geschuldet, dass man in der heutigen Zeit keine Wanderung mehr unternehmen möchte, um den Berggipfel zu erreichen, sondern sich viel eher mit einem Heli auf dem Gipfel absetzen lässt, um davon überzeugt zu sein, dass man den Berggipfel ja erreicht hat und gleichzeitig kein Gespür und keine Überzeugung mehr dafür hat, dass die Erreichung dieses Zieles nur dann wertvoll ist, wenn man den Weg dorthin selbst beschritten und den Gipfel erklommen hat.

Ich bin persönlich davon überzeugt, dass man auch die Uhrmacherei nur auf traditionellem Weg über Literatur einerseits und vielen, vielen Stunden der praktischen Tätigkeit andererseits, erlernen und Stück für Stück perfektionieren kann.

Nicht die visuelle Wahrnehmung einer verbogenen Spirale und deren erfolgreichem Ersatz soll aus meiner Überzeugung das Ziel sein, sondern das Verständnis dafür, welche Auswirkungen auf den Gang des Werkes diese Deformation hat, um sich dann ggf. für einen Ersatz zu entscheiden.

Wie immer, alles subjektiv und nur meine eigene, wenig bis nicht massgebliche Überzeugung und Erfahrung.


LG Ralf