Eine Frage an die Profis und die Erfahrenen unter Euch: Wie öle ich meine Drehmaschine eigentlich richtig?

Ich habe verschiedene Foren durchsucht und keine eindeutigen Informationen finden können.
Ich habe eine alte G.Boley R8. Die Ölöffnungen (rote Pfeile) befinden sich da, wo sie sich bei den meisten der kleinen Uhrmacher-Drehmaschinen befinden: Bei den Lagern oben am Spindelstock. Der Vorbesitzer meinte, etwa alle 3 Drehvorgänge sollte man da ein wenig nachschütten. So mache ich es auch, in diesem Intervall oder nach besonders intensiven Dreharbeiten reinige ich die Maschine mit Pinsel und Lappen und gebe zwei, drei Tropfen Nähmaschinenöl in die Öffnung und lasse den Spindelstock dabei etwa 1 Minute mit langsamer Geschwindigkeit drehen.

Die Öffnungen sind allerdings durch keine Deckel oder Schrauben geschützt. Um die Öffnungen zu schließen, drehe ich die beiden Rändelschrauben (blaue Pfeile) ein wenig zur Seite, weil ich irgendwie Bedenken habe, dass da Staub oder feine Späne reinfliegen und die Kugellager beschädigen könnten.

Ich habe die Maschine nun etwa 1 Jahr und schon viel damit gemacht. Bisher laufen die Lager geschmeidig und geräuschlos und werden selbst bei intensiven Dreh-Sessions kaum handwarm.

Allerdings habe ich manchmal nach dem Drehen feine Ölspritzer auf dem Tisch und an der Wand, das Öl kommt also irgendwo wieder raus. Die Austrittsstelle(n) konnte ich aber noch nicht ausmachen. Ist das ein Anzeichen, dass ich zuviel öle? Oder mache ich etwas falsch? Wie geht ihr beim Ölen eurer Drehbänke vor?

Boley-R8.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Hallo Ingo,

ich weiß nicht, ob Nähmaschinenöl das Richtige ist. Ich habe früher für die Spindellager Velocite No. 4 benützt, jetzt habe ich einen Kugelgelagerten Spindelstock.
Im Anhang ist eine Schmierstofftabelle von Boley-Leinen.

Viele Grüße!

Matthias

[[File:leinen_lz4.pdf]]

Ich habe auch eine Boley Leinen. Anfangs war ich überrascht, dass die Lager trotz Ölens nach nur wenigen Minuten heiß wurden. Als ich dann von einem Mitglied dieses Forums Spindelöl VELOCITE erhielt und das verwendete, lief meine Boley viel leichter und erwärmte sich nicht mehr!

Ich öle die Maschine erst nach einigen Betriebsstunden erneut, aber ganz sparsam. Dazu lockere ich Mutter, die zur Einstellung des axialen Lagerspiels dient, ein wenig, gebe etwas Öl in die Bohrungen, bewege die Welle eine Weile und stelle dannn das Axialspiel wieder ein. Ölspuren habe ich in der Umgebung meiner Maschine bisher nicht.

Die "Rändelschrauben" sind keine, sondern Klemmringe, die eigens zum Verschließen der Ölöffnungen dienen. Das sollten sie auch immer tun.

Hallo,

ich öle meine Drehmaschinen (Andre Zwingenberger) seit Jahren mit Spindelöl Nr. 10 und habe damit keinerlei Probleme. Die Lager werden nicht warm und Verschleiß ist kein Thema. Ein bis zwei Tropfen aus einer Spritzenkanüle vor jedem 2. Einsatz reichen völlig aus.

Gruß
Uwe

Ja Mensch, da war jetzt schon wieder so viel Erhellendes dabei. Also erstmal danke an Euch!

@Alberich - siehste, ich dachte, meine Drehmaschine hätte Kugellager. Irgendwo. Da... drin. Ich dachte, die Kugel schwimmen in so einer Art Rinne, da in ihrem Öl-Habitat, man schüttet immer mal frisch nach, und wenn das voll ist, läuft das Öl irgendwo eben wieder raus. So in etwa stellt sich ein Dreijähriger auch die menschliche Verdauung vor. Also keine Kugellager! Dann ist das Grundprinzip ja eher simpel.

@Mahlekolben - Aha! Danke für deinen super ausführlichen Post! Ich werde den Spindelstock mal auseinandernehmen und mir genau anschauen, das habe ich mich bisher nicht getraut. Ich liebe deine anschauliche Art zu erklären, du bist für mich der Peter Lustig der Metallbearbeitung. Großartig und informativ!

@Enno - Also Klemmringe, ist ja super, dann habe ich die also instinktiv richtig benutzt. Ich habe eine Nachfolgefrage: Irgendwo habe ich den Hinweis gelesen, man solle einen passenden Gummiring über die Öffnungen ziehen, damit sie richtig verschlossen werden. Hältst du das für notwendig?

@kellermaster - Spindelöl Nr. 10, ich notier das mal, danke!

Hallo @monozelle,
ich benutze in meiner 6mm Lorch und in der 8mm Wolf & Jahn Mobil Velocite No. 6. Das funktioniert prima ohne spürbare Erwärmung. Allerdings hatte ich vor einiger Zeit Probleme mit der Lorch Planscheibe (bei Lorch ist die Planscheibe ein eigener Spindelkopf). Wie sich herausstellte, war das in etwa das gleiche Problem, an dem @Mahlekolben fast verzweifelt wäre. Der Ölfilm in der vorderen Buchse war einfach zu dünn um noch achsialen Druck auszuhalten. Das Resultat war, dass die ganze Spindel bei zu starkem achsialen Druck klemmte. Mittlerweile benutze ich in der Lorch Planscheibe 10W40 Motorenöl. Das funktioniert sehr gut. Besten Dank noch mal @Mahlekolben für den damaligen Hinweis, dass es so ein Problem überhaupt geben kann.
Gruß Alex T.

Zitat von monozelle im Beitrag #6

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@Enno - Also Klemmringe, ist ja super, dann habe ich die also instinktiv richtig benutzt. Ich habe eine Nachfolgefrage: Irgendwo habe ich den Hinweis gelesen, man solle einen passenden Gummiring über die Öffnungen ziehen, damit sie richtig verschlossen werden. Hältst du das für notwendig?

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Ein bisschen Maschinenbau-Grundwissen:

Ölviskosität, Schmierspaltdicke und Tragfähigkeit hängen zusammen und können verschiedene optimale Kombinationen haben. Deshalb auch verschiedene Aussagen zwischen Velocite 4, Nähmaschinenöl und 10W40

Gehen wir im Normalbetrieb von einer anzustrebenden reinen Flüssigkeitsreibung (verschleißfrei) aus, dann schwimmt die drehende Welle ohne Last halbwegs zentrisch in der Lagerbuchse und der Schmierspalt ist genau so dick, wie die Lagerluft vom Benutzer mechanisch eingestellt wurde. Das Spiel im Stillstand wird also im Betrieb komplett vom Öl aufgefüllt.
Das Öl wird ständig aus dem Ölvorrat in den Schmierspalt gesaugt und saut irgendwo wieder raus. Die mir bekannten Uhrmacherdrehmaschinen sind auf geschlossene Ölvorratsbehälter uasgelegt. Offen läuft unnötig viel Öl durch.

Analogon:
Breite Reifen, leichtes Auto, hohe Geschwindigkeit --> Aquaplaning = Flüssigkeitsreibung

Zusammenhänge:
Öl zäher, Schmierspalt kleiner, Temperatur niedriger, Drehzahl höher --> Der Ölfilm ist tragfähiger, die Steifigkeit ist höher aber stärkere Erwärmung wegen Walkarbeit im Öl.
Je mehr Widerstand das Öl also leistet und je enger es eingesperrt ist, umso besser trägt es, aber umso heisser wird es auch.

Öl zu dünn, Lagerluft zu hoch, Last zu hoch, Drehzahl zu niedrig --> Der Ölfilm ist nicht tragfähig genug und wird weggedrückt --> Metallische Berührung, Verschleiß (Mischreibungs oder gar Festkörperreibung), seitliches Ausweichen und hoher Ölverbrauch.

Fazit:
Für die mechanisch eingestellte Lagerluft von etwa 0,01 bis 0,03mm soll ein Öl gewählt werden, das bei der höchsten verwendeten Drehzahl grade noch nicht zu warm wird (40-50°C technisch bis 80°C)
Dann hat man zu geringeren Drehzahlen hin noch möglichst viel Tragfähigkeitreserve.
Es ist nicht optimal, wenn das Lager nach 10 Min bei 3000 min-1 nicht warm wird, denn dann ist die Tragfähigkeit bei niedrigen Drehzahlen nicht mehr gut.
Mit zu zähem Öl wird es nur warm. Mit zu flüssigem Öl kommt es zu Mischreibung und Verschleiß.

Praxis
Öl nach Erfahrungswert oder Herstellerangabe nehmen. Z.B. Velocite 4 oder 6 oder dünnes Nähmaschinenöl und das Lagerspiel so einstellen dass die Erwärmung unter 50°C bleibt.
Dann hält die Maschine ewig.