Für Euch! Eine Foto-Lovestory aus meiner Hobbywerkstatt!
Sicher alles nicht so die reine Lehre, aber so hab ich's gemacht ... und es führte auch zum Ziel.

Bei einer kleinen Eterna 18''' H6.2 Lepine hatte ich vor einiger Zeit den oberen Unruhzapfen und den Lagerstein gekillt. Oberbescheuert, auf solche Ideen komme nur ich: Ich wollte das Spiralklötzchen etwas höher schieben. Ich setze einen Schraubendreher an, das Klötzchen war verkantet, ich drücke und merke nicht, dass ich Depp mich auf den Unruhreif stütze! Und - knacks - starb die Unruh einen schnellen und leisen Tod.
Das war im Januar, damals überstieg das meine Fähigkeiten und ich musste die Kleine leider ins Koma legen. Und seitdem sah sie mich strafend an mit ihrem bewegungslos gefrorenen Zifferblatt. Diese Scham...


Monate später: Diese Woche habe ich mich an die Wiederbelebung gewagt!
Zuerst wollte ich schauen, ob ich einen neuen Zapfen einbohren kann. Es stellte sich heraus, dass die Unruhwelle eine kuriose Eigenanfertigung zu sein schien: Die Ellipse war in einer Bohrung im Unruhschenkel eingesetzt und das, was zunächst wie eine Doppelrolle aussah, war gar keine, sondern in einem Stück mitsamt Welle gedreht. Irgendwo, in irgendeinem Forum, hatte ich das schonmal gezeigt, aber ich finde es nicht mehr... jedenfalls, handwerklich war das alles top ausgeführt, aber... warum wurde das so gemacht? So konnte man das ja nicht in die Drehbank spannen. Den Stein auslacken?



Ich verfolgte dann eine andere Idee: Aus einem fast identischen Spenderwerk plünderte ich den Unruhreif mit klassischer Doppelrolle (aber ebenfalls zerstörter Welle). Leider war bei diesem die Spiralfeder derart verdreht und verzogen, dass ich mit meinen begrenzten Spiral-Richtkünsten überfordert war. Also was blieb - alte Spirale, neuer Reif. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich habe die alte Unruhwelle vermessen, eine neue Welle gedreht und die Doppelrolle aufgesetzt.

Und ab hier betrat ich Neuland. In einem ---> anderen Thread hatte ich naseweis gefragt "Lagerstein statt Unruhstein - geht das?" Ich geb's zu: Ich habe es einfach getan und den kaputten, komplett zerbröselten Unruhlagerstein durch einen normalen Stein ersetzt. Auch die Fassung ließ sich schließen. Nur die Bohrung war etwas größer: 0,15 mm. Aber da ich die Welle sowieso neu drehte, konnte ich mir die Zapfenstärke ja aussuchen. Und so wurde es gemacht.



Beim Einbau das erste Aufatmen: Die Welle passte und der Reif rotierte locker.



Der Reif wurde ausgewuchtet und der obere Zapfen etwas gekürzt.



Die Spirale wurde aufgesetzt und probeweise gab's etwas Spannung auf's Federhaus. Das zweite Aufatmen: Auch der Ankereingriff klappte! Die Uhr lief erstmal gut in allen Lagen.



Aber... zu langsam. Viel zu langsam! Die Differenz war mit blankem Ohr hörbar und die Zeitwaage schwenkte die weiße Fahne: Weit außerhalb des messbaren Bereichs.
Kein Wunder - Spirale und Reif arbeiteten zum ersten Mal zusammen. Ein Tipp von einem befreundeten Uhrmacher: Spirale kürzen. Einen Spiralzähler hatte ich nicht und in der Bucht werden die zu recht strammen Preisen gehandelt.

Also habe ich was improvisiert. Im Wilhelm Schultz wurde eine Methode beschrieben, die Spirale nach Gehör auszuzählen. Im Grunde ganz einfach: Man nimmt eine Uhr, die zuverlässig (und schön laut) mit 18.000 Schlägen tickt, lässt dazu die auszuzählende Spirale mit Unruh schwingen und guckt, ob's passt. Damit die Unruh nicht hin und her baumelt, habe ich sie in ein Sekundenradlager aus einem Schrottwerk gehängt und mit dem Blasebalg angepustet. Als Taktgeber diente eine Elgin Taschenuhr mit Kaliber 18s, die ballert laut genug.
Die Spirale hing im Klötzchen und im Schlüssel, war aber ausgestiftet. Mit der Pinzette schob ich nach, bis ich den Eindruck hatte, dass der Reif synchron zum Ticken schwang.



Und in der Tat: Es ergab sich eine ordentliche Überlänge.



Nach dem probeweise Feststiften und dem Einbau fuhr die Zeitwaage noch etwas Slalom. Damit hatte ich gerechnet, weil ich die Überlänge der Spirale vorerst noch behalten wollte und sie deswegen über den Kloben führte, aber wir kamen in den messbaren Bereich! Etwa 120 Sekunden Nachgang waren angezeigt.



Ich behielt etwas Reserve und schnitt den Rest der Spirale ab. Der Abfall musste dann natürlich entsprechend korrigiert werden. Aber durch die Kürzung stimmte auch die äußere Windung nicht mehr, die Spirale lief nicht mehr zentriert und hing seitlich. Das wirkte sich extrem negativ auf die Amplitude aus, da kamen gerade mal kümmerliche 90° raus. Das musste gerichtet werden.



Ich bin nicht der "King of Spirale richten", aber sowas kriege ich mittlerweile hin. Nach dem Richten:



Einbauen, ab auf die Zeitwaage. Der Rücker steht etwas im "Avance"-Bereich.



... und sogar der Abfall stimmte und die Werte waren traumhaft. Die "333°" Amplitude kann man hier mal getrost ignorieren, aber die optische Kontrolle zeigt deutlich über 200°. Damit bin ich zufrieden. Neue Unruh, alte Spirale - ein Dreamteam. Ende gut, alles gut.

Hallo Ingo,

die Uhr erst mal beiseite zu legen, bis die eigenen Fähigkeiten passen, war 'ne gute Idee. Diese Einsicht haben leider nur wenige.

Beim Abzählen hätte statt des komplizierten Sek.-Klobenaufbaus auch ein flaches Mineralglas gereicht.

Und dass Du gar nicht erwähnst, dass Du selbst den inneren Ansteckpunkt nach Grossmann korrekt berücksichtigt hast, schreibe ich Deiner Bescheidenheit zu . Nur die nun etwas geringe Windungszahl trübt das Bild minimal.

Ich werde es auch mal mit einem flachen Glas probieren. Danke für den Tipp, Frank! Ich hatte sowas noch nie gemacht und ich habe halt das genommen, was mir praktikabel erschien und greifbar war. Ich habe bei meinen Versuchen auch gemerkt, dass der Zapfen auf einer Fläche besser läuft als in einem Lager. Eigentlich auch logisch, wenn man drüber nachdenkt. War mir aber vorher nicht bewusst.

Grossmann sagt mir natürlich was… aber der innere Ansteckpunkt? Muss ich gleich mal nachforschen…