ich hatte 2019 bei Ebay eine (vermutlich) Biedermeier-Uhr für relativ wenig Geld ersteigert. In einem Beitrag hier im Forum hatte ich dazu schon mal eine Frage zur Zugfederberechnung gestellt.
Vor einiger Zeit habe ich mich entschlossen, mich an eine Überholung zu wagen. Ich schreibe bewusst "Überholung", da ich mir nicht die Fähigkeiten eines Restaurators oder Uhrmachers anmaßen will. Was dabei herausgekommen ist, möchte ich hier kurz vorstellen.
Zunächst zeige ich mal einige Vorher-Bilder:
Völlig verdreckt, Risse im Holz, Füße locker..
Zifferblatt dreckig, teilweise zerkratzt und stellenweise abgeplatzt
Die Verzierungen waren mit Dreck und Resten von Möbelpolitur(?) verkrustet
An einigen Stellen hatte sich das Furnier gelöst und der Lack hat Blasen geworfen
Fadenaufhängung
Feststehende Federhäuser mit ca. 30 Stunden Laufzeit
Ich bin ja ein Freund von Patina. Hier hatte sich aber der Dreck so in's Metall gefressen, dass auch schrubben und Elma nichts gebracht haben.
Daher habe ich mich dann schweren Herzens entschlossen, die Teile in meine Eigenbau-Trowalisier-Maschine zu geben. (Ja das Teil sieht martialisch aus, funktioniert aber bestens und hat mich nur ca. 30 € für den Scheibenwischer-Motor gekostet. Alles andere waren Teile dich ich noch rumliegen hatte.) Wen es interessiert; ich benutze die Schleifkörper "Keramikschleifkörper, Zylinder Schrägschnitt,02/05" und das "Compound VF 109" der Firma Avatec. Damit habe ich die besten Erfahrungen gemacht.
Jetzt die Nacher-Bilder
Nach dem Trowalisieren sah das Werk dann so aus
Zifferblatt nach der Reinigung. Das war gar nicht so schwierig. Ein bißchen Spülmittel hat für das Gröbste schon gereicht. Die tieferen Risse habe ich mit etwas Waschbenzin und Wattestäbchen sauber gekriegt. Die abgeplatzten Stellen bei denen man das Metall durchgesehen hat, habe ich mit UHU-Emaille-Reparaturlösung kaschiert (auf diesem Bild nicht zu sehen).
Uhrwerk wieder eingebaut; noch ohne Glocke
Die Verkrustungen sind weg. Das war eine ziemliche Arbeit und ging nur mit dem Proxxon-Feinschleifer mit Kupfer-Drahtbürste. Auf dem Foto sieht das wesentlich glänzender aus, als es tatsächlich ist. Ich habe darauf geachtet, dass es nicht zu neu aussieht.
Die abgeplatzten Furnierstellen habe ich soweit es möglich war, wieder angeklebt. Da wo gar kein Furnier mehr vorhanden war, habe ich die Löcher mit einer Holzfaserpaste aufgefüllt. Leider war die alte Lackierung an vielen Stellen blasig, verfärbt und hat sich gelöst. Das sah einfach nicht mehr gut aus. Daher habe ich den alten Lack komplett abgeschliffen, die Löcher gefüllt und neu lackiert.
Endzustand.
Fazit:
Vermutlich hätte man einiges besser/anders machen können. Aber ich habe sowas vorher noch nie gemacht (zumindest was Gehäusearbeiten angeht) und für den ersten Versuch bin ich einigermaßen zufrieden..
Was ich beim nächsten Mal auf jeden Fall anders machen werde, ist die Gehäuselackierung. Hier wollte ich das möglichst originalgetreu mit Lack und Pinsel machen. Nie wieder! Der Lack hat so schnell angezogen, dass man keine Chance auf Korrekturen hatte. Keine Ahnung warum. Bei vorherigen Holzarbeiten hatte ich diese Probleme nicht. Vielleicht lag es auch am Lack. Ich mußte den Lack jedenfalls zweimal abschleifen und neu anfangen. Und man sieht immer noch Pinselspuren, wenn man genau hinschaut. Nächstes Mal nehme ich die Sprühdose. Keine Ahnung wie die das vor 200 Jahren gemacht haben..
Hallo Uhrmensch Sieht wieder schön aus, die Uhr. Trotzdem leise Kritik. Mit dem Tovalisierer an ein antikes Uhrwerk zu gehen ist wie mit dem Bandschleifer an ein Biedermeiermöbel. Auch wenn diese Pendulenwerke schon frühe "Industrieware" sind. Und die Holzoberflächen sollten nur mit Schellack und Ballen überholt werden. Also Schmutz mit feuchtem Tuch entfernen, ev. mit feinster Stahlwolle überschleifen, mit Spirituslappen noch mal vom Staub säubern und dann mit Schellack und Ballen polieren. Geht mit etwas Übung recht einfach, wenn man keine "Glas" Oberfläche will. Gruß Werner
Also wer eine Trowalisiermaschine mit einem Bandschleifer vergleicht hat von der Technik keine Ahnung! Ich benutze die Maschine seit Jahren und selbst feinste Kratzer bleiben, bei richtige Anwendung, erhalten.
Hallo und vielen Dank für die Antworten und die Kritik!
@Kioto,
die Trowalisiermaschine ist natürlich immer so eine Sache.. Ich habe mich hier dafür entschieden, weil das Uhrwerk einfach nicht mehr schön aussah. Es gibt halt Patina und Dreck. Wenn das Werk dreckig aussieht und teilweise Fraß und Verfärbungen durch Fingerschweiß oder irgendwelche Reinigungsmittel ausweist, und diese durch normales säubern nicht mehr weggehen, ist das -für mich- keine erhaltenswerte Patina mehr. Wenn die Uhr wirklich historisch bedeutend ist, würde ich das aber auch nicht machen..
Und zu der Schellack-Anmerkung: Der Lack der vorher drauf war, war ja auch kein Schellack. Von daher hätte das wenig gebracht. Das war ein normaler Holzlack. Ob das noch der Originale war - keine Ahnung.
Hier noch eine Bemerkung zum Gehäuse. Zumindest alte Uhrgehäuse wurden eigentlich nicht mit "normalem" Lack versiegelt. Ich hatte auch mal eine fast 100 Jahre alte Tischuhr erworben, die ein Vorbesitzer mit klarem Bootslack bekleistert hatte. Diesen habe ich mit Lupe, feinem Schraubendreher und viel Geduld entfernt, anschließend die Oberfläche fein geschliffen und mit Schellack behandelt. Nach dieser Behandlung hatte die Uhr wieder ihren alten Charme. Die Arbeit hat zwar fast eine Woche gedauert, hat sich aber aus meiner Sicht gelohnt.
Zum Trowalisieren: 1. Tolle Maschine, ich glaub, ich bau mir auch sowas! 2. Wie lange waren die Teile drin und hattest du die vorher schon (grund-)gereinigt oder wie sie waren einfach reingegeben?
Zitat von carondeb im Beitrag #9Super Bericht, danke!
Zum Trowalisieren: 1. Tolle Maschine, ich glaub, ich bau mir auch sowas! 2. Wie lange waren die Teile drin und hattest du die vorher schon (grund-)gereinigt oder wie sie waren einfach reingegeben?
Die Teile habe ich in dem Fall vorher schon mit Elma 1:9 gereinigt; jedoch ohne den erwünschten Erfolg. Bei starker Verölung würde ich auf jeden Fall vorreinigen. Sonst hat man ja nur eine Ölsuppe im Trowalisierer. Laufen lassen habe ich das ca. 2 Stunden.
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03.01.2022 16:52 (zuletzt bearbeitet: 03.01.2022 17:49)
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