Hallo alle zusammen!

Ich habe mir kürzlich für kleines Geld eine gebrauchte Skelett-Wandpendeluhr der weltberühmten Marke Tempus Fugit zugelegt (genauso bekannt wie die ebenfalls weltberühmte Uhrenmanufaktur R=A ).
Naja, wer die Uhr wirklich hergestellt hat weiß ich nicht, aber angetrieben wird sie von einem Stabwerk der Baureihe 791 von Hermle.
Klar, für die Cracks hier im Forum, die gerade an ihrer selbstgebauten PPU basteln, ist das Pillepalle. Aber als ich die Uhr nach dem Kauf gereinigt hatte, dachte ich mir gerade an diesem sehr einfachen Werk könnte ich den Anfängern, die ja auch hier im Forum mitlesen, zeigen wie man ein so simples Werk mit einfachen Mitteln reinigt, inspiziert, neu ölt und für ein weiteres Jahrzehnt fit macht. Zum erstmaligen üben eignen sich diese simplen Werke weit besser als ein Weckerwerk. Außerdem kann man daran leicht erklären und üben wie die Hemmung samt Abfall einzustellen ist.
Diese Art von Uhr und Uhrwerk ist häufig am Markt vertreten. Man kann sie neu und erst recht gebraucht für kleines Geld erwerben.
Warum ich diese Uhr Uhr überhaupt gekauft habe, dazu später.

Los geht's!

1. Infos zur Uhr und zum Uhrwerk Hermle 791

Um dieses Teil geht es:
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Eine offene Skelett-Wandpendeluhr mit Gewichtantrieb über Kette. Diese Art von Uhr kam meines Wissens so Ende der 1980er auf, ungefähr in stilistischer Anlehnung an die antiken Laternenuhren aus Frankreich und England. Sie sind ziemlich populär geworden und verkaufen sich bis in die Gegenwart sehr gut - bestimmt auch wegen des eher niedrigen Preises.
Angetrieben wird meine Uhr von einem sogenannten Stabwerk der Firma Hermle, dem Kaliber 791. Die Bezeichnung Stabwerk ergibt sich aus den schmalen, stabförmigen Platinen. Da die Räder alle genau in einer senkrecht aufsteigenden Linie angeordnet sind ergibt sich eine meist größere Höhe als bei der seitlich versetzten Anordnung in anderen Werken.
Stabwerke haben kein Schlagwerk, allerdings oft einen sogenannten Passageschlag. Auf der Minutenwelle befindet sich eine Nocke, die den Hammer zur vollen Stunde einmal auslöst.
Mein Werk ist auf der Rückseite mit dem Produktionscode für das Jahr 1990 gepunzt. Aus diesem Jahr wird also auch die Uhr selbst stammen.


2. Bestandsaufnahme

Die Uhr ist unbeschädigt und in gutem Allgemeinzustand. Viele Messingteile (Kette, Glocke, Uhrwerksteile) sind mehr oder weniger angelaufen. An den Stahlteilen vom Werk findet sich Rost. Vermutlich hing die Uhr in eher feuchten Umgebung. Wie nicht anders zu erwarten befindet sich viel Staub auf und in der Uhr, samt Uhwerk. Das Werk scheint trocken zu sein. Die Lager der Räderwellen sind mit schwarzer Pampe zugesetzt, Rückstände von eingetrocknetem Öl vermischt mit Staub. Augenscheinlich wurde das Uhrwerk 31 Jahre lang nie gereinigt, aber zum Glück wohl auch nicht "nachgeölt". Auf einen Probelauf vor der Revision verzichte ich.

3. Ausbau des Uhrwerks

Wie bekomme ich das Werk aus der Uhr raus? Sieht auf den ersten Blick ganz einfach aus. Auf den zweiten Blick ...
Zuerst demontiere ich die Zeiger. Zeigermutter abdrehen, den Minutenzeiger entfernen und anschließend den Stundenzeiger unter Hin- und Herdrehen nach vorne abziehen. Dabei halte ich mit dem Finger der anderen Hand das Stundenrad fest damit dessen Verzahnung an der Wechselradhalteschraube nicht unnötig belastet wird.
Ich montiere die Glocke vom Dach der Uhr ab. Der Hammer des Werks ragt aus dem Dach. Das Werk selbst ist lediglich am Uhrboden mit zwei Werkhalteschrauben befestigt, die durch die unteren Werkpfeiler gehen.
Meine erste Idee ist das Dach der Uhr abzunehmen um das Werk nach oben hinaus zu heben. Allerdings ist der Zifferblattreif mit zwei aufgelöteten(?) Stiften jeweils an Dach und Boden der Uhr befestigt. Die Stifte werden von hinten durch eine Art Blechkragen gesichert. Ich könnte jetzt versuchen das Zifferblatt nach vorne abzuziehen. Die Blechkragen sind aber stark verrostet und möglicherweise mit den Zifferblattstiften verbacken. Ziehe ich zu stark am Zifferblatt, könnten die Zifferblattstifte abbrechen - damned.
Also entscheide ich mich das Werk seitlich aus der Uhr zu ziehen. Das geht nicht so einfach, da sich der Hammer oben am Dach verhakt, Die Zeigerwelle an der vorderen Säule, der Pendelgalgen an der hinteren Säule verhakt. Außerdem muss ich aufpassen mit dem Werk keine Kratzer in den Uhrenboden zu machen. Mit einigem Gefummel geht das Werk schließlich doch seitlich aus der Uhr. Geschafft.

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Das Uhrengehäuse reinige ich einfach mit Haushaltsreiniger in warmem Wasser und einem Mikrofasertuch. Das Zifferblatt scheint bedrucktes und beschichtetes Papier zu sein. Die Fliegenschisse entferne ich mit ein wenig Autolackreiniger auf einem feuchten Tuch. Funktioniert alles prima. Uhr und Zifferblatt sind in Kürze blitzsauber.

4. Demontage des Uhrwerks

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Bezeichnete Elemente auf dem Bild:
A: Stundenrad mit Stundenrohr
B: Wechselrad
C: Wechselradhalteschraube

Als erstes entferne ich das sogenannte Zeigerwerk auf der Vorderplatine. Um das Wechselrad B zu entfernen löse ich dessen Halteschraube C. Wichtig ist dabei ein Schraubenzieher mit genau richtiger Klingenbreite um nicht abzurutschen und eine Macke in den Schraubenschlitz zu machen. Schließlich ist es eine Skelettuhr und die Schraube Teil des Gesichts der Uhr.
Die Wechselradhalteschraube C ist gleichzeitig der Lagerstift für das Wechselrad B. Sie hat nur am unteren Ende ein Gewinde wo sie in der Platine steckt. Der Rest der Schraube ist glatt und darauf läuft das Wechselrad. Habe ich so zuvor noch nicht gesehen, scheint aber zu funktionieren.
Nach Abnehmen der Schraube kann ich das Wechselrad einfach nach unten entnehmen und anschließend das Stundenrad von der Zeigerwelle abziehen.

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Bezeichnete Elemente auf dem Bild:
a: Pendelverlängerung
b: Pendelfeder
c: Ankerbrücke mit Pendelgalgen
d: die mit der Ankerwelle verbundene Pendelgabel

Auf der Rückseite des Werks löse ich zunächst die Schraube der Pendelfeder b im Pendelgalgen c. Jetzt kann ich die Pendelverlängerung a samt Pendelfeder b nach unten wegziehen bis die taillierte Stelle in der Pendelgabel liegt. Jetzt die Pendelverlängerung um 90° drehen und sie seitlich aus der Pendelgabel nehmen.

Anschließend schraube ich die Ankerbrücke c ab.
Um es vorweg zu nehmen: Man muss die Ankerbrücke nicht zwingend abschrauben um das Werk auseinanderzubauen und zu reinigen. Manche haben eine Heidenangst davor anschließend die Hemmung wieder richtig einzustellen und kritzeln mit schwarzem Edding um die Ankerbrücke herum, um sie wieder genau in ihre ursprüngliche Position zu bekommen. Diese Angst ist unbegründet und ich erkläre später wie man die Hemmung wieder richtig einstellt.
Ich entferne die Ankerbrücke auch bei diesem Werk aus zwei Gründen:
1. Die Platinen lassen sich dadurch später wieder leichter zusammensetzen.
2. Die Werkseinstellung der industriell gefertigten Werke ist keineswegs perfekt. Die Monteurin bei Hermle hat garantiert weniger Zeit die Hemmung einzustellen als ich!

Jetzt geht es an den Auseinanderbau der Platinen. Dazu löse ich die Verschraubung an der Hinterplatine, hebe die Hinterplatine ab und entnehme anschließend die einzelnen Bauteile. Man könnte übrigens genauso gut die Verschraubung an der Vorderplatine lösen. Ich habe einfach eine Präferenz dafür die Räder und Bauteile später auf die Vorderplatine zu stecken und die Hinterplatine dann wie einen Deckel aufzusetzen.

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Bezeichnete Elemente auf dem Bild:

1: Vorderplatine
2: Hinterplatine
3: Kettenrad
4: Beisatzrad
5: Minutenrad
6: Laufrad (auch Zwischenrad genannt)
7: Ankerrad (auch Steigrad oder Hemmungsrad genannt)
8: Ankerwelle mit Anker und Pendelgabel
9: Hammer mit Hammerwelle und Auslöselappen (Hammerlappen)
10: Spiralfeder um den Hammer zu spannen

Nach dem Abheben der Hinterplatine kann ich die Räder entnehmen. Es befinden siche gerade einmal acht Bauelemente zwischen den Platinen. Das ist echt nicht viel.
Wer sich jetzt wundert warum das Minutenrad noch in der Vorderplatine steckt: Es steckt fest einerseits zwischen dem Sicherungsring auf der Minutenradwelle an der Rückseite der Vorderplatine und andererseits dem Trieb auf der Vorderseite der Vorderplatine. Dieser Trieb, über den die Minutenradwelle das Wechselrad und das Stundenrad antreibt wird bei Hermle nach der Montage des Werks maschinell mit großer Kraft auf die Minutenwelle gepresst. Man kann ihn mittels eines Abziehers oder indem man die Minutenwelle mit dem Hammer aus diesem Trieb herausschlägt von der Welle entfernen, muss dabei aber mit großen Kräften arbeiten. Das Risiko bei dieser Aktion die Minutenwelle und/oder Vorderplatine zu beschädigen ist substantiell!
Ich entferne das Minutenrad nur in Ausnahmefällen aus der Vorderplatine, wenn das Lager offensichtlich ausgeleiert oder das Rad irgendwo beschädigt ist. Ansonsten erscheint mir das Risiko eines Schadens beim Ausbau im Verhältnis zum verbesserten Reinigungsergebnis als deutlich zu groß. Das mag aber jeder für sich selbst entscheiden.

5. Reinigung des Uhrwerks

Zur Reinigung reicht eine Schüssel, eine Zahnbürste, Waschbenzin aus dem Baumark und ein paar Zahnstocher.
Die Platinen, Räder, sonstige Bauteile werden der Reihe nach in der Schüssel voll Waschbenzin mit der Zahnbürste gereinigt. Grundsätzlich kann man auch warmes Wasser mit Spülmittel benutzen. Allerdings muss man die Teile dann schnell und gut trocknen, sonst entsteht schnell Rost auf den Stahlteilen. Bei Waschbenzin muss man sich über die Trocknung und Rost keine Gedanken machen.

Nach der ersten Wäsche reibe ich die Lagerbohrungen in den Platinen mit dem Zahnstocher aus um Schmutzrückstände zu entfernen. Ebenfalls mit dem Zahnstocher werden die Triebe der Räder (die kleinen Stahlzahnräder auf den Räderwellen) ausgekratzt um dort die schwarzen Schmutzrückstände zu entfernen.

Ist das erledigt kommen alle Teile zu einer zweiten Wäsche, einfach um die gelösten Schmutzrückstände restlos zu entfernen. Ganz schön beeindruckend was sich so an Schmutz auf dem Schüsselboden absetzt.

Auf dem folgenden Bild sind auf den beiden Küchentücher nochmal sämtliche Teile des Uhrwerks zu sehen.

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6. Inspektion der Teile

Nach der Reinigung sollte man sämtliche Bauteile auf Beschädigungen überprüfen. Sind die Lagerbohrungen auf den Platinen i.O. oder oval ausgleiert? Gibt es Riefen an den Radtrieben? Sind die Ruhe- und Hebeflächen auf den Ankerpaletten glatt und frei von Riefen?
Wichtig ist auch die Inspektion des Kettenrades, ein Mechanismus für sich. Vorweg: Theoretisch kann man das Kettenrad in seine Einzelteile zerlegen, praktisch ist es dafür aber nicht gedacht.
Anschauen sollte man sich hier den Kettenstern über den die Kettenglieder laufen. Die Zacken sollten nicht total runtergenudelt sein, ansonsten würde die Kette durchrutschen. Einen genauen Blick auf die am eigentlichen Kettenrad festgenietete Sperrklinke und das Sperrrad werfen. Sitzt die Klinke noch gut auf ihrem Lager oder hat sie zu viel seitliches Spiel? Ist die Feder, die die Klinke auf das Sperrrad drückt i.O.? Sind die Zähne des Sperrrads noch i.O. oder total runtergenudelt?
Dann einfach auch noch das Messingrad festhalten und den Kettenstern verdrehen. Lässt sich das einigermaßen gut drehen? Ist es festgegammelt oder viel zu lotterig? Immer daran denken: Da hängen später 2,1 kg dran!
Ist ein Kettenrad von Hermle defekt, würde ich nicht reparieren, sondern einfach ein neues kaufen.

Kaum zu glauben, ich habe Glück. An meinem Werk gibt es keinerlei Beschädigung oder übermäßigen Verschleiß. Bei weitem keine Selbstverständlichkeit bei einem 31 Jahre alten Hermle Werk!
Ich kann mich an den Zusammenbau und die Schmierung machen.

7. Montage und Schmierung des Uhrwerks

Bereits vor der Montage öle ich manche Bauteile. Dazu verwende ich ein Uhrenöl, Dr. Tillwich 3-5. Diese Ausgabe sollte man sich und der Uhr gönnen.
Da ich das Minutenrad nicht ausgebaut habe, gebe ich etwas Öl zwischen den Trieb und die Vorderseite der Vorderplatine und auch zwischen den Sicherungsring und die Rückseite der Vorderplatine. Der Spalt ist jeweils groß genug, dass ich mit dem Ölgeber den Tropfen auf die Minutenradwelle geben kann.
Jetzt öle ich noch die Zeigerreibung. Einen Tropfen dort wo der Radttrieb auf die Welle stößt und ein wenig wo die Spaltscheibe die Blattfeder, die gegen das Minutenrad drückt, sichert. Ist man sich unsicher wo genau das Öl hin muss, einfach die Welle festhalten und mal das Messingrad drehen. Dann sieht man wo die Bauteile aneinanderreiben und der Öltropfen hin soll.
Auch der Mechanismus des Kettenrads wird vorab geölt. Etwas Öl kommt auf die Zähne des Sperrrads, auf das Lager der Sperrklinke und zwischen Sperrklinke und die Feder welche sie auf das Sperrrad drückt. Etwas Öl gebe ich auch dorthin wo die Sicherungsmanschette gegen die Blattfeder drückt. Wiederum gilt: Ist man sich unsicher, einfach das Messingrad festhalten und den Kettenstern verdrehen. So sieht man wo Bauteile aneinanderreiben.

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Bezeichnete Elemente auf dem Bild:
3: Kettenrad
4: Beisatzrad
5: Minutenrad
6: Laufrad
7: Ankerrad
8: Anker
9: Hammer

Ich beginne jetzt die Vorderplatine zu bestücken. Ich setze zuerst das Beisatzrad 4, dann das Kettenrad 3, anschließend das Laufrad 6. Bevor ich das Ankerrad 7 aufstecke, öle ich seine Zahnspitzen ganz leicht. Bevor ich den Anker 8 aufstecke, gebe ich dort jeweils an die Ruhe- und an die Hebefläche der Ankerpaletten Öl. Ich setze den Hammer und schiebe auch die kleine Spiralfeder 10, die den Hammer spannt auf ihren Stift, verbinde sie aber noch nicht mit dem Hammer.
Achtung! Beim Hammer darauf achten, dass seine Auslöseeinheit/Hammerlappen zwischen der Minutenrad- und Laufradwelle liegt!

Jetzt setze ich die Hinterplatine auf und fädle alle Radzapfen und die Hammerwelle ein. Das geht ganz leicht, denn zum einen hat das Werk sechs Pfeiler und die Hinterplatine liegt gut auf. Zum anderen hatte ich ja die Ankerbrücke demontiert und muss mich jetzt noch nicht um den Anker kümmern.

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Ist die Hinterplatine aufgesetzt und alles eingefädelt werden die Schrauben aufgesetzt. Zur Kontrolle hebt man jedes einzelne Rad und die Hammerwelle nochmal an um das axiale Spiel zu kontrollieren. Sie müssen sich leicht anheben lassen und sofort wieder runterfallen. Da darf nichts klemmen.

Jetzt wird noch die Ankerbrücke aufgeschraubt und wir kommen zum Angstgegner, der ...

8. Einstellung der Hemmung

Über die Ankerbrücke kann man die Eingrifftiefe des Ankers in das Ankerrad einstellen und den sogenannten Fall.
Bei Hermle Werken gibt es eine Besonderheit. Die linke Bohrung der Ankerbrücke ist rund und hat nur den Durchmesser der Schraube. Die rechte Bohrung ist oval und größer als die Schraube. Man kann die Ankerbrücke also nur auf der rechten Seite variieren, sozusagen um die linke Schraube herumdrehen. Damit lässt sich die Eingrifftiefe des Ankers kaum beeinflussen, sondern im wesentlichen nur der Fall.
Bei anderen Herstellern (z.B. Kieninger) sind beide Bohrungen in der Ankerbrücke oval/länglich. Die Ankerbrücke bietet dort mehr Einstellmöglichkeiten.
Vermutlich will Hermle den Montageprozess vereinfachen und vertraut in Punkto Eingrifftiefe einfach auf die Standardisierung der Bauteile.

Einstellung des Falls bedeutet nachdem der Zahn des Ankerrads von der Ankerpalette abgefallen ist, soll der Abstand Palette/Zahn bei beiden Paletten jeweils gleich sein.
Ich ziehe die Schrauben der Ankerbrücke nur so fest, dass ich die Brücke rechts mit etwas Fingerkraft hoch- oder runterschieben kann. Die Extrempositionen, Brücke ganz nach oben bzw. ganz nach unten, sind immer falsch. Zur Einstellung schiebe ich die Brücke daher in die Mittelposition. Ich schaue jetzt durch die Hinterplatine auf den Anker und das Ankerrad und gebe mit dem Finger etwas Kraft auf das Minutenrad, damit Bewegung auf das Räderwerk kommt. Indem ich die Ankergabel nun hin- und herbewege gebe ich das Ankerrad stückweise frei.
Liegt der Zahn des Ankerrads auf der Ruhefläche der Eingangspalette (Eingangspalette = der Ankerradzahn fällt von außen auf den Anker, Ausgangspalette = der Zahn des Ankerrads fällt von innen auf den Anker) bewege ich die Ankergabel nach links. Der Anker hebt sich, der Zahn des Ankerrads gleitet von der Ruhefläche der Eingangspalette ab, die Zahnspitze gleitet über die Hebefläche der Eingangspalette und fällt ab. Das Ankerrad dreht sich frei bis es auf der Ausgangspalette gestoppt wird. Ich schaue mir nun die Entfernung Eingangspalette zu dem abgefallenen Zahn an.
Die ganze Prozedur beobachte ich nun auch auf der Ausgangspalette des Ankers und vergleiche dann die Distanz abgefallener Radzahn zur Palette auf Eingangs- und Ausgangspalette. Diese Distanz soll auf beiden Seiten gleich groß sein. Ist das nicht der Fall, verschiebe ich die Ankerbrücke auf der rechten Seite ein klein wenig nach oben oder nach unten bis alles passt. Anschließend ziehe ich die beiden Schrauben fest an und kontrolliere nochmal, ob sich durch das Festziehen nichts verschoben hat.
Übrigens kann man statt der Distanz Palette zum abgefallenen Zahn auch die Distanz demnächst auf die Palette fallender Zahn zur Palette als Grundlage nehmen - je nachdem was einem leichter fällt ... oder man achtet auf beides.

Der Fall ist jetzt eingestellt.

Da ich es mit einem Stabwerk zu tun habe, stehen ja alle Räder und damit auch die Lagerbohrunge der Hinterplatine auf einer senkrechten Linie zur Ankerwelle und damit zur Ankergabel. Ich kann somit schon in diesem Stadium bereits den Abfall grob einstellen (die Feineinstellung ist erst bei aufgehängeter Uhr möglich).
Ich bringe die Ankergabel deckungsgleich auf die Linie der Lagerbohrungen und schaue durch die Hinterplatine auf den Anker. Bei dieser Position der Ankergabel sollten die beiden Ankerpaletten jeweils leicht zwischen die Zähne des Ankerrads eingetaucht sein. Ist in dieser Position der Ankergabel die eine Palette tief zwischen die Zähne eingetaucht während die andere über die Zähne ragt, ist der Abfall schonmal falsch eingestellt. Ich bewege dann die Ankergabel in die Richtung der aus den Zähnen herausragenden Palette bis ich einen Widerstand spüre und drücke noch ein wenig gegen den Widerstand an. Dadurch verändert sich die Position des Ankers zur Ankergabel. Das wiederhole ich solange bis das erwünschte Resultat erreicht ist.

Alles ist eingestellt. Jetzt öle ich noch die Lager der Wellenzapfen und es folgt die ...

9. Endmontage des Uhrwerks

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Ich verbinde die kleine Spiralfeder mit der Hammerwelle. Für diese Fummelei benutze ich zwei Pinzetten und halte den kleinen Finger über den Stift auf dem die Feder an der Platine befestigt ist. Falls mir die gespannte Feder aus der Pinzette rutscht vermeide ich so, dass sie durch den ganzen Raum fliegt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet!

Auf der Vorderplatine gebe ich einen Tropfen Öl auf die Minutenwelle und schiebe anschließend das Stundenrad darauf. Von unten setze ich das Wechselrad gegen das Stundenrad in Position. Auf die glatte Stelle der Wechselradschraube gebe ich ebenfalls etwas Öl, fädle sie durch das Wechselrad und schraube sie fest.
Jetzt wende ich mich der Hinterplatine zu, drehe die Pendelverlängerung in die Pendelgabel, hake die Pendelfeder in die Pendelverlängerung, ziehe beides hoch zum Pendelgalgen, schiebe die Pendelfeder in den vorgesehenen Schlitz am Pendelgalgen und fixiere sie mit der vorgesehenen Schraube.

Anschließend muss ich noch drei Stellen am Werk fetten. Dazu benutze ich ein Uhrenfett von Moebius, das ich mit einem Zahnstocher aufbringe. Es geht aber auch anderes Fett oder zur Not wohl auch Vaseline.
Ich fette die Ankerbegrenzung. Das ist der gebogene Draht an der Ankerwelle, der auf dem kleinen Pfeiler an der Rückseite der Vorderplatine ruht. Etwas Fett gebe ich an den Hammerlappen, an der Stelle an der die Auslösenocke auf der Minutenwelle für den Schlag über diesen Hammerlappen gleitet und den Hammer somit spannt.
Ein wenig Fett gebe ich auch an die Pendelverlängerung wo sie in der Ankergabel gleitet.

Das Werk ist jetzt fertig und kann in die Uhr eingesetzt werden. Es folgt die ...

10. "Hochzeit" und Endmontage der Uhr

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Ich fummele das Werk wieder seitlich in das Uhrengehäuse und schraube es vom Uhrenboden aus mit den beiden Werkhalteschrauben fest.
Die Glocke wird aufmontiert und ich probiere, ob es auch schön ping macht. Passt.
Jetzt kommen die Zeiger drauf. Ich gebe ein klein wenig Fett auf das Stundenrohr und drücke/drehe den Stundenzeiger auf das Stundenrohr.
Jetzt setze ich den Minutenzeiger auf und drehe ihn im Uhrzeigersinn bis es ping macht. Ich setze ihn in dieser Position auf die volle Stunde und fixiere ihn mit der Zeigermutter. Jetzt noch den Stundenzeiger auf eine volle Stunde drehen. Fertig!

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Zum Abschluss fädle ich noch die Kette ein. Dabei auf die Richtung achten! Der Haken für das Gewicht muss bei diesem Werk rechts sein!

11. Aufhängen und Einstellen der Uhr

Das "gute Stück kommt neben meine zwei anderen an den Treppenaufgang. Ich richte meine Uhren grundsätzlich mit der Wasserwaage aus und bringe dann an der Wand mit Bleistift zwei kleine Markierungen an. So weiß ich wie die Uhr zu hängen hat und falls ich beim Putzen mal dagegen stoße, muss ich nicht die Wasserwaage aus dem Keller holen.
Pendel einhängen und Gewicht dran und .... den Abfall genau einstellen!

Zur Einstellung des Abfalls vertraue ich auf die optisch/akustische Lösung.
Ich lasse das Pendel in seiner Ruhelage herabhängen und mache im Bereich der Pendelspitze einen kleinen Punkt mit Bleistift an die Wand. Anschließend lenke ich von Hand das Pendel abwechselnd nach links und rechts aus. Bei richtig eingestelltem Abfall soll das Tickgeräusch zu beiden Seiten jeweils in gleicher Entfernung (eigentlich ist es der Winkel) zur markierten Ruhelage des Pendels kommen.
Tut es das nicht, dann nehme ich das Pendel mit der einen und die Pendelverlängerung am Werk mit der anderen Hand und bewege das Pendel in die Richtung in der das Tickgeräusch zu nahe an der markierten Ruhelage erfolgt ist. Ich drücke die Pendelverlängerung am Werk bis ich einen Widerstand spüre ... und drücke ein klein wenig gegen den Widerstand an. Anschließend kontrolliere ich wieder durch Hin- und Herbewegung des Pendels bis der Abfall passt.

Fertig! Die Uhr hängt, tickt und läuft perfekt

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Mein Trio ist komplett.
Ich hoffe der "Revisionsbericht" ist für den einen oder anderen Einsteiger hilfreich und das Lesen hat euch Spaß gemacht.
Warum ich mir die Uhr bzw. dieses Trio überhaupt zugelegt habe schreibe ich an einem anderen Tag.

Schöne Grüße!
Markus

Das ist ja eine richtige Fleißarbeit und ein sehr detaillierter Bericht von Dir. Für die Anfänger, noch ohne Kenntnisse von einen Uhrwerk, sicher auch sehr hilfreich und macht den Forumsnamen alle Ehre.

Frank

Zitat von Mahlekolben im Beitrag #3

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Ich freue mich riesig, endlich eines dieser seltenen Exemplare sehen zu dürfen!

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