Einführung Meine Großuhrensammlung hat zum Ziel, möglichst unterschiedliche technische Lösungen untersuchen und bewahren zu können. Als sammelwürdig betrachte ich unter anderem Uhren mit einem Pendelantrieb nach HIPP. (https://de.wikipedia.org/wiki/Matth%C3%A4us_Hipp)
Kürzlich konnte ich endlich eine solche Uhr in meiner Sammlung begrüßen: Eine Haupt-/Signaluhr der Marke FAVAG.
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Dass FAVAG sich mit diesem relativ wenig verbreiteten System befasst, liegt auf der Hand: Der Name FAVAG A.S. wurde eingeführt, nachdem die Firma Peyer, Favarger & Co. in Konkurs ging. Diese wiederum ging aus dem von Matthäus Hipp gegründetem Betrieb für elektrische Uhren, Telegrafen und elektrische Apparate in Neuchatel hervor.
Überblick Die hier beschriebene Hauptuhr vom Typ "17.3013.031/52" besitzt eine Signaleinrichtung. Aus der "52" in der Typbezeichnung vermute ich das Baujahr. Das ist durchaus wahrscheinlich, denn FAVAG baute bis 1980 das "Chronoscope". Der Firmenname bestand bis 1987.
Die Uhr ist auf einer Aluminiumplatte aufgebaut und wird von einem hölzernen Stülpgehäuse geschützt.
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Für die Verdrahtung wurden kunststoffisolierte Drähte verwendet. Die Isolierung ist ein- oder zweifarbig. Da die Verwendung bestimmter Farben und Farbkombinationen sehr konsequent erfolgte, ist eine Erstellung des fehlenden Stromlaufplans fast ohne Kontrollmessungen möglich.
Die Anschlussklemmen befinden sich am oberen Ende der Grundplatte. Links lässt sich die Netzspannung einspeisen, wahlweise 110 oder 220 Volt. Einen Anschluss für den Schutzleiter sucht man vergebens. Der war einst nicht üblich.
Daneben gibt es zwei Klemmen für den Signalkreis. Dieser ist auch für 220 Volt ausgelegt.
Rechts oben sind die Kleinspannungsklemmen und die zugehörigen Schmelzsicherungen angeordnet.
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Das interne Nebenuhrwerk kann zusammen mit den Signalrädern heraus geklappt werden, so dass man gut an das Minutenwerk gelangt.
Pendel und Pendelantrieb Kern der Uhr ist das Pendel mit einer Kontakteinrichtung nach Hipp. Mit dieser Einrichtung wird erreicht, dass die durchschnittliche Pendelamplitude konstant gehalten wird. Das führt dazu, dass zumindest der Isochronismusfehler des Pendels praktisch eliminiert wird. In einer anderen Beschreibung wurde angegeben, dass der Pendelstab solcher FAVAG-Uhren aus Invar besteht. Damit würde der Einfluss von Temperaturänderungen auf den Gang deutlich reduziert. Ob es zusätzlich noch eine Temperaturkompensation gibt, ist mir nicht bekannt, da ich das Pendel noch nicht zerlegt habe.
Das hier verbaute Pendel besitzt einen Pendelzylinder, macht 90 Halbschwingungen in einer Minute und hat eine Gesamtmasse von 1560 g.
Zum Funktionsprinzip: Das erstmalig manuell angestossene Pendel schwingt aufgrund der steifen Pendelfeder und der Masse des Pendelzylinder recht lange aus. Dabei gleitet das aus Saphir bestehende Prisma (in den vorstehenden beiden Bildern) unter einem gelenkig an einer Kontaktfeder befestigten Stahlmesser hindurch.
Die Spitze des Prismas besitzt eine schmale Kerbe. Irgendwann verringert sich die Pendelamplitude so weit, dass das Prisma nicht mehr komplett unter dem Messer hindurch gleitet. Wenn das Pendel die linke Endlage erreicht, fällt die Messerklinge in die Kerbe des Prismas. Beim Zurückschwingen nach rechts drückt das Prisma die Messerklinge hoch und betätigt dabei einen Kontakt. Dies geschieht unmittelbar, bevor das Pendel seine Mittellage erreicht.
Über den Pendelkontakt erhalten die Spulen des Antriebsmaagneten einen Stromimpuls. Das entstehende Magnetfeld zieht des Weicheisenkern am unteren Pendelende an und gibt so dem Pendel einen Antriebsimpuls. Aktuell erfolgt etwa alle 16 Sekunden ein Impuls. Mittels Einstellschrauben lässt sich die Position des Antriebsmagneten so einstellen, dass der Antriebsimpuls möglichst im Nulldurchgang erfolgt.
Minutenwerk Ein Mitnehmerstift am Pendelstab überträgt die Bewegungsenergie des Pendels auf einen V-förmigen Anker, der mittels Klinkenhebel einmal je Pendelschwingung ein Sperrrad um einen Zahn weiter dreht.
Das Sperrad besitzt 90 Zähne und dreht sich demzufolge einmal in zwei Minuten. Zwei Schaltarme sorgen für einen polwechselnden Minutenimpuls, der eine Pendelschwingung dauert. Aufgrund der Anordnung kann man von einer Präzisionsauslösung sprechen.
Parallel zu den NU-Linien liegt ein 360-Ohm-Widerstand. Dieser dämpft die Selbstinduktionsspannung der angeschlossenen Nebenuhrwerke. Im Ruhezustand werden die NU-Linien kurzgeschlossen. Das sorgt für die Unterdrückung von Fehlschaltungen durch induktive Störungseinkopplung.
Die Uhr ist mit einem eigenen Nebenuhrwerk ausgestattet. Sein Schrittmotor greift über zwei axiale Stifte in das Minutenrad ein und schaltet es so bei jedem Minutenimpuls um eine Zahnlücke weiter.
Da die Stifte des Rotors ständig im Eingriff mit dem Minutenrad stehen, ist dieses zuverlässig gegen Verdrehen gesichert. Es gibt keine zusätzliche Zeigerreibung. Zum Stellen der Uhr muss der Rotor des Schrittmotors durch Druck auf die Rote Blattfeder aus dem Minutenrad ausgerückt werden. Dann ist es möglich, den Minutenzeiger vorsichtig VORWÄRTS (!) zu drehen. Durch Verdrehen in Rückwärtsrichtung werden die Kontakte des Programmschaltwerks beschädigt.
Es ist auch möglich, die Nebenuhr(en) elektrisch weiterzustellen. Dazu wird mittels Knopf ein Wippenhebel an den Minutenkontakten betätigt.
Signalprogramm Die Signalsteuereinrichtung befindet sich auf der Rückseite des Nebenuhrwerks. Ein Trieb auf der Minutenwelle treibt direkt das Tagesrad an.
Auf dem Umfang des Tagesrads lassen sich Schaltstifte für zwei unterschiedliche Programme in Schaltabständen von fünf Minuten anbringen.
Die damit erreichbare Schaltgenauigkeit würde nicht ausreichen. Das Tagesrad legt nur "ungefähr" den Zeitpunkt der gewünschten Signalschaltung fest. Eine minutengenaue Schaltung wird erreicht durch einen Kontakt, der von Schaltstiften auf der Peripherie der Stundenscheibe betätigt wird. Die Stundenscheibe ist auf der Minutenradwelle montiert und kann an 60 Positionen mit Kontaktstiften bestückt werden.
Üblich und voreingestellt sind Schaltabstände von fünf Minuten. Es ist aber durchaus möglich, andere Schaltzeiten festzulegen. Solch eine Vielzahl von Möglichkeiten bietet kaum eine andere mechanische Signaluhr.
Die sekundengenaue Signalgebung erfolgt schließlich durch den Signalkontakt am Minutenschaltwerk. Mittels Nockenscheibe schließt dieser eine Pendelschwingung nach dem Minutenimpuls und öffnet wieder nach etwa fünf weiteren Pendelschwingungen, also nach knapp sieben Sekunden und bestimmt somit die Dauer der Signalgebung.
Wie bereits erwähnt, trägt das Tagesrad zwei Schaltprogramme. Die Auswahl des jeweils aktiven Programms geschieht mit einem weiteren Programmschaltrad.
Dieses besitzt 14 unterschiedliche Stellungen, welche mit "1" bis "14" bezeichnet sind. Das Weiterschalten dieses Rades geschieht täglich gegen 0:20 und um 12:20 durch Stifte am Tagesrad. In jeder Stellung lassen sich bis zu zwei Kontaktstifte setzen. Somit lässt sich für jeden Tag einer Woche festlegen, welches Tagesprogramm vormittags oder nachmittags verwendet werden soll. Auch eine Kombination durch Überlagerung beider Tagesprogramme ist möglich.
Diese Anordnung erscheint zunächst etwas eigenartig, denn andere Signaluhren benutzen eine vormittags-/nachmittags-Umschaltung nur deshalb, weil sich ihre Tagesprogrammscheibe zweimal in 24 Stunden dreht.
Das 14er-Rad dieser FAVAG-Uhr würde es jedoch beispielsweise erlauben, ein "normales" Tagesprogramm von Montag früh bis Freitag mittags zu verwenden und ein "besonderes" Tagesprogramm von Freitag Mittag bis Sonnabend Mittag. Dann könnte Ruhe sein bis Montag früh.
Signalrelais Die Schaltspannung vom Programmsteuerwerk gelangt schließlich zu einem Relais, mit dem der externe Stromkreis für die zu schaltende Aktion geschlossen wird. Sein Kontakt ist sehr robust und dürfte sicher mehrere Ampere schalten können. Die Verdrahtung mit 1 mm² Querschnitt erlaubt maximal 10 Ampere.
Die Relaisbaugruppe besitzt sowohl einen Taster für die manuelle Signalauslösung als auch einen Schalter zum Deaktivieren der Signalgebung.
Außerdem wurde zum Schutz der Steuerkontakte der Relaisspule eine "Freilaufdiode" parallel geschaltet. Dies ist die unter der Schalterplatte befestigte runde Selendiode.
Das Signalrelais ist normalerweise mit einem Isolierstoffgehäuse abgedeckt. Das ist notwendig, denn im Signalkreis können auch 220 Volt anliegen.
Das Prinzip der Programmsteuerung wird durch einen Schaltplan verdeutlicht:
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Spannungsversorgung Der Netztransformator ist für 220 Volt ausgelegt und besitzt eine Pimärwicklung mit Anzapfung für 110 Volt. Die Sekundärwicklung hat vier Anschlüsse (0/8,5/17/34 V). Obwohl auf dem Typenschild 12 V als Nennspannung angegeben ist, werden 17 Volt mit dem Selengleichrichter gleichgerichtet. Diese gelangen über einen einstellbaren Widerstand zur Batterie.
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Die Spannungsversorgung erfolgt bei dieser Uhr nicht unmittelbar durch das Netzteil, sondern durch die Batterie. Das Netzteil sorgt nur dafür, dass die Batterie geladen wird bzw. bleibt (sog. "Pufferbetrieb").
Als Batterie sind original zehn Alkaline-Akkus der Bauform D ("Mono") verbaut. (u.a. unter der Handelsmarke AccuCell bekannt) Mit einer Nennspannung von 1,5 V je Zelle beträgt die Systemspannung somit nicht 12, sondern 15 V. Diese "Akku-Batterien" sind inzwischen tot.
Solche Zellen sind heute nicht mehr erhältlich. Als Ersatz kommen nur noch Akkus auf Basis von Blei, NiMH oder Li-Ion infrage. Ich habe mich für NiMH entschieden.
Um die originale Systemspannung annähernd zu gewährleisten, habe ich nicht 10, sondern 12 Zellen eingebaut. Bei einer Ladeschlussspannung von 1,44 V/Zelle kommt der neue Akku auf 17,28 V und passt damit perfekt zum Netzteil.
Damit die neuen Zellen in die originalen Batteriehalter passen, musste ich allerdings statt Baugröße D die Baugröße C ("Baby") verwenden. Trotzdem genügen die 2000 mAh Akkukapazität für einhundert Tage Betrieb ohne Stromnetz, solange keine weiteren Nebenuhren angeschlossen sind.
Ein sehr schöner und ausführlicher Bericht, auch mit den technischen Details - hab ihn "genossen". Die Uhr selbst ist ja auch sozusagen noch im Neuzustand, Glückwunsch für den Kauf.
Frank
Ich kann von allen ein bissel was - aber nüscht richtsch
Danke für die positive Einschätzung. --------------------------------------------- Hallo Karl,
bei der Recherche stieß ich auch auf Deine Bauvariante.
Aufgrund der geringen Systemspannung wird meine Uhr wohl nicht teil der zukünftigen Uhrenanlage werden. Trotzdem werde ich sie einregulieren, um die Gangeigenschaften kennen zu lernen. Die Montage an einer dicken Kellerwand bei ziemlich konstanter Temperatur (ca. 20 °C) bietet gute Voraussetzungen für konstanten Gang. Deshalb hängen hier mehrere meiner HU.
Eine Wirklich schöne Uhr mit aussergewöhnlichen Antrieb! So was lässt mein Sammlerherz höher schlagen und mich vor Neid erblassen! Klasse beschrieben so könnte der Bericht direkt abgedruckt werden!
Liebe Grüße!
Wohlstand ist, wenn die Menschen mehr Uhren haben als Zeit
Zitat von Enno im Beitrag #4... Die Montage an einer dicken Kellerwand bei ziemlich konstanter Temperatur (ca. 20 °C) bietet gute Voraussetzungen für konstanten Gang. Deshalb hängen hier mehrere meiner HU.
Schade eigentlich. Oder ist der Keller Dein Lebensmittelpunkt? ... Was bei den Uhren ja gar nicht sooo unwahrscheinlich ist.
Ja, der Keller ist tatsächlich mein Lebensmittelpunkt. Hier befinden sich u.a. mein Musikstudio, PC-Arbeitsplatz und Kleinuhrenarbeitsplatz. Es sind aber noch ausreichend viele Uhren an anderen Stellen im Haus verteilt, wo man sie täglich betrachten kann.
Die Auswahl der Uhren-Aufstellorte musste sich auch nach dem von den Uhren verursachten Geräuschpegeln richten. Die lautetste ist die Gents C7, die sich seit mehreren Jahren provisorisch im Korridor der Wohnung befindet. Der für sie vorgesehene Platz im Keller ist aus anderen Gründen noch nicht frei.
Ich habe noch einen Nachtrag zur Uhrenbeschreibung zu machen:
Gerade habe ich entdeckt, dass sich die Dauer eines Signalimpulses doch verstellen lässt. Die Nockenscheibe besteht aus zwei übereinander liegenden Nockenscheiben. Eine ist fest mit der Welle des Minutenwerks verbunden und legt den Einschaltzeitpunkt fest. Darüber befindet sich eine weitere Nockenscheibe, die nach dem Lockern zweier Schrauben verdrehbar ist. Damit wird der Ausschaltzeitpunkt festgelegt.
Mit den übereinander liegenden Nockenscheiben wird eine "UND-Verknüpfung" erzielt: Das Signal ist aktiv, wenn der Tastnocken der Kontaktfeder in ein gemeinsames Tal beider Nockenkurven fällt.
Für die Kybernetiker biete ich hier die alternative Logik-Variante: Mit den übereinander liegenden Nockenscheiben wird eine "NOR-Verknüpfung" erzielt: Das Signal ist inaktiv, wenn der Tastnocken der Kontaktfeder durch eine der beiden Nockenscheiben angehoben wird.
Die Ausschnitte beider Teile erlauben damit eine Signaldauer zwischen etwa 3 und 30 Sekunden.
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29.09.2019 11:13 (zuletzt bearbeitet: 29.09.2019 11:32)
Antworten
ist tatsächlich mein Lebensmittelpunkt. Hier befinden sich u.a. mein Musikstudio, PC-Arbeitsplatz 
und Kleinuhrenarbeitsplatz. 
