Hallo Anna,

das wichtigste für eine funktionstüchtige Unruhwelle ist, dass die Ansätze auf beiden Seiten des Tellers für den Unruhreif absolut konzentrisch sind.
Dazu gibt es -wie Matthias (Alberich) schon geschrieben hat- grundsätzlich zwei verschiedene Methoden, eine Unruhwelle zu fertigen:

a) die in Glashütte traditionell angewandte Methode des "fliegend Drehens": Dabei wird das Rohmaterial in der Spannzange gespannt und ohne jemals um- oder auszuspannen die komplette Welle am Stück gedreht, wozu man dann natürlich sowohl rechte als auch linke Drehmeißel benötigt (oder den Drehstuhl umdrehen muss); nicht ganz einfach ist es dabei, die Längenmaße vernünftig nachzuhalten, da ja jedes ausspannen den Rundlauf empfindlich stören kann; Ebenso "gefährlich" ist, dass die Welle zum Schluss ja zwangsläufig nur noch durch den Zapfen am Material gehalten wird, man also sehr vorsichtig arbeiten muss, damit sie dort nicht abbricht

b) das Drehen zwischen Spitzen (das ältere der beiden Verfahren), wird hier ganz toll beschrieben (leider englisch): http://great-british-watch.co.uk/how-to-...-balance-staff/
zunächst werden zwei 60°-Spitzen angedreht, sodass man die Welle zwischen zwei Hohlspitzen spannen kann; dann wird ein Mitnehmer ("Drehherz" oder "Fisch") an der Welle befestigt, sodass ein angetriebener Mitnehmerfinger die Welle in Drehung versetzen kann. Dann kann man die entsprechenden Absätze andrehen.
Durch die Spitzen ist es jederzeit möglich, die Welle zum Beispiel zum Messen auszuspannen; beim erneuten Einspannen läuft sie garantiert wieder vollkommen zentrisch (im Gegensatz zur Spannzange); klassischerweise erfolgt der Antrieb über ein Handschwungrad

Zum Drehen empfiehlt sich bei beiden Methoden außerdem jeweils noch ein "spitzer" Handstichel zum Andrehen des Nietkragens, mit dem man dessen Grund sauber ausarbeiten kann...

Anschließend werden die angedrehten Zapfen noch druckpoliert bzw. "rolliert" und arrondiert; das passiert üblicherweise wiederum mit einer eigenen kleinen Apparatur, dem Rollier-Stuhl...

EDIT: ach ja, wenn man die Welle bereits aus blauhartem Stahl dreht ist zwar die Bearbeitung etwas anstrengender (Stichel werden schneller stumpf und müssen nachgeschliffen werden; mit Hartmetall aber auch kein Problem), man umgeht aber die mannigfaltigen Gefahren des Härtens

Liebe Grüße,
Matthias


PS: nur interessehalber: machst du deine Ausbildung eigentlich an der Alfred-Helwig-Schule, an der staatlichen Schule in Dippoldiswalde oder bei A. Lange & Söhne?

Hallo

Hier eine Anleitung zum Drehen aus einem Stück.
Kann natürlich auch verwendet werden, wenn die Welle umgesteckt wird:

Scan0001.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Gleich noch eine Anleitung für Stellwelle, kommt sicher auch noch auf dich zu:

Scan0002.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Ich habe wie auf der Anleitung immer mit zwei verschiedenen Handstichel gearbeitet. Einem normalen mit Rautenform, und einen mit angeschliffenen 90° Winkel für die Ansätze. Als Material nehme ich Silberstahl.

Gruß hermann