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Hi in die Runde,

Laternenuhren sind beliebt wegen der "historischen Anmutung", werden aber auch von Leuten mit zumindest ein wenig Wissen meist mit großer Vorsicht betrachtet. Weil es so viele mehr oder weniger moderne Reproduktionen gibt, auch richtig gut gemachte. Hier ein Beispiel, wo der Verkäufer die Entstehung auf Anfang der 1900er schätzt, m.E. ist es eher Nachkrieg. Dem Insider verräterisch ist neben anderen Details zuallererst die Signatur. Dieser Verkäufer setzt dafür einen realistischen Preis an, der für ein solch gut reproduziertes Werk durchaus angemessen ist. Oftmals ist das aber leider nicht so, und ein eher unkritscher Käufer bekommt für viel mehr Geld eine Repro unter gejubelt.

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Wem es nur auf die Anmutung ankommt, kann beispielsweise die Uhr aus dem Link bedenkenlos kaufen, es gibt sie natürlich auch anderswo zu ähnlichen Preisen. Man braucht nur "Laternenuhr" und "Moore" googeln.

Wer sich für (englische) Laternenuhren aus dem 17. und 18. Jahrhundert interessiert, sollte sich dagegen unbedingt das Buch "George White, English Latern Clocks" besorgen und gründlich studieren. Das Buch ist zwar nur antiquarisch und zudem reichlich teuer zu erwerben, aber diese Investition ist "nachhaltig" (eine Neuauflage wird nicht erfolgen und der Wert daher bleiben) und allemal besser investiert, als Lehrgeld für eine Imitation oder eine zwar mehr oder weniger originale, aber heftig modifizierte Uhr zu verplempern.

Ich habe unlängst die folgende Uhr erworben, die sich dadurch auszeichnet, dass sie vergleichsweise sehr original ist. Eine Besonderheit ist, dass das Pendel zwischen Gehwerk und Schlagwerk angeordnet ist. Das Pendelgewicht hat eine Ankerform und schwingt seitlich über die Seitentüren hinaus. Das begründet ein Fragezeichen, denn diese Ankerform war oft (= nicht immer) ein Umbau des 18. Jahrhunderts. Falls es ein Umbau ist, dann sind auch die Ausnehmungen in den Seitentüren eine Modifikation. Der größere Teil der bekannten originalen Uhren aus dem 17. Jahrhundert hatte ein tropfenförmiges Pendelgewicht, wobei der Pendelausschlag innerhalb der Seitentüren verblieb. Die Ankerform soll eine Modeerscheinung gewesen sein, man konnte dadurch den Betrieb des Pendels betrachten, weil das Gewicht ja rechts und links beim Schwingen hervor trat. Recht gesichert ist, dass Laternenuhren mit seitlichen Flügeln hinter dem ankerförmigen Pendel praktisch immer nachträgliche Ergänzungen sind.

Bei meiner Uhr sind dagegen solche Flügel nicht vorhanden und waren offenbar auch nie montiert (keine offenen oder verfüllten Löcher). Ob das ankerförmige Pendelgewicht und die Ausnehmungen in den Seitentüren original sind, oder einem Umbau nach einigen Jahrzehten geschuldet, wird kaum sicher klärbar sein. Tendenziell ist es nach "herrschender Lehrmeinung" nicht original so.

Ergänzt/ersetzt wurden sicher die Rückwand und ein paar Schrauben. Ansonsten ist alles andere höchstwahrscheinlich absolut original. Nebenbei bemerkt, dass die seitlichen Zierelemente, oben, nicht graviert sind, ist richtig so. Wären sie graviert (so wie vorne), dann wären dagegen Bedenken angebracht.

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Natürlich habe ich vorher auch gründlich recherchiert. In einschlägigen Nachschlagewerken ist der Uhrmacher gemäß Signatur nicht zu finden. Aber. In Archiven von Essex wird man fündig, und zwar mit einem Testament. Dass in dieser Gegend gemäß Signatur und mit diesem Namen ein weiterer "Clocksmith" existierte, ist reichlich unwahrscheinlich. Ongar oder Onger oder Ongher war ein Teil von Shelley, ca. 45 km von London, was damals als "provincial" qualifizierte. Und man findet auch weitere Dokumente, wonach John Gibson ein respektabler Bürger war und zeitweise auch Teil einer örtlichen Gerichtsbarkeit.

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Dies, zusammen mit allen stilistischen Merkmalen, läßt den sicheren Schluß zu, dass es dieser John Gibson war, der diese Uhr baute. Bauweise und stilistische Merkmale lassen vermuten, dass sie um 1695 entstand, vielleicht auch eher zum Ende dieses Jahrzehntes.

Die eingangs genannten kritischen Vorbehalte drücken auch die Preise für echte und weitgehend originale frühe Laternenuhren, wenn auch auf ein Preisniveau deutlich oberhalb der Preise für die modernen Repros.

Später habe ich dann auch entdeckt, dass offenbart eine nahezu identische Uhr dieses Uhrmachers existiert, allerdings mit heftiger Restaurierung und vielen Ergänzungen.