Nachdem hier immer wieder die Diskussion aufflammt, ob die Methoden der Reinigung, Reparatur, Ergänzung oder Austausch von Bauteilen bei einer Uhr, sei es nun Werk und/oder Gehäuse im Sinne einer Restauration sind oder nicht, möchte ich das Thema in einem eigenen Beitrag behandeln.

Zuerst mal müssen wir uns einig sein, dass alles erlaubt und nichts verboten ist, die Frage ist lediglich die Zielsetzung der getroffenen Maßnahmen. Anders als bei Gebäuden, die unter Denkmalschutz gestellt werden können, trifft das bei Uhren im Privatbesitz nicht zu. Oder anders ausgedrückt: Wenn die Mona Lisa mir gehört, darf ich ihr auch einen Schnurrbart draufpinseln wenn mir das gefällt. Auch die museale Konservierung ist ein anderes Thema, die meisten Museumsstücke werden meistens wegen Geldmangel nur vor dem weiteren Verfall geschützt. Gerade bei Uhren ist es selten der Fall, dass sie auch wirklich die Zeit anzeigen.

Natürlich krampft es mich innerlich zusammen, wenn jemand ein altes Uhrwerk gegen ein Batteriewerk ersetzt, wenn er aber Spaß am Gehäuse hat und ihm der Inhalt egal ist, ist es sein gutes Recht. Dann sprechen wir aber von einer neuen zweckmäßigen Verwendung, näher dem Ruinieren als Reparieren. Auch der Wert des Objekts sinkt mit einer solchen Maßnahme drastisch. Wobei wir bei der Grundfrage angelangt sind: Was will ich erreichen?

Funktion: Nachweislich funktioniert eine Uhr mit jedem Werk, mit einem Funkwerk sogar genauer als mit jedem mechanischen Werk.

Optik: es gibt Leute, die streichen Gehäuse weiß an und nennen es „Shabby schick“ – Über Geschmack lässt sich streiten.

Wert: Jetzt wird es spannend, hier ist es vorbei mit Austauschwerk und anpinseln, jetzt müssen wirklich zielgerichtete Maßnahmen getroffen werden.
Sicher ist, dass eine komplette originale Uhr (sowohl Werk und Gehäuse) im funktionsfähigen Zustand den höchsten Wert repräsentiert. Da die Stücke aber meiste mehrere Besitzer, Kriege und sonstige Katastrophen durchgemacht haben, werden wir solche kaum finden, oder glaubt jemand daran, dass bei einer 100 Jahre alten Pendeluhr noch die original Darmsaiten dran sind?

Jetzt stellt sich die Frage, wie gehe ich mit einer Uhr um, deren Wert ich erhalten möchte? Niemand stößt sich dran, wenn Darmsaiten durch eben solche ersetzt werden. Schlimmer wird es mit Nylonsaiten, ja selbst geflochtene Angelschnüre haben wir schon gesehen. Funktion getroffen aber Thema verfehlt…

Anders sieht es schon bei der vielgepriesenen PATINA aus!

Die Patina ist eine Schicht, die aus den Verwitterungsprodukten der Oberfläche, Sedimentation von Schwebteilchen der Luft (Staub, Aerosolen) sowie den chemischen Reaktionsprodukten dieser Stoffe entsteht

Mit anderen Worten: Jahrzehnte/hunderte alter Schmutz – lassen oder putzen?
Hier scheiden sich die Geister, definitiv muss aber im Rahmen der Restauration und Reparatur auch gereinigt werden. Das sehen mittlerweile auch Museen ein. Ein Beispiel ist die Astronomische Kunstuhr des David a Sancto Cajetano im Uhrenmuseum in Wien. Diese wurde komplett zerlegt, gereinigt und zusammengebaut. Blitzblank leuchteten die Zahnrädchen:

Uhrenmuseum Wien 287.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Wie man dem Schmutz zu Leibe rückt ist dann die nächste Frage, wobei Sand- oder Glasstrahlen sowie Drahtbürsten bei Restaurierungen verpönt sind, tragen sie doch zu viel Material ab. Eisstrahlen wäre eine tolle Sache, ist aber nichts für die Heimwerkstätte. Dabei wird Trockeneis (CO2) verwendet und nur die Farbschicht abgetragen. Wir haben das in der Firma für Präzisionsteile verwendet wo jeder Mikrometer zählt, das Ergebnis war eindeutig: Farbe weg, Metall ohne Abtrag!

Dann helfen oft nur Chemie und Muskelkraft, manchmal auch Polierscheiben und Trowalisiertrommeln. Egal für welche Methode man sich bei einem Werkstück entscheidet, ausschlaggebend ist, was man damit erreichen möchte (oder was nicht), und das ist oft eine Frage von Kraft, Stärke und Zeit. Die Dosis macht es, und da kann man auch mit einem Lappen ein Loch ins Metall polieren, braucht halt etwas lange… Auch beim Trowalisieren gibt es unzählige verschiedene Schleifkörper und Compunds wobei man mit einigen mehr als nur den Schmutz zum Verschwinden bringt. Hier sind die richtige Wahl der Hilfsmittel und die Zeit von großer Bedeutung.

Wir verwenden zB, von Rösler: Compound FC120, Gleitschleifkörper RP01/03ZS

http://www.rosler.info/

Auch bei der Wahl von Klebstoffen sind sich nicht alle einig, Fakt ist aber, dass sich bei Holzleim mittlerweile moderner Leim gegen den alten Knochenleim in vielen Bereichen durchgesetzt hat und Superkleber nach wie vor verpönt ist. Frage ist hier wie immer die Zielsetzung, will man eine reversible Verklebung muss man auf den guten alten Knochenleim zurückgreifen.

So, genug für´s erste, jetzt bin ich auf Eure Meinung und Erfahrung gespannt…

Nettes und spannendes Thema.
Nebenan läuft gerade das Trowlisiergerät mit keramischen Schleifkörpen und Compound bestückt.
Das Ergebnis ist erstaunlich und die Messing und Stahlteile erstrahlen im neuen Glanz.
Dieses Verfahren allerdings wende ich lediglich bei unlackierten Oberflächen an.
Eine Nachbehandlung mit mikrokristallinem Wachs verhindert ein Anlaufen.
Hochwertige Werke mit originaler Oberflächenbeschichtung wasche ich händisch in Seifenlauge.
Ultraschall Reinigung ist bei mir eher verpönt.
Dann doch lieber Reinigungsbenzin zum Fett lösen und anschließendes waschen in Seifenlauge.


LG

Beim Thema "Restaurieren" muß ich immer an mein Erlebnis mit Aha-Effekt denken: Ich stand Anfang der 2000er in einer im Mittelalter gebauten Kirche, die die Russen zum Ende des Weltkrieges als Artilleriezielscheibe genutzt und fast zerstört hatten. 60 Jahre später war eigentlich nur das Dach gemacht, um der Witterung zu trotzen. Der Rest sah aus, wie 1945. Was war geschehen? Man war sich einig, die Kirche zu restaurieren. Aber: Man konnte keinen Konsens finden, welchem Zeitalter entsprechend die Restaurierung erfolgen sollte. Etwa zum Errichtungszeitpunkt? Oder zum Zeitpunkt eines bedeutendem Umbaus? Oder dem nach einer Restaurierung nach einem verheerenden Brand? Oder wie es 1945, kurz vor der Zerstörung war? Jeder Zeitpunkt konnte begründet werden, keiner war falsch.

Ähnlich ist es bei unserem Problem hier: Je älter eine Uhr ist, je öfter sie repariert wurde, desto mehr entfernt sie sich vom Originalzustand. Will man den wieder herstellen, muß die Patina runter vom Gehäuse und ersetzte Teile müssen mit Ersatzteilen aus Schlachtwerken ersetzt werden. Holzarbeiten mit alten Werkstoffen (Leim, Schellack), möglichst mit orginalen Techniken. Oder man nimmt den letzten Zustand: Man macht das Werk gangbar und wischt den Staub ab. Das sind die beiden Endpunkte der Skala.

Hallo

Ich bin da eher konservativ.
Trowalisieren finde ich persönlich schon zu übertrieben. Auch wenn die Ergebnisse sehr schön sind, kommen mir danach einige Teile wie "abgelutscht" vor, besser kann ich es leider nicht beschreiben.
Ich restauriere nur die Abnutzungen, schwere Verunreinigungen werden sanft mit Giselputz entfernt, Rost so schonend wie möglich.
Den Rest macht dann der Ultraschall mit der roten Elma.

Aber wie gesagt, das ist meine persönliche Ansicht.

Gruß hermann

Ich bin wiederum ein Fan vom Trowalisieren. Diese Technik umfasst eine enorme Bandbreite. Angefangen von ganz sanfter Reinigung über Entgraten von Werkstücken bis hin zum Rundschleifen von Edelsteinen.
Deswegen ist hier eher die Frage mit welchen Mitteln (Art, Menge und Dimensionen des Trommelinhalts und des zugesetzte Compounds) und wie lange trowalisiert wird, denn das bestimmt am Ende das Ergebnis.
Wenn du "Abgelutschte" Teile siehst die aus einer Trowalisiermaschine kommen, waren da womöglich zu aggresive Gleitschleifkörper drin oder der Prozess wurde zu lange angewendet oder das Kompound war nicht für dieses Material geeignet oder auch das Aussehen der Teile war so gewünscht. Es gibt da unzählige Variationsmöglichkeiten die sich alle mehr oder weniger stark auf das Ergebnis auswirken.
Ich hatte da ein "Aha-Erlebniss" mit ganz zarten Uhrmachergravuren auf den Werksplatinen. Beim Handpolieren waren die feineren immer nach ein paar mal drüberwischen mit diversen Poliermitteln (Sidol, Elsterglanz,..) unleserlich oder ganz weg. Nach 5 Stunden lauf in der Trowalisiermaschine sind die Platinen aber sauber, glänzend und auch die feinsten Gravuren immer noch unverändert lesbar.
Ich schließe also daraus das trowalisieren, mit der Kombination und Dauer die ich verwende, für die Werksteile einer Uhr wesentlich schonender ist als eine Handpolitur.

lg Christian

Zitat von steffl62 im Beitrag #5

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Ich hatte da ein "Aha-Erlebniss" mit ganz zarten Uhrmachergravuren auf den Werksplatinen. Beim Handpolieren waren die feineren immer nach ein paar mal drüberwischen mit diversen Poliermitteln (Sidol, Elsterglanz,..) unleserlich oder ganz weg. Nach 5 Stunden lauf in der Trowalisiermaschine sind die Platinen aber sauber, glänzend und auch die feinsten Gravuren immer noch unverändert lesbar.
Ich schließe also daraus das trowalisieren, mit der Kombination und Dauer die ich verwende, für die Werksteile einer Uhr wesentlich schonender ist als eine Handpolitur.

lg Christian

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Hallo Hermann,
zu Giselputz kann ich jetzt gar nix sagen, davon hör ich heute zum ersten mal. Ich wollte nur mal drauf hinweisen das man Trowalisieren nicht einfach so pauschal ablehnen darf. Die Ergebnisse sind da völlig von der Art der Anwendung abhängig und nur weil man mal ein schlechtes Ergebnis gesehen hat heißt das noch lange nicht das der Prozess selbst ungeeignet ist. Sonst dürfte ja auch kein Mensch mehr was schweißen oder hartlöten. Da gibt es auch jede Menge Negativbeispiele.

lg Christian

Hallo zusammen,

ich kann Christian nur beipflichten. Das Trommelpolieren ist bei entsprechender Anwendung eine sehr schonende Reinigungsart. Ich habe Teile mit leichten Gratansatz Testhalber getrommelt, diese waren nach zwei Stunden sauber, jedoch war der Grat immer noch in der gleichen Stärke vorhanden. Es ist jedoch auch möglich, bei entsprechenden Einsatz von aggressiven Schleifkörper die Kanten derart zu abzurunden, dass es unansehnlich wird.
@ Herrmann,
danke für den Tipp, das werde ich probieren. Das Schöne an unserem Hobby ist ja, dass man immer dazulernen kann, wenn man gewillt ist andere Vorgehensweisen zu probieren und für sich zu bewerten.

Gruß,
Dieter

Hallo

Was gut sein kann, das sich die Technik und Verfahrensweise seit den Ende 90ern verfeinert hat. Damals hatte ich für einige Monate eine Maschine, die ich dann aber wieder verkauft habe.
Was auch noch dazu kommt, als Selbständiger muss man auch eine Zeit/Kosten/Nutzen Rechnung in Betracht ziehen.

Gruß hermann

Tolles Thema.
Schon aus den Anfangsbuchstaben der Überschrift könnte man einen neuen Fachbegriff herleiten. "3RKoR"

Selbst wenn man nur die Uhr isoliert betrachtet, fällt ein Konsens nicht leicht.

Setzt man die Uhr dann noch in Beziehung zu seinem Eigentümer und dessen Vorstellungen die vom einfachen Gebrauchsgegenstand, dekorativem Objekt, emotionalen Objekt (Erbstück, Sammlung, Hobby…) bis hin zur Wertanlage reichen können, gibt es die unterschiedlichsten Ansichten.

"Wer zahlt, schafft an" und bestimmt das Schicksal seiner wehrlosen Uhr.

Gruß min24V

In Museen wird halt hauptsächlich Wert darauf gelegt die Objektgeschichte zu erhalten.
Sprich Feil- und Rostspuren sollen erkennbar bleiben. Aber loser (roter) Rost dabei entfernt werden. Wir verwenden dazu Walnußschalengranulat, das mit 2 Bar aufgeblasen wird. Dabei wird der Rost abgetragen aber die Riefen die er hinterlässt bleiben erhalten.
Sollen zum Beispiel teile ergänzt werden, dann werden diese entsprechend gekennzeichnet, damit man erkennt, dass sie nicht original zum Objekt gehören.
Ganz zum Schluss wird das Objekt bzw. die Teile mit Cosmoloid H80 konserviert, damit keine Feuchtigkeit mehr an die Oberfläche gelangen kann.

Übrigends: "Original" bedeutet bei uns "so wie ins Museum gekommen"
Sprich auch wenn schonmal etwas zum Objekt dazugebastelt wurde bevor es ins Museum kam, ist das (für uns) der Originalzustand.

Da wird dann eben unterschieden in "Objektgeschichte erhalten" und "Ursprungs- oder Auslieferungszustand wiederherstellen".
Letzteres macht ein Museum nicht. Eher wird dann ein Objekt 1:1 nachgebaut um zu zeigen wie es einmal ausgesehen oder funktioniert hat.

Eine ganz andere Geschichte ist es dann natürlich wenn der Kurator sagt: Ich will, zum Beispiel eine Uhr, wieder laufen haben, in der Ausstellung.
Dann MUSS Natürlich in die Objektgeschichte eingegriffen werden! (Lager ersetzen, Teile polieren, etc.)

Jeder kann mit seinen Sachen machen was er will.
...Und jeder kann das Tun eines anderen mit dessen Sachen schade oder schön finden.

Zitat von min24V im Beitrag #10

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Tolles Thema.
"Wer zahlt, schafft an" und bestimmt das Schicksal seiner wehrlosen Uhr.
Gruß min24V

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Das interessante Thema dieses Threads ist aufgrund der teilweise sehr unterschiedlichen Auffassungen von (z.T. nur zeitweiligen) Uhrenbesitzern dazu geeignet, diskutiert und auch zer-diskutiert zu werden.

Mit "zeitweilig" meine ich jene, die eine alte Buffetuhr finden, die nicht mehr funktioniert, mit einem Quarzuhrwerk bestücken und als "antike Uhr in Top-Zustand" verkaufen wollen. Andere bauen Funkuhrwerke in Nebenuhren ein und verkaufen die Objekte dann als "Nebenuhr - läuft ohne Mutteruhr Steueuhr Hauptuhr Schuluhr Werkuhr ...".

Ich erfreue mich beispielsweise am Anblick alter (nicht antiker) Uhren, denen man ihr Alter auch ansehen kann. Daneben besteht immer das Ziel, die Funktion des Uhrwerks zu erhalten.

Wenn ich dann Hand anlege, um eine gewisse Auffrischung eines verschmutzten Gehäuses vorzunehmen, wird man nach der Behandlung immer noch die Schrammen vom Haken der Gehäusetür oder den Abrieb an Gehäuseecken vorfinden. Aber der Schmutz ist runter und die Versiegelung mit verdünntem Schellack lässt die Holzoberfläche weiterhin natürlich aussehen.

Wurde jedoch farbiger oder Klarlack aufgetragen, zählt das für mich nicht als erhaltenswerter Zustand.

Durch Alterung angelaufene Messingteile der Gehäuse poliere ich nur, wenn die Korrosion schon Grünspan gebildet hat. Ansonsten finde ich es natürlich, wenn das Metall dunkel geworden ist und an den Stellen hell oder blank, an denen es oft angefasst/benutzt wurde.

Schwarz lackierte Zeiger müssen nicht stets gebläut werden, denn bei vielen alten Hausuhren waren die Zeiger eben nur schwarz lackiert. Selbst meine alte Siemens-HU hat nur geschwärzte Zeiger. Dann lasse ich sie auch schwarz.

Bei den meisten der bisher von mir überholten Großuhren waren die Werkplatten und Räder blank. Manche waren so blank, dass sie mich schon nach der Grob-Reinigung mit "elma 1:9" mit perfektem Hochglanz überraschten.
Die Werke einiger meiner "Patienten" haben aber eine Patina-ähnliche dunkle Färbung, aber eine matte Oberfläche, wie ich sie eher vom Glasstrahlen kenne. Und das war bestimmt um 1890 noch nicht üblich. Wie soll man mit solchen Objekten verfahren?

Roland

Heute bin ich wieder mal an dieser Uhr vorbeigefahren.

es.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Die bauen ja so schönen Uhren nach klassischen Vorbildern und haben auch Uhrenbausätze im Angebot. Aber die Preise. Schon die Option für eine Hand voll polierte Schrauben kostet mehr, als viele Uhren vom Trödel.
Da fällt es dann wieder ganz leicht, alte Uhren nach dem Motto "pimp my clock" preiswert zu gestalten.