Kürzlich habe ich sehr günstig einen Regulator erworben, bei dem Pendel, Pendelfeder und Gewicht fehlten. Mir war die Anzeige durch die filigranen Zeiger aufgefallen, die - ebenso wie das schlichte Gehäuse - sehr nach meinem Geschmack sind.
Das ungemarkte Werk hat dünne Räder und feine Zapfen (ca. 0,5 mm), Gegengesperr, eine Darmsaite und 8 Tage Gangdauer. Die Walze ist ohne Rillen. Das Zifferblatt hat 18,5 cm Durchmesser. Auch seitlich hat das Gehäuse auf der gesamten Höhe Glasscheiben. Auf beiden Seiten der Wölbung auf der Kranzleiste sind Löcher, an denen möglicherweise auch Zierzapfen befestigt waren.
Inzwischen habe ich viele Bilder von Wiener Regulatoren im Web gesichtet, um etwas Ähnliches zu finden. Dabei bin ich auf den Namen "Wenzel (auch Winzel) Schönberger" gestoßen, der ab 1847 in Wien als Uhrmachermeister tätig war.
Merkmale, die ich bei mehreren seiner Uhren sah:
- relativ breite Abfallverstellung mit sehr kleinen Rändelschrauben - schwach trapezförmige Platinen, die oben gewölbt sind - Ankerkloben mit halbkreisförmiger Ausragung nach oben - Werkstuhl mit 4 Pfosten - zarte Zeiger
Nach der Anlieferung habe ich ein halbwegs passendes Pendel an eine sehr schmale Pendelfeder gehängt und die Uhr getestet. Sie läuft sehr leise mit geringer Amplitude. Anfangs hatte ich als Antrieb 1,2 kg eines anderen Regulators angehängt. Die Uhr läuft aber auch mit 300 g. Nun betreibe ich sie mit 600 g.
Hallo Enno, sehr schöne Uhr die Du da ergattert hast! Das ist genau unser Sammelgebiet und deshalb hab ich auch zwei Ähnliche ungefähr aus der gleichen Zeit. Ich würde diese Uhren so zwischen 1860 und 1870 einschätzen. Nicht mehr wirklich Biedermeier aber auch noch nicht Gründerzeit. Die Zuordnung zu einem bestimmten Uhrmacher ist ohne Beschriftung glaube ich nicht seriös möglich, dafür gab es einfach zu viele davon. Meine haben beide auch 18cm Zifferblätter aber sieh einfach selbst: IMG_20160228_111011.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Der Tragstuhl ist hier wie bei Deiner nur hier ist die Pendelfeder wesentlich länger und mit dem Pendel fix vernietet. IMG_20160228_111120.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Hier das Zifferblatt auch mit sehr feinen Zeigern und noch mit einer randrierten Lünette, einem Überbleibsel aus der Biedermeierzeit. Gemarkt ist diese hier von Joseph Thoma der, lt. Abeler, seine Meisterprüfung am 10.01.1858 in Wien abgelegt hat. IMG_20160228_111146a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Hier noch die Rückseite des Werks und ein Bild von der Seite. Eine nicht ganz so breite Abfallverstellung wie bei Dir aber auch hier ist die Walze ohne Rillen und der Ankerkloben mit der halbkreisförmigen Ausragung. Der Anker selbst ist aus einem Stück gefertigt und am Ankerrad weit übergreifend. IMG_20160228_111159a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) IMG_20160228_111302.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Und hier Nummer 2: Hier gibt es leider auch keine Kennzeichnung und im Gegensatz zu Deiner ist hier noch ein hölzerner Tragstuhl zu finden. Ebenfalls wieder eine sehr lange Pendelfeder die am Pendel fix vernietet ist. IMG_20160228_111439a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) IMG_20160228_111518a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Zifferblat wieder mit feinen schlanken Zeigern die auch im Biedermeier so schon zu finden waren aber hier bereits eine glatte Lünette wie später in der Gründerzeit üblich. IMG_20160228_111549a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Bei der Rückseite des Werks findet sich wieder unser Ankerkloben mit der halbkreisförmigen Ausragung. Hier ist jetzt auch so eine breite Abfallverstellung wie bei Deiner Uhr. IMG_20160228_111604a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
und ein Bild von der Seite.: auch hier ist die Walze ohne Rillen und der Anker aus einem Stück gefertigt und am Ankerrad auch wieder weit übergreifend. IMG_20160228_111639a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Das mit dem 600g Gewicht ist durchaus O.K. Bei unseren beiden ist es einmal 880g und einmal 860g aber umso leichter umso schonender für das Werk. Den Pendelstab würde ich an Deiner stelle schwarz beizen. Die hölzernen waren zu der Zeit glaub ich immer schwarz. Wenns noch Fragen gibt einfach stellen.
lg Christian
P.S: Der Schlüssel gehört eigentlich zu einer Hausherrrenuhr, zu Deiner gehört eine Kurbel.
das sind schon mal ein paar gute Bilder für den Vergleich. Vielen Dank dafür.
Wie die Pendelfeder bei meinem Regulator aussah, bleibt leider im Dunkeln.
Ergänzen kann ich dazu, dass die Pendelfederaufnahme nicht gekerbt, sondern etwa 5 mm breit flach gefräst ist. Dadurch besteht immerhin die Möglichkeit, die Pendellinse parallel zur Gehäuserückwand auszurichten. Deren Abstand ist ja nur 5-8 mm.
Die Breite der originalen Pendelfeder muss unter 7,5 mm gelegen haben. Weil ich etwas passendes nicht hatte, habe ich für den Test eine Pendulenfeder (ca. 6 mm breit) verwendet. Die ist natürlich zu lang, wodurch die Uhr aktuell 5 min/d nach geht.
Eine Zuordnung zu einem Hersteller anhand von äußeren Merkmalen ist sicher sehr fraglich, aber die einzige Möglichkeit ohne Markung. Das wird also ein "Indizienprozess". Anfangs hatte ich die Spur in Richtung Lenzkirch verfolgt, aber dafür sind die Unterschiede zu groß.
Bei meinem Regulatorwerk fällt auch auf, dass die Löcher der hinteren Platine zum Einhängen in den Werkstuhl nicht die ausgeprägte Führungsnut haben, wie bei Deinem Beispiel 1, sondern eher tropfenförmig sind.
Außerdem finde ich die Befestigung der Lünette sehr ungewöhnlich. Anscheinend sind 4 Messinglaschen von innen an der Lünette angelötet, wurden dann hinten nach innen umgebogen und mit Stiften oder Schrauben in der Grundplatte fixiert. Solch eine Befestigungsart hatte ich noch nicht gesehen.
Auch ohne konkreten Herkunftsnachweis freue ich mich sehr über diese Uhr. Das Gehäuse ist noch in einem sehr guten Zustand. Es gibt keine Holzwurmlöcher. Die Rückwand ist aus 4 Teilen zusammen gesetzt. Die Leimfugen sind teilweise gerissen. Wenn die Oberfläche noch aufgefrischt wird, findet die Uhr einen Platz in der Wohnung. Eine grundsätzliche Ablehnung habe ich von meiner Regierung noch nicht erhalten.
Hallo Roland, ich hab Dir noch 2 Fotos von den Pendelaufhängungen gemacht. So ungefähr wird das bei Deiner beim Originalpendel auch ausgesehen haben: IMG_20160228_200500a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) IMG_20160228_200734a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Von Lenzkirch sind die Uhren auf keinen Fall, da hatten die Werke für Gewichtsregulatoren eine ganz markante Ankerbrücke mit nur einer Schraube auf der linken Seite und da waren vor allem auch alle gemarkt.
danke für diese Fotos. Sie sind für mich eine echte Überraschung! Solch eine Pendelaufhängung sehe ich zum ersten Mal. Da erklärt sich auch die flache Oberseite der Pendelaufhängung.
Diese Konstruktion halte ich für sehr zweifelhaft. Da ist ja ein schlingerndes Pendel fast vorprogrammiert, weil die Pendelfeder sich nicht selbst gerade richten kann. Mal sehen, wie ich damit klar komme.
Zitat von steffl62 im Beitrag #4... Von Lenzkirch sind die Uhren auf keinen Fall, da hatten die Werke für Gewichtsregulatoren eine ganz markante Ankerbrücke mit nur einer Schraube auf der linken Seite und da waren vor allem auch alle gemarkt.
Da möchte ich widersprechen. Lenzkirch ist gerade dafür berühmt, dass die Uhren zumindest bis 1871 grundsätzlich NICHT gemarkt waren. Das ergibt heute viele Spekulationen, weil sich viele vermeintliche Lenzkirch-Uhren nicht sicher diesem Hersteller zuordnen lassen.
danke für diese Fotos. Sie sind für mich eine echte Überraschung! Solch eine Pendelaufhängung sehe ich zum ersten Mal. Da erklärt sich auch die flache Oberseite der Pendelaufhängung.
Diese Konstruktion halte ich für sehr zweifelhaft. Da ist ja ein schlingerndes Pendel fast vorprogrammiert, weil die Pendelfeder sich nicht selbst gerade richten kann. Mal sehen, wie ich damit klar komme.
Zitat von steffl62 im Beitrag #4... Von Lenzkirch sind die Uhren auf keinen Fall, da hatten die Werke für Gewichtsregulatoren eine ganz markante Ankerbrücke mit nur einer Schraube auf der linken Seite und da waren vor allem auch alle gemarkt.
Da möchte ich widersprechen. Lenzkirch ist gerade dafür berühmt, dass die Uhren zumindest bis 1871 grundsätzlich NICHT gemarkt waren. Das ergibt heute viele Spekulationen, weil sich viele vermeintliche Lenzkirch-Uhren nicht sicher diesem Hersteller zuordnen lassen.
lG
Roland
Hallo Roland, das ist ein Gerücht das gerade auch von Lenzkirch selbst in vielen Inseraten immer wieder bestritten wurde. Das Problem war das Lenzkirchwerke auch damals schon haufenweise gefälscht wurden, und so das konsequente Markieren ihrer Werke für die Firma lebenswichtig war. Die Behauptung das es nicht so ist stammt ursprünglich aus dem Buch "Lenzkirch clocks the unsigned Story" von G. A. Everett wo er versucht zu Beweisen das es doch ungemarkte Lenzkirchwerke gegeben hat was Ihm aber nicht eindeutig gelingt. Dazu gibt es einen Artikel des NAWCC Bulletin "Springtime in Lenzkirch" von Dr. Douglas K. Stevenson, wo er einige der von Everett aufgestellten Thesen klar widerlegt. Ich glaube das das im Endeffekt nur Wunschdenken vieler Besitzer von gefakten Lenzkirchuhren ist die das nicht wahrhaben wollen und deshalb poppt das immer wieder mal auf.
Hallo Hermann, so jetzt seh ich was. Was meinst Du denn mit "Nachbau"? Ich seh einen schönes großes Werk von einem eingewichtigen Wiener Regulator. Möglicherweise ein Monatsläufer? Von Lenzkirch ist das Werk wohl nicht, falscher Ankerkloben und Bildmarke seh ich auch keine.
Falls es jemanden interessiert hier ein echtes Lenzkirch-Werk (allerdings ist die Bildmarke fast nicht zu sehen): IMG_20160229_174556a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) IMG_20160229_174617.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Und nochmal der spezielle Ankerkloben: IMG_20160229_174716a.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Danke, jetzt habe ich einen Vergleich. Du hattest ja von Fälschungen geschrieben. Und da das Gehäuse zu dem von mir photographiertem Werk den von dir gezeigten sehr ähnelt, wollte ich einfach Klarheit haben. Ich bin ja viel mehr auf der technischen Seite, so das mir die Geschichte dahinter die von Sammlern wie euch recherchiert worden ist, immer wieder was neues zum Lernen gibt!
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27.02.2016 20:07
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Gut dargelegt! 
