Ich mache mir momentan so meine Gedanken, was konkret Glashütter Tradition dastellen soll.

Konkret gefragt, ist es Tradition, wenn man ETA Werke kauft, diese mit Gesperr, Zierschliffen und Co ausstattet und dann 50% Wertschöpfung erschaffen hat?
Oder ist es Tradition, eigene Werke zu entwickeln und dann mit Glashütter Tradition zu verkaufen?

Nehme ich mir ein Unitas, setze eine Dreiviertelplatine darauf und verziere die Räder, habe ich eine gewisse Wertschöpfung geschaffen.
Ich bin mir momentan sehr unsicher, wo das hingehen wird bzw wo sich kleinere Firmen in Glashütte etablieren.

Ein Steinhardt in Augsburg macht riesige Umsätze mit Uhren, die quasi per Katalog bestellt und zusammengesetzt werden, dieses zum relativ günstigen Preis.

Oder ist eine Traditionsfirma wie Lang&Heyne dadurch wertvoll, weil sie extrem viel selber bauen und konstruieren? Baue ich Uhren, die der Seefahrt gewidmet sind, ist das doch absolut kein Bezug zu Glashütte?

Ich starte da mal einen Gedankenaustausch, was ihr euch unter Glashütter Tradition vorstellt.

Mmmmh, schwere, heikle und gute Frage, sicher auch je nach persönlicher Ansicht.

Für mich ist die Tradition Glashütte mit der Übernahme gestorben.
Werke veredeln hilft einigen Uhrmachern sich von der Masse abzusetzen und Umsatz zu erzeugen.

Eine eigene Entwicklung, die Fertigung, der Vertrieb/Marketing und dann die Gewährleistung kostet schon massig, aber welcher "kleine" Uhrmacher kann solche Summen stemmen.

Einen Uhrmacher den ich bewundere, auch wenn mir seine Uhren nicht besonders gefallen ist Hentschel.
Sein Marketing, wie kostenlose Werksbesuche und Vorträge am Samstag Nachmittag kosten sicherlich auch ganz schön.

Manuel

Ich schildere mal meine subjektive Sicht (verkürzt):

Die westdeutsche Kleinuhrenindustrie hatte ihren Schwerpunkt in Pforzheim und Schwarzwalt, die ostdeutsche in Glashütte und Umgebung. Insbesondere letztere hatte noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts Weltruf. Die westdeutsche fiel größtenteils der Quarzkrise und dem Marktdruck durch konkurrierende Importe aus der Schweiz und Japan zum Opfer, die osteuropäische wurde zusätzlich durch Planwirtschaft niedergewirtschaftet. Ich will damit jetzt niemand verletzen, der eine emotionale Bindung dazu hat und das persönlich anders sieht, das ist bloß meine persönliche Sicht und beschreibt den Mainstream. Und es ist auch unbestritten, dass da wie dort einige kleine wenige sich dem widersetzt und trotzdem überlebt haben.

Aktuell sind die vormals tot geglaubten mechanischen Uhren wieder sehr gefragt. Im Westen hatte man in den 80er Jahren alles platt gemacht. Aber im Osten gab es günstige Einstiegschancen: Preise und Löhne auf Ostniveau und die Möglichkeit marketingmäßig an die Hochzeit des Uhrenbaus in Glashütte anzuschliessen, als man international was Qualität, Forschung und Innovation anging in der Oberliga gespielt hat. Also hat man dort wieder eine Industrie aufgebaut, auf dem vorhandenen aufgebaut, alte Marken und Markennamen reaktiviert und (fast) noch mal von vorne angefangen. Das Vorhandene waren halt auch importierte Uhrwerke. Auch die Schweizer haben die Chance gesehen und sich dort eingekauft.

Ich denke an zwei schöne Geschichten: Nomos, die mit Peseux Werken angefangen haben und sich mittlerweile zu eigenen Kalibern entwickelt haben. Und Moritz Großmann, wo man einen alten Namen reaktiviert hat, eine nagelneue Fabrik gebaut hat und von Anfang an selbst entwickelt.

Glashütter Tradition? Gibt es nicht mehr/kaum noch. Die alten Uhrmacher, die sie nocherlebt /verkörpert haben sind längst nicht mehr aktiv bzw. verstorben. Heute ist das nur noch ein Marketingbegriff.

Dort sind nun wieder spannende neue Betriebe und Einrichtungen entstanden, die auch international wieder in der gehobenen Liga mitspielen können. Gute Uhrmacher und Konstrukteure gibt es dort auch - das galt natürlich auch zu DDR Zeit, allerdings in anderer Größenordnung.

(Eta) Einschaler und Veredler gibt es überall. In Glashütte kann das eine Masche sein, um mit minimalem Aufwand ein Produkt zu kreieren und dann durch Verbindung mit gern genommenen Marketingworten wie "Glashütte" und "Tradition" besser zu verkaufen. Das bietet aber auch die Chance, so erst mal einen Start zu kriegen und sich daraus weiter zu entwickeln - siehe oben.

Gruß
Norbert

Lieber Victor, kann es sein, dass es einen Zusammenhang zwischen deiner Kurzreise nach Glashütte und diesem Beitrag gibt? Auch wenn du, aus welchen Grund auch immer, keinen Erfolg hattest, muss man jetzt den Standort Glashütte nicht in Frage stellen und die Tatsachen verzerren....

Sicher kann nicht jeder in bestimmten Abständen eine Reise nach Glashütte unternehmen, aber man darf nicht die Augen davor verschließen, was in den letzten 20-25 Jahren dort passiert ist!
Dass Anfangs auf ETA-Werke zurückgegriffen wurde und heute teilweise auch noch, will ich nicht bestreiten. Aber heute reicht das bloße Einschalen auch nicht mehr. Und in Zukunft werden und müssen sich entsprechende Firmen auch umorientieren, da ja ETA nicht mehr als Uhrwerksausstatter fungieren will.
Es gab ja auch schon eine Firma, die auf Miyota zurückgegriffen hat. Ansonsten hat sich ja gewaltig was getan. GO z.B. hat ja schon Anfang der 90er ein eigenes Werk rausgebracht und sich somit vom 2824 getrennt. Heute sind es zig Kaliber, die mit einem noch so schön veredelten ETA-Werk nichts im entferntesten zu tun haben.
Und auch heute arbeiten in den vielen Firmen da noch Menschen sächsischer Herkunft, die schon im Kombinat Uhrenwerk Ruhla, Betrieb Glashütte gearbeitet haben.
Dass am Ende der DDR die Uhren auch nicht mehr viel mit der Glashütter Tradition zu tun hatten, schuldete nicht zu Letzt auch der Zeitgeschmack und die große Nachfrage nach Quarzuhren. Die Produktion der Spezichron wurde z.B. Mitte der 80er Jahre eingestellt. Man kann das natürlich alles differenziert sehen, was zu DDR-Zeiten passierte, aber dumm waren unsere Leute auch nicht, zumal es schwierig war, auf vorhandene Komponenten im westlichen Ausland zurückzugreifen. Da war die Wertschöpfung wesentlich größer, sie lag bei mind. 90%! Da träumen heute viele von...
Was ist nun Tradition und muss man alles noch genauso machen wie vor 100 Jahren? Traditionell war zum Beispiel auch die Herstellung von Marinechronometern, auch in der DDR. Deshalb darf man sich heute noch darauf beziehen....
Es ist bei vielen auch verpönt, wenn größere Maschinen zum Einsatz kommen. Schnell wird der Eindruck vermittelt, dass da einer vorne was reinschmeißt, einen Knopf drückt und hinten kommt die fertige Uhr raus! Die Maschinen sind aber auch von Menschen erdacht und gefertigt worden und müssen um ein Vielfaches genauer sein als das Endprodukt und das ist ja nun zweifelsfrei sehr genau! Heute würde sich bestimmt keiner mehr neben eine Petroleumlampe setzen und arbeiten.
Also, warum darf hier auch nicht fortschrittlich gearbeitet werden ohne die Tradition zu verletzen. Auch zu Langes Zeiten wurde stetig an der Produktionsweise gearbeitet und Fremdwerke schweizerischer Herkunft komplettiert....
Ich empfehle jedem, mal eine Reise dort hinzumachen und zu schauen, was da Menschen mit ihren Händen und Grips so vollbringen, auch mithilfe von Maschinen! Es lohnt sich auf jeden Fall!

LG Thomas

Spontan ;
war selber mehrmals da ,
da ist alles in Ordnung ,
alles eben zeitgemäß und nach Zeitgeschmack eingerichtet.
Glashütter Tradition ? - was ist das - einfach perfektes Schaffen .
und ein Kunde bekommt schon was er verlangt.
LG
Alexander
P.S.
Museum ist sehr gut , auch mal für einen Nichtuhrmacher einen Besuch wert.

Alles gesagt, in wenigen Sätzen, danke Alexander!

LG Thomas

Eigentlich ist es einfach:

Wieviele Firmen sind länger als seit 20 Jahren dort?
Wieviele Uhrmacher sind seit länger als 20 Jahren dabei?

"Glashütte" ist Marketing, die Fabriken könnten sonstwo in der Republik stehen, es würde die Produkte kein bisschen schlechter machen.

Wenn du das so siehst, ist die Schweizer Uhr auch nur Marketing....

Zitat von masterpiece im Beitrag #8

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Wenn du das so siehst, ist die Schweizer Uhr auch nur Marketing....

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Zitat von masterpiece im Beitrag #8

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Wenn du das so siehst, ist die Schweizer Uhr auch nur Marketing....

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Nein, also die Uhrmachertradition in der Schweiz lässt sich mit der in Glashütte nun wirklich nicht vergleichen.

Die neu geschaffenen Glashütter Uhrenfabriken könnten wirklich genau so gut in Pforzheim oder sonst wo aus dem Boden stampfen können. In Glashütte haben halt die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gestimmt. Die Schweizer Uhrenwelt z.B. aus dem Valle de Joux irgendwo anders hin versetzen wäre undenkbar. Alleine wegen den besonderen Leuten dort und weil ganze Ortschaften schon immer für die Uhrenindustrie gearbeitet haben und dort seit Generationen Uhrmacherei betrieben wird.

Dass die Schweizer nicht nur Uhren bauen, sondern sie auch vermarkten können und auch ökonomischen Zwängen unterliegen ist unbestritten, hat aber mit dem Thema Glashütte herzlich wenig zu tun.

Gruß
Norbert

Zitat von masterpiece im Beitrag #4

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Lieber Victor, kann es sein, dass es einen Zusammenhang zwischen deiner Kurzreise nach Glashütte und diesem Beitrag gibt? Auch wenn du, aus welchen Grund auch immer, keinen Erfolg hattest, muss man jetzt den Standort Glashütte nicht in Frage stellen und die Tatsachen verzerren....

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1.

2. Gratuliere! Viel Erfolg dort!

Gruß
Norbert

Victor, ich dachte, es ging hier um Meinungsaustausch!
Kein Grund, persönlich, oder anders gesagt, frech zu werden!
Ich habe deine Fragestellung als ziemlich negativ betrachtet!
Jetzt schreibst du schon ganz anders darüber! Und dass du einen eigenwilligen Charakter und keinen Anstand hast, habe ich schon mehrmals erleben dürfen. Sorry.

Im Übrigen hast du in anderen Beiträgen erwähnt, dass du nach Glashütte fährst und warum.
Vom Erfolg hattest du nichts geschrieben, musst du auch nicht, aber so hätte es kein Missverständnis gegeben.

Die Geschichte der Glashütter Uhrenbetriebe enthält neben Standardisierung von eigenen Entwicklungen auch den Aufkauf Schweizer Werke und deren Weiterverarbeitung. Das wird teilweise auch heute so gemacht und nicht nur in Glashütte. Inwieweit das namhafte Uhrenanbieter aktuell auch tun, kann ich nicht einschätzen.
Glashütte ist aber vor allem wegen seiner Präzisionsuhren bekannt, welche einst in wenigen Handwerksbetrieben entwickelt und gebaut wurden.
Und die Glashütter Uhrenbetriebe haben einst nur aus Vermarktungsgründen zusammengearbeitet!

Dass heute etliche Großfirmen in der Schweiz Rohwerke herstellen, die weltweit verarbeitet und verbaut werden, sehe ich auch nicht als Schweizer Tradition.
Es gab und gibt aber auch in der Schweiz Puristen, die immer noch gute Uhren entwickeln und bauen. Allerdings erscheinen solche kaum auf dem allgemeinen Markt, weil die individuelle Herstellungstechnik ihren Preis hat, den Normalverbrauche nie bezahlen werden.

Ich behaupte, dass die sogenannte Tradition in der Uhrenbranche so ausstirbt, wie die mechanische Pendeluhr es allmählich tut.
Oder wie es schon in diesem Forum genannt wurde: PPU sind Anachronismus. Das wird die Uhrentradition im Zuge der globalen Industrialisierung auch zunehmend sein.

Roland