Um 1800 wurde die Bauweise der Wiener Regulatoren mit der Gehäuseform "Dachluhr" berühmt und begehrt. Hinzu kam, dass in dieser Zeit hochwertiges Holz knapp war und man Gehäuse und auch Möbel baute, die aus wenig Furnier und viel Glas bestanden. Neben den Gehäusemerkmalen sind es die damals noch händisch gefertigten Uhrwerke, doppelseitige Messinglinsen, Pendelstab aus Metall, einteilige Zifferblätter mit guillochiertem Ziffernblattringe und feine Zeiger, die eine Wiener Biedermeier Uhr ausmachten. Nicht alle Gehäuse aus dieser Zeit hatten die klassische Dachlform, sie gehört allerdings zu den heute am meisten begehrten und nachgebauten.
Ab ca. 1850 kamen die zweigeteilten Zifferblätter, gegossenen Zifferblattringe (Brautkränze), Holzpendelstab, Pendellinse nur einseitig mit Messing und die Biskottenformen und Neugotischen Gehäuse in Mode. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann auch die Industrielle Fertigung der Wiener Regulatoren deren Konstruktion sich als zuverlässig und genau vor allem in der beginnenden Industrialisierung durchsetzte.

Gehäusetechnisch wurde es jetzt wirklich heftig, große mächtig reich verzierte altdeutsche Gründerzeitkästen, mächtige Bekrönung und Drechselteile wurden immer moderner. Parallel gab es so eine Art Übergangsmode in Form des Pfeifferlbarocks. Wie die Mode änderten sich natürlich auch die Uhrenkästen und so kamen um die Jahrhundertwende auch schöne Wiener Werke in Gehäusen im Jugendstil auf den Markt. Danach wurden die Kästen immer schlichter und die klassische Uhr in den meisten Haushalten war federbetrieben.

In der ganzen Zeit wurde abgekuckt, nachgebaut, gefälscht, verändert, neu "erfunden" und was weiß der Teufel, Nachfrage bestimmt eben das Angebot.

Unsere Vorväter waren auch nicht von der klassischen Wegwerfgesellschaft und so wurden immer wieder auch damals schon Werke oder Teile von Uhren weiter verwendet, neues Werk in alten Kasten oder umgekehrt um die Kosten für Neuanschaffung zu minimieren.

Im 20. Jahrhundert wurde die Form der Dachluhren modernisiert von z.B. Kieninger oder Sattler wieder aufgenommen. Hierbei handelt es sich aber eindeutig um eine moderne Umsetzung der Bauform, weder um einen Nachbau oder gar eine Fälschung.

Charlottes Laterndluhr passt in diese Renaissance dieser Gehäuseform, allerdings nicht als Neuauflage sondern als Nachbau.

Hallo Freunde echter Wiener Laterndl- und Dachluhren!

Ich bin vor Jahren einem Wiener "Kunsthändler" reingefallen und habe eine sündteure Laterndluhr gekauft, die sich aber im Nachhinein als Fälschung herausgestellt hat. Wer die Kurzdokumentation dazu lesen möchte, kann dies unter dem Link http://members.aon.at/alteuhren/Laterndl..._faelschung.htm gerne tun. Natürlich ist dabei nur ein kleiner Auszug aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen wiedergegeben, aber vielleicht ist doch das eine oder andere interessant für die Sammler und Experten von Wiener Uhren in diesem Forum.

LG Gerhard

Unglaublich, was so ein alter Uhrmacher noch dazulernen kann!

Ein ganz großes "Dankeschön" für diese fundierten Berichte, es war sehr interessant diese zu lesen.


LG Giacumin

Nun ist ja der Haendler in diesem Fall kein Unbekannter und bietet immer wieder hochwertige oder zumindest teure Uhren an!
Nachdem Diese Uhren ja bekanntlich nicht aif Baeumen wachsen, kann man getrost davon ausgehen, dass da und dort eine lukrative Produktion hochgezogen wurde. Vor allem in den ehemaligen Monarchielaendern gibt es ausgezeichnete Handwerker. Dass diese Uhren dann ueber vermeindlich ehrenwerte Haendler verkauft werden haette ich nicht gedacht. Vorsicht ist bei solchen Stuecken immer angebracht!
Erwartet haette ich jedoch, dass der Haendler versucht das Ganze still abzuwickeln und einen Prozess vermeiden moechte.

Hallo

Vorsicht aber auch von den sogenannten "Experten"!
Auch wenn es lange dauern sollte, irgendwo gibt es immer den Einen, der sich wirklich auskennt. Aber viel zu Viele, die mit Halbwissen falsche Aussagen treffen! Teilweise auch gerichtlich beeidigte "Sachverständige".

Ich hatte vor ein paar Jahren den Fall, das so ein "Sachverständiger" eine echte Laterndl Uhr als Fälschung "entlarvt" hat. Dem ehemaligen Besitzer sind dadurch einiges an Geld verloren gegangen.
Im Endeffekt hat es sich herausgestellt, das vor Jahrzehnten ein wohlmeinender aber unwissender Tischler zur Verstärkung des Gehäuses seitliche Leisten angebracht hatte. Sehr saubere Arbeit, aber halt das Original verfälschend. Der Rest war 100% original.
Der neue Besitzer war zum Glück ein Verwandter, der Verkauf wurde rückgängig gemacht, das Gehäuse von einem sachkundigen Restaurator wieder und den Urzustand gebracht, das Werk von mir restauriert, und alles war wieder gut.

Gruß hermann

Es gab auch einmal einen falsch zertifizierten (Werteinschätzung) Teppich! Da ist das hier unter ferner liefen zu behandeln...

Hallo Hermann,
stimme dir vollständig zu, dass sich auch gerichtlich beeidigte Sachverständige manchmal irren können oder auch wollen bzw. müssen. Im Fall der von mir erwähnten Laterndluhr-Fälschung des Wiener "Kunsthändlers" war die Sache wohl etwas komplexer, wie du dir vorstellen kannst. Hier ging es um sehr viel Geld, deshalb hat sich der vom Gericht zugewiesene Sachverständige auch auf kein Risiko eingelassen, sondern hat sich zusätzlich wirkliche namhafte Experten für alte Wiener Uhren an Bord geholt, die Detail für Detail fundiert nachgewiesen haben, warum es sich um kein Original handelt. Die wenigen Details, die ich auf meiner Seite http://members.aon.at/alteuhren/Laterndl..._faelschung.htm angeführt habe, sind ja nur ein kleiner Auszug aus dem Gutachten. Zahlreiche weitere Fakten und vor allem auch Detailfotos sind so aussagekräftig, dass die Uhr eindeutig als Fälschung eingestuft wurde.
Also zusammenfassend, hier ging es nicht so wie in deinem Fall um ein "paar Leisterl", hier stammten Uhrwerk, Gewicht, Pendel,... aus neuzeitlicher Produktion!

Gruß Gerhard

Zitat von The Old Vienna Regulator im Beitrag #22

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Hallo Hermann,
stimme dir vollständig zu, dass sich auch gerichtlich beeidigte Sachverständige manchmal irren können oder auch wollen bzw. müssen. Im Fall der von mir erwähnten Laterndluhr-Fälschung des Wiener "Kunsthändlers" war die Sache wohl etwas komplexer, wie du dir vorstellen kannst. Hier ging es um sehr viel Geld, deshalb hat sich der vom Gericht zugewiesene Sachverständige auch auf kein Risiko eingelassen, sondern hat sich zusätzlich wirkliche namhafte Experten für alte Wiener Uhren an Bord geholt, die Detail für Detail fundiert nachgewiesen haben, warum es sich um kein Original handelt. Die wenigen Details, die ich auf meiner Seite http://members.aon.at/alteuhren/Laterndl..._faelschung.htm angeführt habe, sind ja nur ein kleiner Auszug aus dem Gutachten. Zahlreiche weitere Fakten und vor allem auch Detailfotos sind so aussagekräftig, dass die Uhr eindeutig als Fälschung eingestuft wurde.
Also zusammenfassend, hier ging es nicht so wie in deinem Fall um ein "paar Leisterl", hier stammten Uhrwerk, Gewicht, Pendel,... aus neuzeitlicher Produktion!

Gruß Gerhard

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Eine kleine Anmerkung zum Thema Pendelstab:
In der Zeit um 1800 und wurde sowohl Metall als auch Holz für die Herstellung der Pendelstäbe verwendet, wobei Holz auf Grund der geringeren Längenausdehnung vielfach die bessere Wahl darstellte.
Ein kleines Beispiel von vielen: Bei meiner Bodenstanduhr (Jahresläufer) http://members.aon.at/alteuhren/seite2_63.htm trägt ein Holzpendelstab eine ca. 18 kg schwere Pendelscheibe und die Uhr hat tatsächlich nur eine Gangabweichung von +/- 10 s im Monat! Und so könnte ich dir auch mehrere Beispiele von Dachluhren zeigen, die Teil meiner Sammlung sind oder auch waren.

Lieben Gruß Gerhard

PS: Beitrag ist leider in der falschen Rubrik, sollte nur eine kleine Anmerkung zu Silverls Beitrag
"Um 1800 wurde die Bauweise der Wiener Regulatoren mit der Gehäuseform "Dachluhr" berühmt und begehrt. Hinzu kam, dass in dieser Zeit hochwertiges Holz knapp war und man Gehäuse und auch Möbel baute, die aus wenig Furnier und viel Glas bestanden. Neben den Gehäusemerkmalen sind es die damals noch händisch gefertigten Uhrwerke, doppelseitige Messinglinsen, Pendelstab aus Metall, .... sein!

Tschuldigung!

Zitat von Siverl im Beitrag #14

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Charlotte, ich glaub Dir ohne weiteres, dass das Holz, die Furnier, gut aussehen, da hat sich auch jemand viel Mühe gegeben.

Bei Deinen letzten Fotos kann man durch das skelettierte Zifferblatt das Innenleben ganz gut erkennen.
So schauen Biedermeierzahnräder aus:



(Fotograf: Phil - von der Fertbauerrevision)

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Zitat von The Old Vienna Regulator im Beitrag #25

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Zitat von Siverl im Beitrag #14

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Charlotte, ich glaub Dir ohne weiteres, dass das Holz, die Furnier, gut aussehen, da hat sich auch jemand viel Mühe gegeben.

Bei Deinen letzten Fotos kann man durch das skelettierte Zifferblatt das Innenleben ganz gut erkennen.
So schauen Biedermeierzahnräder aus:



(Fotograf: Phil - von der Fertbauerrevision)

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Also wenn das wirklich Biedermeierzahnräder sein sollen, dann ist dies ein Beispiel für einen schlechten Uhrmacher dieser Zeit, den es ja übrigens auch gab.

Generell ist zu sagen, dass die Wiener Uhrmacher zu dieser Zeit Objekte in hochwertigster Verarbeitung erzeugten. Die Ausarbeitung des Uhrwerkes und deren einzelnen Teilen wurden mit Präzision und Perfektion durchgeführt. Die Teile wurden fein nachgearbeitet, entgratet und poliert! Nicht so grob, mit Kratzern versehen und Ungenauigkeiten, wie auf diesem Foto dargestellt! Aber wie gesagt, es gab auch schlechte Ausführungen von Uhrmachern, die dann schnell in Verruf gerieten und sich mit solchen Arbeiten auch nicht lange in der Stadt halten konnten. Auf keinen Fall dürfen Zahnräder, wie hier abgebildet, nicht ansatzweise mit Meistern wie Fertbauer u.a. in Verbindung gebracht werden!

Gruß Gerhard

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Zitat von The Old Vienna Regulator im Beitrag #24

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Eine kleine Anmerkung zum Thema Pendelstab:
In der Zeit um 1800 und wurde sowohl Metall als auch Holz für die Herstellung der Pendelstäbe verwendet, wobei Holz auf Grund der geringeren Längenausdehnung vielfach die bessere Wahl darstellte.
Ein kleines Beispiel von vielen: Bei meiner Bodenstanduhr (Jahresläufer) http://members.aon.at/alteuhren/seite2_63.htm trägt ein Holzpendelstab eine ca. 18 kg schwere Pendelscheibe und die Uhr hat tatsächlich nur eine Gangabweichung von +/- 10 s im Monat! Und so könnte ich dir auch mehrere Beispiele von Dachluhren zeigen, die Teil meiner Sammlung sind oder auch waren.

Lieben Gruß Gerhard

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Zitat: "Holz hat schon auf Grund seiner viel geringeren Dichte einen höheren Ausdehnungskoeffizienten als Stahl." Zitat Ende.


Diese Aussage ist leider völlig falsch!

Auch in der verlinkten Tabelle sind die Werte falsch, da beim Kopieren die Kommatas verschwunden sind.
Beispiel: 80 ist nicht 8 0
80 bedeutet: 0,000 080 während 8 0 dieses ist: 0,000 008 0!

Quelle: Fachrechnen für Uhrmacher - Gustav Brümer 2002

Hallo

Da steht es ja, Invar 0,0000010, z.B. Tannenholz 0,0000035.
Schon aus diesem Grund haben Präzisionspendeluhren Metall- oder Quarzpendelstäbe.

Gruß hermann