Wiederbelebung einer großen Nebenuhr

Hersteller: PRAGOTRON (CSSR)
Typ: BV-60
Baujahr: 1970er Jahre
Größe: 71 x 71 x 18 cm

Vor einigen Tagen konnte ich ein Projekt abschließen, an welchem ich seit dem Frühjahr dieses Jahres arbeitete: Die Wiederbelebung einer großen Außenuhr. Die meiste Zeit benötigte ich dazu, ein neues Ziffernblatt anzufertigen. Diese "Teilarbeit" nimmt darum den größten Teil dieses Berichts ein.

Der Fund
An einem leer gezogenen Gebäude hatte ich über der Eingangstür eine Wanduhr entdeckt, die, wie bei fast allen nicht mehr genutzten Gebäuden, jemand dazu angeregt hatte, seine Lust an der Zerstörung mit gezielten Steinwürfen zu befriedigen.

Das Nebenuhrwerk hatte keinen Treffer abbekommen und die Zeiger waren nur wenig verformt. Die Glasscheibe war natürlich kaputt, aber das war das geringere Problem. Leider war auch das Ziffernblatt aus opakem Kunststoff total zersplittert.



Das Gehäuse besteht aus Kunststoff. Seine Oberfläche war zwar durch das Sonnenlicht etwas verwittert, doch das Material hatte den Steinwürfen standgehalten.

Beginn der Restaurierung
Der Regen war in das Innere der Uhr gefallen. Metallteile im Bodenbereich waren dadurch stark verrostet. Nach Entfernen des Rostes mittels Glasstrahlkabine konnten die Teile grundiert und lackiert werden.

Das Nebenuhrwerk war durch Reste der Frontscheibe und des Ziffernblattes vor direktem Regen geschützt. Es war nur aufgrund der hohen Feuchtigkeit ziemlich angelaufen, war aber noch beweglich. Seine Überholung verlief problemlos.

Die Glasscheibe war, wie einst auch an Autos üblich, mittels H-Gummi eingesetzt. Darum waren die Ecken gerundet. Die Anfertigung einer solchen Scheibe überlies ich darum einer Glaserei.

Nun stand noch die größte Herausforderung bevor: Ein Ziffernblatt musste angefertigt werden.

Ein Ziffernblatt anfertigen
Nachdem ich in keinem Baumarkt fündig war, fand ich im Internet einige Anbieter von Plexiglas (C). Einer bot den Zuschnitt nach Kundenmaß komplikationslos und ohne Aufpreis an. Den Kunststoff gibt es in vielen Stärken und unterschiedlichen Durchscheinungsgraden. Ich entschied mich für 4 mm Stärke und 45 Prozent Lichtdurchlässigkeit.
Schon wenige Tage später kam das flache Riesenpaket bei mir an.

Aus den Resten des originalen Ziffernblattes konnte ich die Größe der Striche und den Durchmesser des Minutenkreises (567 mm außen) ermitteln. Mittels dieser Maße entwarf ich das ZB mit einem CAD-Programm. Da ich nur bis zur Blattgröße A4 drucken kann, wählte ich einen verkleinerten Bildausschnitt, der das Zentrum enthält.

Auf einem A3-Kopierer vergrößerte ich den Zeichnungsausschnitt auf das Endmaß. Mit 6 solcher Blätter konnte ich den Kreis mit den Minutenstrichen in Originalgröße zusammensetzen.



Vor dem Zusammenkleben hatte ich die Striche mit einer Schneidklinge ausgeschnitten.



Die Maske fixierte ich auf der KS-Platte, beschwerte sie mit Holzstücken, damit sie überall gut anliegt und spritzte den schwarzen Mattlack.



Das Ergebnis war enttäuschend, denn die Konturen waren total unscharf. Ich hatte erst kurz vor dem Spritzen die Schutzfolie vom Plexiglas (C) abgezogen. Offenbar war die Platte dadurch so stark aufgeladen, dass sie den Farbnebel quasi unter die Spritzmaske gesaugt hatte. Die nötige Retusche kostete mich die Abende einer ganzen Woche.

Mit einem Stahllineal und einem ganz leicht abgestumpften Schraubendreher begradigte ich zunächst den Rand der Minuten- und Stundenstriche so vorsichtig, dass ich den Kunststoff möglichst nicht verkratzte. Anschließend wischte ich den restlichen Farbschleier mit Papiertüchern ab, die ich mit Nitro-Verdünnung befeuchtet hatte.

Ein vorheriger Test hatte mir gezeigt, dass Plexiglas offenbar wenigstens kurzzeitig von dieser Verdünnung nicht angelöst wird.

Dieses Bild zeigt links retuschierte und rechts unbearbeitete Striche:


Beleuchtung
Nachdem das Befestigungsloch für das NU-Werk mit einer Lochkreissäge eingebracht war, kümmerte ich mich um die Beleuchtung.
Ursprünglich war die Uhr mit vier Glühlampen (je 25 Watt) bestückt. Das ist im Zeitalter der Energieeinsparung nicht mehr üblich. Ich wollte, wie bei meiner Bahnhofsuhr, ein LED-Band einsetzen.

Anders als bei der Bahnhofsuhr gab es hier aber zwei Vorgaben:
- Der originale Lichtrahmen sollte erhalten bleiben,
- die LED-Beleuchtung muss den konstruktiven Besonderheiten entsprechen.

Die alten E27-Fassungen mitsamt der Verteilerdose so zu belassen, war nicht schwer. Schwer war es, den Rahmen für das LED-Band zu gestalten. Er muss nämlich vorn am NU-Werk und hinten an der Anschlussklemme vorbeigleiten können (siehe weiter unten). Er hatte also, von unten gesehen, die Form eines eckigen "?".



Diese Form macht es leider unmöglich, bei Verwendung eines LED-Bandes eine gleichmäßige Hinterleuchtung des ZB zu erreichen.

Gehäuse
Das Gehäuse der Außenuhr besteht aus schwarz eingefärbtem Kunststoff, vermutlich aus PUR. Die Flächen, die einst nach Oben und Süden zeigten, sind durch das Tageslicht stark angewittert. Um diesen Prozess zu bremsen, entschloss ich mich, die Außenflächen zu versiegeln.

Dazu verwendete ich eine Farbe auf Wasserbasis, die eigentlich als Rostschutzgrundierung dient. Diese Farbe ist nach dem Auftragen blaugrün und verfärbt sich beim Trocknen schwarz. Die Haftung dieser Farbe ist sehr gut auf allen Untergründen und damit geeignet für die finale Lackierung.

Auf der inneren Seite der Rückwand befand sich zur besseren Lichtverteilung eine glänzende Alufolie. Diese war inzwischen auch teilweise zerfallen und wurde erneuert.

Eine Bewährungsprobe war für mich das Einsetzen der Frontscheibe. Das Glas auf allen vier Seiten in den H-Gummi zu fummeln, brachte mich zum Schwitzen, nicht nur vor Aufregung. Nach einer Stunde spielte ich mit dem Gedanken, diese Arbeit lieber in einer Autoglaserei ausführen zu lassen. Schließlich gelang es mir jedoch selbst.

Eine weitere Stunde brauchte ich dann noch, um den weißen Gummiköder in die Außennut des H-Gummis zu pressen. Auch die Verwendung von Spülmittellösung als Schmiermittel half nur wenig.

Nach dem Abschluss der Arbeiten war das Glas unbeschädigt. Allerdings hatte mein Daumen einige Einstichlöcher und der Zeigefinger einige Einschnitte.

Steuerung
Zu meinem Carport führt kein Signalkabel, mit dem ich Minutenimpulse einer meiner Hauptuhren dorthin übertragen könnte. Also bestellte ich mit eine Baugruppe Nebenuhrsteuerung NUS 6.3. Diese Version besitzt einen DCF-Empfangsmodul und benötigt keinen Pufferakku. Die Steuerung "merkt" sich, wann sie zuletzt einen Minutenimpuls an die NU gesendet hat. Nach einem Netzausfall kann sie die ausgefallenen Impulse nachholen.

Die Steuerplatine nimmt knapp 20 mA auf. Da die Uhr ein Dauerverbraucher ist, wählte ich aufgrund des besseren Wirkungsgrades für die Versorgung einen Schaltnetzteil.

Auch für die Versorgung des LED-Bandes (12 V) kommt ein Steckernetzteil mit Schaltregler zum Einsatz.

Die Hinterleuchtung benötigt zwar nur 4,2 Watt, doch sollte sie nur nachts aktiv werden. Ein Dämmerungsschalter würde selbst fast genau soviel Leistung aufnehmen. Darum nutzte ich stattdessen eine Alternative: Die Sonne.

Auf dem Dach des Carports befinden sich die Paneele einer 24 Volt-Solaranlage. Deren Spannung zapfte ich (natürlich abgesichert) für die Ansteuerung eines Relais ab. Dieses Relais schaltet nun die Beleuchtung aus, wenn es morgens hell wird und abends wieder an. Der Schaltzeitpunkt fällt fast mit dem der örtlichen Straßenbeleuchtung zusammen.

Alle Bauteile der Steuerung sind in einem KS-Gehäuse untergebracht. Um den Empfang der DCF-Impulse überwachen zu können, versah ich den Deckel mit einem Fenster.



Endmontage
Bei der Montage zeigte sich, wie gut die Entwickler von PRAGOTRON die Konstruktion der Uhr durchdacht hatten.

An der Wand wird eine Trägerschiene aus Stahl befestigt. Sie besitzt zwei pilzförmige Zapfen, an denen das Gehäuse eingehängt wird. Es muss dazu auch seitlich verschoben werden. Die Gestaltung der Aufhängung ermöglicht eine werkzeuglose Montage und Demontage, verhindert aber selbst bei einem Erdbeben, dass die Uhr allein herab fallen kann.

Das ZB wird mitsamt NU-Werk von unten in eine Führungsnut eingeschoben und dann über eine kleine "Sicherheitsstufe" in die Grundposition gebracht. Da die untere Kante von einer U-förmigen Blechschiene versteift wird, ist also das Ziffernblatt rundum vor Verbiegung geschützt.



Der Rahmen mit der Beleuchtung steckt ebenfalls in einer Führungsnut. Zwei seitliche M12-Gewindestifte am oberen Ende des Lichtrahmens verhindern ein Herausfallen. So konnte der Lampenwechsel von nur einer Person gefahrlos vorgenommen werden.
In dieser Position sind auch die Anschlussklemme im unteren Bereich des Gehäuses sowie das Uhrwerk zum Verstellen der Zeiger zugängig.

Sind die Leitungen angeschlossen und die Zeiger in der gewünschten Position, wird der Lichtrahmen wie ein Schlitten nach oben geschoben und mit zwei weiteren seitlichen M12-Gewindestiften verriegelt.

Dabei schließt eine Blechplatte das Gehäuse nach unten so ab, das keine Insekten eindringen können. Eventuell eingedrungene Feuchtigkeit (Kondenswasser) kann am Rand jedoch nach unten ablaufen.

So sieht meine bislang größte Nebenuhr aus:



Auch das Licht ging während der Abenddämmerung an.



Nacharbeiten
Am nächsten Morgen war ich überrascht. Die Uhr ging 8 Minuten vor. Ich korrigierte die Anzeige und schloss zum Vergleich im Carport eine zweite Nebenuhr an.

Einen Tag später war Vergleichsuhr richtig, die große Uhr ging aber 12 Minuten vor. Also stimmte etwas mit dem Nebenuhrwerk nicht.
Bei genauer Untersuchung bemerkte ich, dass der Luftspalt zwischen den Polen und dem Magnetrotor verschieden breit war. Darum verringerte ich den größeren Luftspalt. Seitdem funktioniert das NU-Werk korrekt.

Eine zweiseitige Außenuhr wartet auch noch auf eine Wiederbelebung. Das ist ja die richtige Kellerarbeit für kalte Wintermonate.

Roland
25.9.2014

Danke für den tollen Beitrag!

Gruß Milo

Moin,

schaut Klasse aus und Du hast nebenbei auch ein Stück Zeitgeschichte gerettet.
Ein Tip zu den zukünftigen ZB mit Plexiglas:
Variante 1
Schutzfolie ab, Papierschutzfolie oder Papiertransferfolie drauf, auslasern, lacken, trocknen lassen,
Folie ab -> fertig.

Variante 2
Schutzfolie ab, ZB in einem Werbestudio Deiner Wahl plottern lassen aus Oracal Folie (Typ reiche ich nach, wenn nicht durchscheinend dann ruhig die 695), Transferfolie, feucht aufziehen und alle blasen rausreiben, trocknen lassen, Transferfolie ab und Reste reinigen -> fertig.

Zum Plexiglas allgemein -> Erdungsmanschette zum löten dran und die Krokoklemme an den PE bzw. Schutzleiter und fertig.

Viele Grüsse Nico

Wow - welch ein Riese !

Danke fürs Mitnehmen!

lg
derTeichfloh

Zitat von oldnicos im Beitrag #3

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Variante 1 auslasern

Variante 2 ZB in einem Werbestudio Deiner Wahl plottern lassen

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Schon mehrfach habe ich mich kritisch geäußert über die Diskrepanz zwischen der angegebenen und der tatsächlichen Lebensdauer von LED-Leuchtmitteln. Das zeigte sich auch an der Beleuchtung für diese Außen-NU.

Mir ist unbekannt, welche Zeit die Hersteller als Lebensdauer angeben. Wahrscheinlich ist es die mittlere Dauer bis zu einem Totalausfall. Weiße LED erzeugen - ähnlich wie Lauchtstofflampen - das weiße Licht mit Hilfe von Leuchtstoffen aus blauem oder UV-Licht. Solche Leuchtstoffe altern. Das zeigt sich dann an einer Abnahme des Lichtstroms und oft auch an einer Veränderung des Lichtfarbtons. Demzufolge müsste für die Angabe der Lebensdauer aus meiner Sicht auch die Einhaltung der Farbtemperatur und der Helligkeit berücksichtigt werden.

Das LED-Band hatte ich als Lichtquelle ausgewählt, um die Uhrbeleuchtung mit möglichst wenig Elektroenergie zu ermöglichen.

Bei der Fertigstellung im Herbst 2014 war die Hinterleuchtung des ZB einigermaßen gleichmäßig. An zwei Stellen erscheint sie heller, weil da der Abstand zum ZB aus Befestigungsgründen etwas geringer ist. Der Farbton des LED-Bandes entsprach einem helleren Warmweiß.



Im Sommer 2018 erschien das Licht eigenartig grau. Zudem wurde die Verteilung der Helligkeit ungleichmäßiger.



Das Erscheinungsbild der Uhr gefiel mir so überhaupt nicht mehr. Da die Uhr öffentlich sichtbar ist, habe ich mich für eine Umrüstung entschieden.
Wie man auch erkennt, ist zu dem Zeitpunkt das dreieckige Pragotron-Logo angebracht. Das habe ich aus dem Bruchstück des originalen ZB ausgesägt.

Vorausschauend hatte ich die LED-Beleuchtung so eingebaut, dass die originalen E27-Fassungen für die 230 Volt-Beleuchtung erhalten blieben. So beschränkte sich die Umrüstung auf den Ausbau des LED-Rahmens und die Bestückung mit LED-Lampen.
Diesmal habe ich Filamentlampen mit einer Farbtemperatur von etwa 2300 K gewählt, was sehr dem Eindruck der alten 25 W-Glühlampen entspricht. Ihr Leistungsbedarf beträgt aber nur jeweils 2 Watt.
Es ist übrigens inzwischen sehr schwierig geworden, 230V-Lampen mit solch geringer Leistung zu finden.



Schon zu Beginn dieses Uhrenprojektes hatte ich feststellen müssen, dass die Plexiglasscheibe für das ZB mit 45 Prozent Lichtdurchlässigkeit zu durchsichtig ist. Für eine gleichmäßigere Helligkeit hätte ich eine geringere Lichtdurchlässigkeit auswählen müssen.
Obwohl die Kolben der LED-Lampen opak sind, wirken die Lampen bei nächtlicher Beleuchtung leider als helle Flecken. Wenigstens sieht vorerst die Lichtverteilung regelmäßig aus.

Roland