Moin Exzellenzen, die Damen und Herrn,

ohne das ganze Forum nach Themen der Arbeitssicherheit im Uhrmacherhandwerk zu durchforsten, zeigt mir der oberfläche Blick, zu dem Thema gibt es noch sehr wenige Beiträge.
Deshalb meinen Erfahrungsbericht quasi als Einstieg / oder als Ergänzung des bestehenden Wissens!

Feder der Sperrklinke gebrochen.

Mein "Fall" betrifft Großuhren, nämlich eine Wanduhr.

Ausgangspunkt: Ältere Wanduhr von Haid (so um 1950 entstanden)! Normaler Aufzugsschlüssel für die Gangfeder und für die Gongfeder.
Aufzugsvorgang: nach 6 von 7 max möglichen Halbumdrehungen mit dem serienmäßigen Aufzugsschlüssel, also mit den zwei flachen "Flügeln", siehe nachfolgendes Bild, bricht die Sperrklinke.

Die gebalte, gespeicherte Federkraft entläd sich schlagartig. Keine noch so schnelle Reaktionszeit, nämlich die Finger der Aufzugshand aus der Gefahrenzone zu bringen, reicht aus. Nein = aussichtslos!
Das durfte ich sehr, sehr schmerzhaft erfahren. Den halben Daumennagel riß der Aufzugsschlüssel mir weg. Zusätzlich mehrere Blutergüsse an den anderen Fingern meiner Aufzugshand!

Abstellmaßnahme
Ohne viel Worte zeige ich uns die Fotos des modifizierten Aufzugs"schlüssel".
Falls Details erwünscht, dann fragt bitte nach.



Mein Rat: Bloss weg mit den serienmäßigen Aufzugsschlüsseln, also der Variante wie vorstehend abgebildet! Linkes Bild

So etwas gibt es serienmäßig zu kaufen, und das sollte auch jeder tun, der sich mit Großuhren beschäftigt.

Ich hatte auch in meiner Ausbildung so einen Fall, auch da haben einige Fingernägel dran glauben müssen. Und wenn Du meinst, mein Chef hätte mir den Kopf noch zusätzlich abgerissen, weil wir ja da so einen Schlüsselsatz liegen hatten und ich den nicht benutzt hatte: Diese Uhr hatte einen dicken Schlüssel, aber nicht mit Vierkant, sondern mit Schraube wie ein Wecker. Da passte nichts aus dem Satz!

Seit dem schaue ich mir bei JEDER Uhr besonders das Gesperr an. Und man wird staunen: Immer wieder sind Gesperre nicht in Ordnung. Man wundert sich, dass nicht mehr passiert. Manchmal ist die Konstruktion schon zweifelhaft!

Frank

Moin Frank, wieder so ein "Fall", also deine Beschreibung.
Persönlich besitze ich (kein Uhrmacher, nur Hobbysammler, u.a. ) 7 Großuhren (Wand-, Kamin- und Standuhr) Nur drei müssen mit dem Schlüssel aufgezogen werden. Der Rest geht über Gewichte. Nur das sind alles alte oder ältere Uhren.
Wie sieht das denn heute aus?
Liefern die Uhrenhersteller noch mit den Flügelschlüsseln aus?
Oder hat sich an der Kaliberkonstruktion entscheidend was geändert? Hin zu mehr Sicherheit?

Ich weiß gar nicht mehr, ob es diese Uhren aktuell noch gibt. Damals hatten wir in der Werkstatt aus der Stadt Essen einen größern Auftrag bekommen, alles die gleichen Uhren: Die gehörten zu einem Wasserwerk, hatten kein Zifferblatt, sondern waren dazu da, eine Walze anzutreiben, auf der der Wasserverbrauch über den Tag aufgeschrieben wurde. Da diese Uhren draußen waren, gab es immer mal wieder nette Vorkommnisse: Bei einer Uhr ist eine Ameise hineingelaufen und dann am Ankerrad kleben geblieben. Denn dieses wurde natürlich geölt. Als die dann in den Anker geraten ist, ist die Uhr natürlich stehen geblieben. Unser Spruch zu dieser Uhr: Maschinist tot, Uhr kaputt!
Diese Uhren werden ansonsten eher selten sein, für den Normalverbraucher sind sie gar nicht gedacht.

Frank

Zitat von Kalle im Beitrag #3

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Moin Frank, wieder so ein "Fall", also deine Beschreibung.
Persönlich besitze ich (kein Uhrmacher, nur Hobbysammler, u.a. ) 7 Großuhren (Wand-, Kamin- und Standuhr) Nur drei müssen mit dem Schlüssel aufgezogen werden. Der Rest geht über Gewichte. Nur das sind alles alte oder ältere Uhren.
Wie sieht das denn heute aus?
Liefern die Uhrenhersteller noch mit den Flügelschlüsseln aus?
Oder hat sich an der Kaliberkonstruktion entscheidend was geändert? Hin zu mehr Sicherheit?

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Aber klar - solche Uhren gibt es noch.
Hier ein Beispiel: ein China-Regulator mit Sekundenpendel und Schlagwerk, Federaufzug und Schlüssel (Baujahr 2011):




Gruß,
der Teichfloh

PS: und die Schlüssel mit Griff findest du bei SELVA. Deinen Sicherheitsschlüssel habe ich aber nirgends gefunden!!!
Wo gibts den (Größe 9 Quatrat 4,5mm) ???

Gute Frage. Habe so einen Satz mal vor Jahren in der Bucht gekauft. Habe so etwas aber auch im Netz nicht mehr gefunden.

Das Ding läuft im Flume-Katalog unter "Abspannschlüssel für Großuhren".

http://boley.de/shop/4191.bontech/514138.abspannschluessel

Frank

Moin Phalos, Teichfloh, Frank und alle die nur lesen,
ich habe es befürchtet, auch heute noch, bei den neusten Jahrgängen, werden Großuhren mit Federantriebe, mit dem Flügelschlüssel verkauft.
Ich hätte ja dann nichts dagegen, wenn das Gesperr technisch zu 100% abgesichert ist. Nur als Käufer sehe ich die Technik nicht.
Wenn einem nicht mal selber ein Federwerk samt Aufzugschlüssel um die Ohren (Finger) geflogen ist, wird man als Käufer immer wieder zum Flügelschlüssel greifen. Ggf. mit fatalen Folgen.

@Frank, ja so einen Abspannschlüssel-Satz würde ich mir in allen Uhrmacherwerkstätten wünschen.
Wobei der Begriff Abspannschlüssel zumindest mir suggeriert, mit dem Abspannschlüssel können noch vorgespannte Federn entspannt (kraftlos) werden.
Sorry, selbst wenn der Abspannschlüssel tatsächlich dafür gedacht wäre, nachdem ich weiß welche Kräfte urplötzlich freiwerden, nein... nicht mit mir.

Aufziehen kann man mit dem Schlüsselsatz die Federwerke ganz bestimmt gut

Irritiert bin ich darüber, dass sehr wenig aus der Uhrmacherwerkstatt, aus den Uhrmacherschulen zum Thema kommt. Selbst die Großuhrenliebhaberinnen / Liebhaber halten sich zurück.

Also ich kann euch als Hobbybastler nur wiedermal dieses Werkzeug zum abspannen empfehlen:

http://www.amazon.de/Werkzeughalter-Knar...r/dp/B002B4M6U0

Das Ding gibt es in unterschiedlichen Grössen, kostet nur einen Bruchteil der diversen anderen Abspannschlüssel und ist mindestens genauso brauchbar.
Ich hab bis jetzt noch keinen Nachteil zu den teureren Konstruktionen feststellen können.

lg Christian

Diese Schlüsselsätze sind tatsächlich zum Abspannen der Federn gedacht, natürlich auch zum Aufziehen. Denn man kann die Sperrklinke aus dem Eingriff nehmen und dann den Schlüssel ganz gefahrlos durch die Finger gleiten lassen.

Die damaligen Uhrmacher - so etwas gab es da noch nicht oder war enorm teuer - haben sich solche Schlüsselsätze improvisiert, indem sie die Unterteile von den herkömmlichen Schlüsseln genommen haben und als Oberteil einen Türknauf. Das war immer eine nette Übungsarbeit für den Lehrling oder Stift (Heute Azubi, aber die machen so etwas dann doch nicht mehr).

Frank