Ein lieber Freund hatte bei der Montage den Stein gekillt und gibt mir das Werk mit dem Wunsch, kannst Du mir da mal schnell einen neuen Stein einpressen.



Meine Antwort: Nein.
Er: Warum nicht.

Erstens geht es so einfach nicht, denn es handelt sich um einen gefassten Stein und um einen Stein einpressen zu können müsste die Bohrung so weit aufgerieben werden, dass von der Senkung nichts mehr übrig bleibt.





Denn sonst hätten wir keinen Halt für den Stein im Kloben. Danach hätten wir aber eine Bohrung von ca. 2,2 mm Durchmesser und bräuchten einen Stein dieser Größe mit einem Innendurchmesser von 14/100 mm. Abgesehen davon, dass er in dieser Abmessung kaum beschaffbar wäre, würde es die Ansicht des Werks verunstalten, wenn da im Gangradkloben so ein großer Stein sitzen würde.
Leider sieht man solche „Reparaturen“ mitunter, weil Steine zum Fassen heute nicht mehr beschaffbar sind, trotzdem würde ich dann, wenn ich keinen Fassungsstein habe, zuerst ein Messingfutter einsetzen, es auf der Sichtseite ebenfalls mit einer Senkung versehen und einen kleineren Stein einpressen. Etwas würde man aber auch diese Reparatur als solche erkennen, weil das Messinglager sich farblich vom Kloben abheben würde. Bei einer hochwertigen Uhr, könnte man das Lager noch farblich passend vergolden oder gleich aus Gold anfertigen.

Für dieses Werk wird sich aber nach einigem Suchen möglicherweise noch ein Fassungsstein finden.
Zuerst wird die vorhandene Fassung im Kloben mit einem Fassungsöffner aufgeweitet, denn der neue Stein muss ja größer sein als der Innendurchmesser der Senkung, sonst würde er ja durchfallen.



Diese Steine haben die hier abgebildete Form und es ist erkennbar, dass sie nicht eingepresst werden können. Wichtig ist bei der Auswahl des Steins nicht nur der jeweilige Durchmesser sondern auch die Höhe. Es gibt diese Steine in unterschiedlichen Höhen denn das spätere Höhenspiel des Rades ist davon abhängig. Einen Pressstein kann man in der Höhe im Kloben verändern, einen Fassungsstein nicht.





Sie werden in die vorbereitete Fassungsöffnung von der Innenseite des Klobens mit der Wölbung nach außen gelegt und anschließend wird der Kragen der Fassung wieder geschlossen. Auch dafür gibt es Spezialwerkzeug.





Wenn alles ordentlich ausgeführt wurde und der Farbton des Steins zu den vorhandenen passt, dann sieht man von der Reparatur nichts.

Sehr schön ausgeführt!

1A!

Sehr schöner und informativer Beitrag von Fritz, er könnte nicht treffender sein.

Ich hatte letzte Woche eine Taschenuhr mit zwei gebrochenen Lagersteinen bei mir. Obwohl es sich nicht um eine besonders (hoch)wertige Uhr handelte, wollte der Kunde sie unbedingt in Funktion bringen lassen. Guter Rat war aus oben erwähnten Gründen also auch gefragt.

Ich wusste schon zu Beginn der Arbeit dass es am Ende nur zu einem Kompromiss reichen würde, aber dennoch entschied ich mich damit zu beginnen, weil ich die benötigten Steine gerade am Lager hatte. Die Steine waren zwar keine „Fassungssteine“, jedoch in allen Abmessungen und sogar in der Höhe (Dicke) genau passend. Nach dem Entfernen derselben konnte ich die neuen Steine mit leichtem Druck von Hand wieder in die Fassung einsetzen. Zum Schließen der Fassung reichte es leider nicht mehr, da zu wenig „Fleisch“ vorhanden war. Ein Tiefersetzen der Steine wäre, wie Fritz es schon erwähnte, wegen der dann zu großen Höhenluft nicht möglich gewesen.

Wieder war guter Rat gefragt, denn wenn die Uhr einen Schlag bekommen hätte, hätte es möglich sein können, dass sich der Stein nach innen gelockert hätte und damit die Höhenluft zu gering geworden wäre. Um dies unter allen Umständen zu unterbinden musste eine sehr geringe Menge an UV-härtender Glaskleber benutzt werden.
Bei dieser Aktion musste ich über „meinen eigenen Schatten springen!“ und ich möchte es unbedingt erwähnen, dass es keine einwandfrei-saubere Lösung ist.

In Anbetracht des gerade passenden Artikels von Fritz möchte ich als Uhrmacher dennoch diese Lösung präsentieren, obwohl Zinn und Klebstoff in der Uhrmacherei absolut nicht geduldet werden!




Im Bild unten der ersetzte Sek.-Rad-Lochstein und
der Gangrad-Lochstein, unter dem funktionslosen Deckstein

Solange Ankersteine standardmäßig eingeklebt werden, sollte doch auch Deine Methode ok sein.

Handwerklich arbeitende Uhrmacher sind ja heute sehr traditionsbewusst, aber Leute wie Harrison, Breguet oder Riefler haben zu ihrer Zeit jede moderne Technik genutzt.
Wenn die so phantastische Klebstoffe gehabt hätten, wie sie heute z.B. jeder Zahnarzt in durchaus handwerklicher Arbeitsweise einsetzt, hätten die nicht gezögert.

Zitat von mikromeister im Beitrag #5

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Solange Ankersteine standardmäßig eingeklebt werden, sollte doch auch Deine Methode ok sein.
Handwerklich arbeitende Uhrmacher sind ja heute sehr traditionsbewusst, aber Leute wie Harrison, Breguet oder Riefler haben zu ihrer Zeit jede moderne Technik genutzt.
Wenn die so phantastische Klebstoffe gehabt hätten, wie sie heute z.B. jeder Zahnarzt in durchaus handwerklicher Arbeitsweise einsetzt, hätten die nicht gezögert.

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Ich finde auch, dass es Situationen gibt, in denen moderne Verbindungsmethoden (z.B. eine Klebung) akzeptabel sind. Wenn das Ergebnis technisch einwandfrei ausfällt und auch in der Zukunft nicht zu Folgeschäden führt, dann kann eine Verklebung der richtige Weg sein.

Im genannten Beispiel wurde die vorhandene Fassung ja gerade erhalten und nicht aufgerieben. Sollte sich später ein geeigneter Faßstein finden, kann dieser noch eingesetzt werden.

Auch die Anregung von Fritz, einen Preßstein für die Fassung mit Fase zu versehen, finde ich sehr gut.

Das mit der historisch passenden Lösung stimmt natürlich. Sehe ich ein.