Nachdem immer wieder der Begriff "Restauration" in Verbindung mit "Erhalten des Zustands" genannt wird, möchte ich klarstellen, dass das Erhalten des Zustands als KONSERVIERUNG bezeichnet wird.
Genau und gut beschrieben bei Wickipedia:

RESTAURIERUNG

Vielleicht könnten wir uns einmal austauschen, was sinnig ist und wo die Grenzen sind, ohne dass wir einander an die Gurgel fahren. Also, stellt doch Eure großen und kleinen Restaurierungsprojekte vor, da können wir von einander lernen.

Siverl
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Frau muss ihrer Zeit stets voraus sein

Ich denke, dass hier ein Mißverständnis vorliegt. Gemeint ist wohl eher eine Reparatur unter möglichst weitgehender Erhaltung des Originalzustandes und (Wieder-) Verwendung von originalen Komponenten, wobei ggf. zu reparierende (Original-) Komponenten sozusagen "minimal invasiv" instand gesetzt werden.

Bei einer "Erhaltung des Ist-Zustandes" geht es ausschließlich um Verlangsamung des weiteren Verfalls und ohne eine technische Funktionsfähigkeit wieder herzustellen (sofern im Ist-Zustand nicht gegeben).

Hier ein Beispiel, das ich nicht mehr als "Restaurierung" bezeichnen würde, weil aufgrund von vielen Fehlteilen und falschen Teilen u.a. erhebliche Ergänzungen erforderlich waren. Laternenuhr, Isaac Rogers, ca. 1760 . In einem solchen Fall ist es m.E. wichtig, Ergänzungen als solche kenntlich zu machen (beispielsweise die nachgefertigte Tür), sofern sie dem kundigen Betrachter nicht sofort ins Auge fallen (beispielsweise die "Spikes").

Beste Grüße, Bernhard

Ich finde interessant was die Charta von Venedig zur Restauration sagt (handelt sich aber um Architektur und Denkmalpflege):

"Artikel 12

Die Elemente, welche fehlende Teile ersetzen sollen, müssen sich dem Ganzen harmonisch einfügen und vom Originalbestand unterscheidbar sein, damit die Restaurierung den Wert des Denkmals als Kunst und Geschichtsdokument nicht verfälscht.

Artikel 13

Hinzufügungen können nur geduldet werden, soweit sie alle interessanten Teile des Denkmals, seinen überlieferten Rahmen, die Ausgewogenheit seiner Komposition und sein Verhältnis zur Umgebung respektieren."

Quelle: https://www.charta-von-venedig.de/denkma...13_deutsch.html

Woebi sich so Begriffe wie "harmonisch einfügen" und "Ausgewogenheit seiner Komposition ... respektieren" eine extreme Bandbreite definieren und zudem von subjektiver Wahrnehmung abhängen, ebenso wie von den Kenntnissen des subjektiven Betrachters.

In meinem Beispiel erfüllt die von einem Handgraveur auf originalem Material hergestellte ergänzte Tür sicherlich diese Kriterien, weil nach ein paar Jahren niemand erkennen können wird, dass die zweite Tür in dieser Form in 2023 entstanden ist. Außer wenn die betrachtende Person die Signatur und Datierung auf der Innenseite liest.

Die zuvor von jemand anderen ergänzten Frets fügen sich für den unbefangenen Betrachter "harmonisch" ein, sind aber als Ergänzungen dem kundigen (!) Betrachter sofort ersichtlich. Es handelt sich bezüglich der Frets jedoch m.E. nicht um ein "Restaurieren", sondern um eine profane Mariage.

Selbst kundige Betrachter werden sich aber schwer tun zu erkennen, dass die (von mir) ergänzte Glocke eine Ergänzung ist, weil es sich um eine zeitgenössische Bronzeglocke mit passenden Maßen handelt. Bezogen auf diese Komponente handelt es sich ebenfalls um eine Mariage und somit nicht um eine Maßnahme zur Restaurierung. Sollte ich die Uhr einmal verkaufen, wäre es höchst bedenklich nicht hierauf aufmerksam zu machen.

@ Bernhard: danke, das ist doch gleich ein Beispiel einer gelungenen Restauration wo sogar die Anfertigung eines Teils um die "Ausgewogenheit der Komposition" entsprechend dokumentiert ist
Vielleicht zeigst Du im verlinkten Beitrag mal das fertige Objekt (sofern sie schon fertig ist, bei uns dauert das immer...)

@ Eqv89: wie Du richtig festgestellt hast, bezieht sich die Charta auf Architektur und Denkmalpflege und war notwendig um den Bauherren ein wenig den Riegel vorzuschieben, ansonsten würden sie alles niederreißen, um Profit zu machen und so manche alte Gebäude wären schon längst geschliffen worden, weil die Modernisierung teurer und aufwändiger ist als ein Neubau. Erinnert mich ein wenig an den Tausch eines alten Uhrwerks gegen ein Batteriewerk...
Dass das nur "Richtlinien" und "Empfehlungen" sind und einen riesen Spielraum lassen, mussten wir bei uns in der Umgebung erfahren, als das schöne alte Hopfhaus weichen musste...

HOPFHAUS

So weit der Interpretationsspielraum, wenn es um Denkmalpflege geht.

Eine interessante Diskussion!

Ich hab so eine Art Theorie, dass das Existenzrecht von Gegenständen im Laufe der Jahre (Jahrhunderte) von einem "Zweck" hin zu einem ideellen oder historischen "Wert" übergeht. Was also einst eine Existenzberechtigung hatte, weil es einem Zweck diente, hat 400 Jahre später diesen Zweck vielleicht nicht mehr, aber dafür einen Wert.

Bei antiken/historischen Gegenständen (zb. Uhren) spaltet sich die Sammlergemeinde grob in zwei Gruppen:

- die einen legen den Fokus auf den Wert, ohne dabei den ursprünglichen Zweck aus den Augen zu verlieren. Sie finden es toll, wenn eine Uhr noch funktioniert, wollen aber den Originalzustand erhalten. Wenn die Uhr nicht mehr läuft, werden Reparaturmaßnahmen lieber nicht vorgenommen, wenn sie am Originalzustand etwas ändern.

- die anderen legen den Fokus auf den Zweck und haben dabei auch den Wert im Blick. Sie befürworten Reparaturen, auch mit modernen Mitteln, sofern sie – wie Bernhard so eloquent formulierte – minimalinvasiv sind und am Originalzustand so wenig wie möglich ändern.

Ich gehöre – ich gebe es zu – eher zur Gruppe 2. Ich repariere Uhren von relativ geringem historischen Wert, mit verbeulten Nickelgehäusen, beschädigten Zifferblättern, zerkratzten Platinen und Deckeln. Ich versuche natürlich möglichst reversible Methoden zu verwenden, also Schellack statt Superkleber und lieber ein Messingplättchen unter den Kloben, anstatt ihn mit Punzenschlägen anzuheben. Ich ersetze Gläser, Zeiger, Schrauben und Lager, drehe Wellen, löte Zifferblattfüße, und wenn sie hinterher wieder läuft, freue ich mich. Das alles ganz in dem Bewusstsein, dass ich nur einer von zahllosen Menschen bin, der an dieser Uhr schon herumrepariert hat und dass sie wahrscheinlich schon seit vielen Jahren nicht mehr wirklich "original" ist. Mich erfreut der Gedanke, dass diese Uhr nun wieder genau das tut, was sie schon vor 100 oder 140 Jahren getan hat.

Wobei ich Gruppe 1 natürlich nicht nur verstehe, sondern auch tief respektiere.

Zitat von Siverl im Beitrag #5

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@ Bernhard: danke, das ist doch gleich ein Beispiel einer gelungenen Restauration wo sogar die Anfertigung eines Teils um die "Ausgewogenheit der Komposition" entsprechend dokumentiert ist
Vielleicht zeigst Du im verlinkten Beitrag mal das fertige Objekt (sofern sie schon fertig ist, bei uns dauert das immer...)

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@Siverl Das Uhrmacherhäusl in München hat auch ein grausames Ende gelitten. Auch wenn es nicht so prächtig war, war es immerhin denkmalgeschützt. Der Besitzer muss das Haus wohl wieder neu bauen, aber das ist dann alles neu. Und alte Häuser sowie alte Uhren kann man nicht neu kaufen.

Zitat von monozelle im Beitrag #6

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Wobei ich Gruppe 1 natürlich nicht nur verstehe, sondern auch tief respektiere.

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Bei diesen Gedenakenspielen fällt mir das alte Prardaxon vom Schiff des Theseus und der verlorenen (oder doppelten) Identität ein:
Wer sich gerne mit solchen philosophischen Spielchen beschäftigt, siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Schiff_des_Theseus

Das taugt nicht nur übertragen zum drüber Nachsinnen, ob z.B. eine lebenslange Freiheitsstrafe gerechtfertigt ist (wenn doch irgendwann alle Zellen des Einsitzenden nicht mehr dieselben sind), ob gewisse bayr. Politiker noch für Jugendverfehlungen haftbar zu machen sind, oder wie lange ein Volk für Verbrechen verantwortlich zu machen ist, wenn irgendwann niemand aus der Tätergeneration mehr vorhanden ist.
Sondern auch für alle Fragen aus der Thematik von Reparartur, Restaurierung und Überrestaurierung, sei es bei Gebäuden, Kunstwerken, Kraftfahrzeugen (da ging ja unlängst ein Fall doppelter Identität bei einem Mercedes-Restaurator groß durch die Presse), oder eben auch Uhren.

Moritz

Bernhard, ein nichtoriginales Pendel einzubauen nur damit eine vorherige schlechte Reparatur kompensiert wird halte ich für keine angemessene Lösung.
Der Stellenwert der unsachgemäßen Reparatur wird damit zulasten des Ensembles weit überbetont.

Es sollte in meinen Augen bei einer guten Restaurierung darum gehen, das Objekt in seiner ursprünglichen Eigenheit soweit als möglich zu erhalten.
Dazu gehört der Erhalt der Gestalt und, so möglich, ihre dauerhafte Wiederherstellung genauso dazu wie der Erhalt der Funktion. Das kann über eine reine Konservierung des status quo weit hinausgehen, darf aber natürlich keine "Verbesserung" des Originalzustandes beinhalten. (Politur!)
Eine Funktionsmaschine wie eine Uhr muss auch laufen können um ihre Eigenheit zu zeigen.

Dass Reparaturen immer so deutlich sichtbar sein müssen, dass es dem Laien gleich auffällt sehe ich nicht.
Im Museum sieht man manchmal reparierte Keramiken, die aus 70% Ersatz bestehen. Wenn dieser Ersatz z.B. schneeweiss gestaltet ist, kann zwar jeder sofort sehen was nicht original ist, aber die originale Eigenheit des Gefäßes ist durch die überstarken Kontraste geradezu mutwillig verschleiert. Es wurde am Ziel vorbeigeschossen.
Ich denke es genügt, wenn der Fachmann eindeutig sieht was original ist und was ersetzt. Die Gravur eine Jahreszahl auf einem Neuteil finde ich da eine sehr gute Lösung.

Zitat von mikromeister im Beitrag #11

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Bernhard, ein nichtoriginales Pendel einzubauen nur damit eine vorherige schlechte Reparatur kompensiert wird halte ich für keine angemessene Lösung.
Der Stellenwert der unsachgemäßen Reparatur wird damit zulasten des Ensembles weit überbetont.

Es sollte in meinen Augen bei einer guten Restaurierung darum gehen, das Objekt in seiner ursprünglichen Eigenheit soweit als möglich zu erhalten.
Dazu gehört der Erhalt der Gestalt und, so möglich, ihre dauerhafte Wiederherstellung genauso dazu wie der Erhalt der Funktion.

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Zitat von Bernhard J im Beitrag #12

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Zumindest wäre eine solche konservatorische Maßnahme in Verbindung mit einem Pendelneubau keine Maßnahme, über welche später mal jemand meckern könnte.

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Zitat von steffl62 im Beitrag #13

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Ich halte es für viel schlechter gar nichts zu machen nur weil man sich davor fürchtet das das was man getan hat später kritisiert wird.

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Hiiiilfeee, jetzt fange ich wieder an zu grübeln ...

Bzw. ich habe absolut kein Problem damit, später mal kritisiert zu werden, Mist wäre nur, wenn es zu Recht wäre ...