Hallo,

besitze inzwischen 3 Pendeluhren, die entweder direkt nach dem Kauf oder nach längerer Zeit den Geist aufgegeben haben.
Vermutlich sind die Lager der Hemmung eingelaufen.
Da ich nun in der Altersteilzeit bin, könnte ich mir vorstellen, öfter mal Uhren zu reparieren.
Bräuchte jetzt eine detailierte Beschreibung, wie man ein Lager ausbuchst. Das Buch von Herrn Jendritzki leistet das leider nicht, hab's wieder zurückgehen lassen.
Bin Feinmechaniker, brauche also nicht erklärt kriegen, wie eine Drehmaschine benutzt wird, sondern z. B. speziell:
Wenn ein Lager eingelaufen ist, hat es die Form eines Langlochs. Wie zentriere ich das Werkzeug (Bohrer) genau auf die ursprüngliche Lagerbohrung? Gibt es dafür Spezialwerkzeuge (meine schon mal solche gesehen zu haben) oder macht man das optisch mit einer Zentrierspitze?
Würde die Lager auch selbst herstellen, wenn ich Futter zum Spannen von 0,5 mm oder kleiner Bohrungen finden würde. Werde für irgenwelche Spezialwerkzeuge nicht hunderte Euro ausgeben, da stelle ich diese lieber selbst her (Verfüge über Dreh- und Fräsmaschine).
Wäre schön, wenn mir einer von Euch Tipps für ein Buch geben könnte, das solche detailierten Beschreibungen enthält.
Danke
Grüße
Günder

Hallo,

das Buch, das Du suchst, gibt es nicht. Der "Großuhren-Jendritzki" ist DAS Buch für die Großuhren-Reparatur.
Alternativ gibt es noch "Alte Uhren reparieren" von L. Penman oder "Die Großuhr" von K. Dinger.

Wenn Du Lager ohne Spezialwerkzeug ausbuchsen willst, kannst Du so vorgehen:
Zentrisch zur Ölsenkung wird das ausgelaufene Lager rund gefeilt. Dann gebohrt. Dann eine Buchse 2-3 Hundertstel Übermaß zur Bohrung drehen und einpressen.
Rollensenker für die Ölsenkung kann bei größeren Lagern durch einen Radiusfräser ersetzt werden.

Wenn ein Lager stark ausgelaufen ist, ist auch häufig der Zapfen rau und eingelaufen. Dann kommst Du leider um Spezialwerkzeug zum Zapfen rollieren nicht rum.

Viel Erfolg!

Matthias

Hallo Günder,
gängige Praxis sind die Sets mit Buchsen und dazu passenden Reibahlen von KWM, um die ausgelaufene Bohrung für die neue Buchse aufzureiben.
Meines Erachtens wird eine solche Reibahle immer etwas der ausgelaufenen Bohrung nachlaufen, was eine versetzte neue Bohrung zur Folge hat.
Ohne andere Maschinen bleibt nur, die Bohrung vor dem aufreiben wieder zentrisch zu feilen.
Aus der Sicht eines Maschinenbauers ist dies nicht ausreichend.
Ich gehe deshalb einen anderen Weg.
Ich zentriere die Platine auf der Fräsmaschine mit einem kugeligen Punzen der Triebnietmaschine in der vorhandenen Ölsenkung und spanne die Platine dann fest. So habe ich die bestmögliche Position der alten Bohrung.
Dann steche ich die Bohrung mit einem kurzen Fräser mit Untermaß auf.
Anschließend reibe ich mit einer Maschinenreibahle auf Nennmaß.
Die Buchsen drehe ich selbst auf der Drehmaschine mit etwas Übermaß in der Länge.
Nach dem einpressen in die Platine müssen beide Seiten noch der ursprünglichen Kontur angepasst werden (Plansenker, Feile, Radiusfräser, Rollensenker). Im besten Fall sieht man nach der Reparatur nichts mehr davon.

Die Uhrenliteratur ist größtenteils schon Jahrzehnte alt. Empfehlen kann ich "Die antike Pendeluhr in der Reparatur" von Jendritzki. Das Buch gibt einen Querschnitt über die Konstruktion und Reparatur von Großuhren und geht auch gut auf die unterschiedlichen Schlagwerke ein.
Grüße
Achim

super, danke für die schnellen Antworten und Ratschläge. Hab jetzt mal das Buch "Alte Uhren reparieren" geordert.
Mal schauen. Vielleicht geht das Ausbuchsen ja schon nach Euren Vorschlägen.

Dank und Grüße
Günder

Servus Günder,

ich denke viel besser, als von @Achimk und @Alberich beschrieben, wirst Du es auch in der Literatur nicht finden.

Eine kleine Ergänzung von mir noch - die Ölsenkungen sind nicht immer zentrisch zur Lagerbohrung eingebracht und daher verwende ich sie nicht, um die Lagerposition festzulegen.
Stattdessen taste ich mit einem konischen Stift die Originalposition an und setze die Platine dort fest, bevor ich auffräse (wie von Achim erklärt). Die Originalposition zu finden ist nicht schwer, da die Lager durch Verschleiß nur in eine Richtung "wandern", nämlich weg vom Druckvektor. Du legst den Tastkonus also in denjenigen Halbkreis der Lagerbohrung, der noch unverändert in seiner Position ist. Schau Dir das am besten einmal am Objekt mit einer Lupe an, dann sollte klar werden, wie es gemeint ist.

Vorsicht ist geboten, wenn das betroffene Lager in der Vergangenheit bereits ausgebuchst wurde und evtl. schon damals die Position nicht genau getroffen wurde. Die Fehler können sich dann ggf. addieren und irgendwann stimmt die Eingriffstiefe überhaupt nicht mehr und die Rad/Trieb Paarung läuft schwergängig. In solchen Fällen lieber das vorhandene Lager zufüttern, den Achsabstand neu ermitteln und danach ein neues Lager setzen.

ja megasonic,

so habe ich mir das auch gedacht, wusste jedoch nicht, ob die Profis dafür eventuell eine andere, bessere Methode anwenden.

Hallo zusammen,

meist mache ich das wie von megasonic beschrieben:
Ein schlanker Kegel steckt im Futter der Fräsmaschine und zentriert nach der ursprünglichen Bohrung. Dann werden die Spannpratzen angezogen. An der Pfeilspitze kann man den ausgelaufenen Lagerteil erkennen. Nach diesem Prinzip arbeitet auch der KWM Einpressapparat.
372b_Lager.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Die Idee von Achimk hat mir aber so gut gefallen, daß ich das demnächst ausprobiere.

Viele Grüße!

Matthias

Hallo,

gerade eben ist das Buch 'Alte Uhren reparieren' von Laurie Penman bei mir eingetroffen und nach dem Durchblätter kann ich nur sagen: Super
@Alberich
ja, so werde ich das auch mal versuchen.
Danke für Eure Ratschläge

Günder

Nicht immer gleich das schlimmste vermuten.
Ich hatte bis jetzt noch nie ein eingelaufenes Lager.
Meistens reicht ein zerlegen, reinigen und ölen.

Hallo Peter,

vielleicht reparieren wir unterschiedliche Uhren, aber bei meinen Reparaturobjekten sind fast immer Lager ausgelaufen, und meist mehrere.
Nicht alle so schlimm wie das Hermle:

262_Hermle.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Viele Grüße!

Matthias

Hallo,

habe nun die Hemmungslagerung der ersten Uhr mit der Lupe untersucht und festgestellt, wie schon Peter_60 erwähnte, dass die Lagerbohrungen nicht eingelaufen sind. Die Zapfen sind jedoch etwas rau, es hat sich darauf auch offensichtlich Messingabrieb festgesetzt. Es wird empfohlen die Zapfen mit einer Zapfenpolierfeile zu polieren, ich kann eine solche jedoch nirgends finden. Weiß jemand, wo man eine Zapfenpolierfeile käuflich erwerben kann? Könnte mir auch vorstellen, ein 1000er Schleifpapier auf ein Flacheisen zu kleben. Das sollte die gleiche Funktion erfüllen. Man könnte auch ein Flacheisen mit hohem Kohlenstoffanteil (Bsp. C100) sandstrahlen und dann härten. Das ist jedoch ziemlich aufwändig.
Habt Ihr andere Vorschläge?
Grüße
Günder

Ja,bei Flume, Boley oder in der Bucht (Ebay),Zapfenpolierfeilen für Grußuhren.
DSC01885.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) DSC01883.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Hier waren alle Lager fällig,von 10 Uhren so ca.8 wo Lager fällig sind.

Hallo Günder,
Eine gute Beschreibung zu den Zapfenpolierfeilen gibt es im Buch "Der Uhrmacher am Werktisch" von Wilhelm Schultz.
Das gibt es sowohl als gedrucktes Buch als auch als PDF.
Meine Feilen habe ich aus Nadelfeilen hergestellt, indem ich den Hieb weggeschliffen habe.
Ziel ist eigentlich, Überstände und Rillen zu egalisieren und die Oberfläche des Zapfens mit der härteren Feile zu glätten .
Ich markiere die Zapfen vor der Bearbeitung mit Edding, dann sieht man, wo die Feile trägt.
Wenn alle Farbe weg ist, ist der Zapfen im Idealfall zylindrisch und glatt poliert.
Mit Schmirgelpapier wird der Zapfen eher ballig oder konisch, da sich das Papier unterschiedlich wegdrückt.
Grüße
Achim

Hallo,

Zitat von Günder im Beitrag #11

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eine solche jedoch nirgends finden. Weiß jemand, wo man eine Zapfenpolierfeile käuflich erwerben kann?

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Zitat von Günder im Beitrag #11

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Könnte mir auch vorstellen, ein 1000er Schleifpapier auf ein Flacheisen zu kleben.

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Zitat von Günder im Beitrag #11

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Man könnte auch ein Flacheisen mit hohem Kohlenstoffanteil (Bsp. C100) sandstrahlen und dann härten. Das ist jedoch ziemlich aufwändig.
Habt Ihr andere Vorschläge?

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DSC01890.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) DSC01892.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Mal zum schauen,ziehe auch Feilen ab,die von der Rückseite glatt sind.
Nehme auch Degusit-Steine wenn die Riefen nicht so tief sind.