Hallo, ich melde mich auch mal wieder zurück. Ich habe in meiner Sammlung Zuwachs bekommen und zwar handelt es sich um eine recht große Schweizer Taschenuhr aus 800er Silber. Die Technik ist nichts besonderes, Ankerhemmung und wohl relativ wenig Lagersteine. Insgesamt wohl eher eine einfache Uhr, wobei sie immerhin eine Kompensationsunruh zu haben scheint. Die Größe ist allerdings beeindruckend, misst sie doch immerhin 59,5,mm im Durchmesser! Der Zustand der Uhr ist noch recht gut, das Glas hat ein paar Kratzer und auf dem Zifferblatt hat sie einige kleine Verfärbungen.
Spannend ist, dass der Innendeckel nicht aus Metall ist, sondern aus Kupfer zu bestehen scheint (auf dem Innendeckel ist Cuivre vermerkt). Hat das eine besondere Bewandtnis? Ansonsten findet man den üblichen 800er Silber Stempel und den Halbmond-Krone Stempel der ja das Importzeichen von der Schweiz nach Deutschland darstellt, richtig? Dann findet sich noch ein "JP" Stempel, bei dem ich nicht weiß was er bedeutet... Könnt ihr mir da weiterhelfen? Zum Alter der Uhr bin ich mir etwas unsicher, aber aufgrund der Zeigerverstellung über den separaten Drücker würde ich so um 1890 tippen? Das Werk ist von eher einfacherer Qualität oder?
Insgesamt eine sehr schöne Uhr wie ich finde, die aufgrund ihrer Größe durchaus eine kleine Besonderheit darstellt.
Halbmond mit Krone ist kein Importzeichen, sondern der Deutsche Reichs-Silberstempel.
"JP" gibte es bei Mikrolisk mehrfach. Meist handelt es sich um Jean U. Parel, eine Schweizer Firma, die vermutlich das Gehäuse Deiner TU gefertigt hat.
Du meinst, der Innendeckel bestehe aus Kupfer? Ich könnte mir vorstellen, er besteht ebenfalls aus Silber und ist evtl. hauchvergoldet.
Ich glaube tatsächlich, dass der Innendeckel aus Kupfer besteht, man kann unten im Innendeckel wenn man genau hinschaut den Schriftzug „Cuivre“ lesen, was auf französisch wohl tatsächlich Kupfer heißt. Ich hab den Bildausschnitt des Innendeckels noch mal vergrößert: 46FDEF55-9DDA-4844-90A4-AA517E278615.jpeg - Bild entfernt (keine Rechte)
Zitat von Enno im Beitrag #2Du meinst, der Innendeckel bestehe aus Kupfer? Ich könnte mir vorstellen, er besteht ebenfalls aus Silber und ist evtl. hauchvergoldet.
Ich glaube, @doni1294 hat recht. Soweit ich weiß, wurde bei einer Taschenuhr, deren Gehäuse aus einem edlen Metall wie Silber oder Gold bestand, "cuivre" auf die Teile geschrieben, die eben nicht aus diesem edlen Metall bestanden. Ob das gesetzlich so vorgeschrieben war oder sich die Hersteller damit gegenüber den Kunden einfach ehrlich verhalten wollten, weiß ich nicht. Ich habe aber mal gelesen, daß einige schwarze Schafe "cuivre" in komplett unedle Gehäuse geschrieben haben, damit der arglose Käufer im Umkehrschluß denkt, außer dem beschrifteten Teil wäre alles andere aus einem edlen Metall.
Wie @Enno glaube ich aber auch, daß der Staubdeckel vergoldet ist, da ich mir nicht vorstellen kann, daß reines Kupfer nach so langer Zeit noch so schön glänzt.
Zitat von doni1294 im Beitrag #1Die Technik ist nichts besonderes, Ankerhemmung und wohl relativ wenig Lagersteine. Insgesamt wohl eher eine einfache Uhr, wobei sie immerhin eine Kompensationsunruh zu haben scheint. Die Größe ist allerdings beeindruckend, misst sie doch immerhin 59,5,mm im Durchmesser!
Ich vermute die üblichen 15 Steine, es sei denn, die unteren Lager von Kleinboden- und Sekundenrad sind nicht besteint, ist mir bei den großen Doxa Dienstuhren schon begegnet. Wäre nicht ungewöhnlich, dann wären es 13. Keine Kompensationsunruh - der Reif ist monometallisch und nicht durchgesägt.
Mir fällt das Zifferblatt auf. Ich glaube, das ist nicht original. Sitzt das nicht ganz mittig oder täuscht das wegen der Reflexe und Schatten? Auch der Abstand der Ziffern zum Rand hin ist auffallend breit, die Zeiger ragen über die Minuterie hinaus.
Und bitte schnell den Fingerabdruck vom Innendeckel abwischen, sonst frisst der sich rein.
Grüße aus Berlin, Ingo -----------------------------------
Fingerabdruck ist entfernt, danke für den Hinweis!
Also sind die kleinen Gewichte außen an der Unruh nur „Deko“ wenn es gar keine Kompensationsunruh ist?
Also das Zifferblatt sitzt exakt mittig, das sieht tatsächlich nur durch die Reflexionen und die Schatten so schief aus. Ob das mal getauscht wurde kann ich nicht sagen, ist es denn ein zwingendes Merkmal, wenn die Zeiger über die Minuterie hinausragen?
Nein, die Schrauben sind Regulierschrauben. Man kann dort kleine Regulierscheibchen unterlegen, um den Reif auszuwuchten. Das macht man nach einem Eingriff wie z.b. Tausch der Unruhwelle.
Metalle reagieren ja auf Temperatur. Sie dehnen sich beim Erhitzen aus und bei Kälte schrumpfen sie zusammen. "Kompensationsunruh", "kompensierter Unruhreif" etc. bedeutet, dass der Reif (der Ring) in der Lage ist, sich bei Temperaturveränderung auszudehnen oder zu verkleinern, um so den Außendurchmesser der Unruh zu verändern und dadurch wiederum Gangfehler bei natürlichen Temperaturschwankungen zu kompensieren. Das würde man an zwei Dingen sehen: a) der Reif besteht innen und außen aus zwei verschiedenen Metallen und b) er ist in der Nähe der Schenkel durchgesägt.
Die Zeiger sind für dieses Blatt zu lang und der Abstand zum Rand ist groß. Es gibt Lünetten mit breiterem Rand, eigentlich sind solche Blätter eher für sowas vorgesehen. Aber zwingend ist eigentlich gar nichts, denn was eine solche Uhr in ihrem langen Leben alles erlebt hat, vermag niemand zu sagen.
Grüße aus Berlin, Ingo -----------------------------------
Zitat von monozelle im Beitrag #7Nein, die Schrauben sind Regulierschrauben. Man kann dort kleine Regulierscheibchen unterlegen, um den Reif auszuwuchten. Das macht man nach einem Eingriff wie z.b. Tausch der Unruhwelle.
Metalle reagieren ja auf Temperatur. Sie dehnen sich beim Erhitzen aus und bei Kälte schrumpfen sie zusammen. "Kompensationsunruh", "kompensierter Unruhreif" etc. bedeutet, dass der Reif (der Ring) in der Lage ist, sich bei Temperaturveränderung auszudehnen oder zu verkleinern, um so den Außendurchmesser der Unruh zu verändern und dadurch wiederum Gangfehler bei natürlichen Temperaturschwankungen zu kompensieren. Das würde man an zwei Dingen sehen: a) der Reif besteht innen und außen aus zwei verschiedenen Metallen und b) er ist in der Nähe der Schenkel durchgesägt.
War sowieso gerade dabei, zu Dokumentationszwecken Fotos einer Taschenuhr zu machen, da kann ich auch gleich welche als Illustration von Ingos (@monozelle) Erklärung hier einstellen. Nicht am "Schmodder" auf den Fotos stören, die Uhr ist noch nicht revidiert.
Hier eine Detailaufnahme der Kompensationsunruh, auf der man sieht, daß der Reif aus zwei Metallen besteht (Stahl/Messing?) und daß er durchgesägt ist, damit er bei Temperaturänderungen "arbeiten" kann. kompensationsunruh1.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Und hier eine Detailaufnahme der Kompensationsunruh, auf der man zwei Schrauben sieht, unter die jeweils ein Regulierscheibchen gelegt wurde (um an dieser Stelle das Gewicht zu erhöhen). Die Scheibchen gab es in verschiedenen Abstufungen. Es gibt auch rabiatere Methoden ohne Scheibchen, bei denen man etwas vom Rand der Schraube wegfeilt oder mit einem kleinen Bohrer aus dem Schraubenkopf herausschält. Keine Ahnung ob letzteres als "gutes Handwerk" angesehen wird. Unruhreifen ohne Schrauben kann man übrigens so auch auswuchten, indem man, wiederum mit einem kleinen Bohrer, etwas von der Unterseite des Reifs wegnimmt. In späteren Jahren ging dieses "Auswuchten" wohl sogar maschinell, wodurch Schraubenunruhen obsolet wurden. kompensationsunruh2.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Danke für die Blumen . Kann ich, glaube ich, noch toppen. Foto von heute nachmittag: Die Ankerhemmung bei der Arbeit. OK, ehrlich gesagt, aktuell im Stillstand wegen der gut sichtbaren Verschmodderung.
ankerhemmung.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Ehe sich jemand Sorgen macht: Nein, dem Ankerrad geht's gut, dem fehlt kein Füßchen, auch wenn es so aussieht. Bin bei Betrachtung des Fotos auch erst erschrocken und habe noch mal das Ankerrad inspiziert. War falscher Alarm, alles gut.
Ich habe über meiner Werkbank eine Canon EOS R als Overhead-Kamera installiert, mit einem normalen 100mm Makro. Wenn's ganz klein wird, dann noch mit einer 150er oder 250er Makrolinse davor. Scharfgestellt wird manuell, das kriegt die Automatik bei einem Uhrwerk nicht hin. Da gibt es zu viele mögliche Schärfeebenen und die Kamera weiß ja nicht, welche ich gerade brauche. Mit Focus-Peaking kann man manuell aber problemlos auf jedes Schräubchen scharfstellen. Den Rest Vergrößerung kann man dann bei Bedarf noch in Lightroom rausholen, bei 30MP-Bildern hat man ja noch genug Reserven zum Reinzoomen.
Mit einem Extra-Bildschirm, der das Kamerabild anzeigt, benutze ich das Setup während der Arbeit aber in der Tat manchmal als Mikroskop. Die Entscheidung, ob ein Zapfen jetzt schon im Lagerloch ist oder nicht, kann ich leider auch mit Lupe nicht mehr treffen. Am Bildschirm aber kein Problem.
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24.06.2022 20:33 (zuletzt bearbeitet: 24.06.2022 20:36)
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. Kann ich, glaube ich, noch toppen. Foto von heute nachmittag: Die Ankerhemmung bei der Arbeit. OK, ehrlich gesagt, aktuell im Stillstand wegen der gut sichtbaren Verschmodderung.
