Hallo zusammen, ich bin neu in diesem Forum und möchte mich natürlich kurz vorstellen. Bin Jahrgang 58 und komme aus dem Großraum Stuttgart. Im Moment noch in der passiven Phase der Altersteilzeit, werde ich nächstes Jahr zu Rentner. Ich weiß noch gar nicht so genau, ob das hier das richtige Forum für mich ist. Aber Feinmechanik hat mich schon immer interessiert und mein Berufsleben habe ich als Fertigungstechnologe verbracht. Der momentane Einstieg hier ist dem Umstand zu verdanken, dass meine Frau von einer betagten Tante die goldene Taschenuhr ihrer Urgroßmutter bekommen hat. Diese Urgroßmutter ist vor 68 Jahren gestorben, und seitdem lag die Uhr wahrscheinlich überwiegend in irgendwelchen Schubladen. Es ist eine goldene Remontoir Cylindre 10 rubis No 11443. Nach kurzem Aufziehen der Krone fing sie sofort an zu ticken. Auch das Verdrehen der Zeiger nach Drücken des Schalters mit dem Fingernagel hat sofort funktioniert. Sorge bereitet mir das Uhrglas. Nach Öffnen der Uhr fällt es einem entgegen. Eventuell wurde es das Orginalglas in der Vergangenheit unsachgemäß gewechselt? Da meine Frau zu besondere Familienanlässen die Uhr auch umhängen möchte, habe ich nun einige Fragen: - Wie bringt man das mit dem lockeren Uhrglas in Ordnung? Ich will ja nicht, dass beim Öffnen der Uhr das Glas auf den Boden fällt. - Ist nach so langer Ruhephase der Uhr so etwas wie Reinigung/Wartung notwendig? - Kann mir jemand etwas über Herkunft und Alter der Uhr sagen? Ich würde mich sehr über Antworten freuen.
Hallo Norbert! Herzlich Willkommen und ein Gruß aus Berlin - vielleicht hat sich jemand schon per PN bei dir gemeldet, ansonsten beantworte ich hier mal deine Fragen.
Eine gut erhaltene kleine Damen-TU, Savonette mit Zylinderhemmung und Gehäuse aus 14 Karat Gold (0,585 Feingehalt). Das Symbol der Krone auf der Innenseite des Deckels ist der Reichsgoldstempel. Die Zylinderhemmung hat 10 Rubine, was im Allgemeinen die maximale Anzahl an Lagersteinen bei dieser Bauweise ist. Ist also keine Billiguhr und hatte zu ihrer Zeit einen gewissen Wert. "Remontoir" bedeutet "Kronenaufzug".
Zitat- Wie bringt man das mit dem lockeren Uhrglas in Ordnung? Ich will ja nicht, dass beim Öffnen der Uhr das Glas auf den Boden fällt.
Alles gut. Nicht das Glas ist locker, sondern die Lünette (der Glasring) ist einfach nicht richtig aufgepresst. Das ist keine große Sache, man muss nur vorsichtig sein und darf nur am Rand (!) drücken. Das Glas - wenn es Mineralglas und kein Plexiglas ist - ist sehr dünn. Die kleine Aussparung, die du da siehst, ist für die Zunge, die den Sprungdeckel entriegelt, beim Pendanten (den Tragebügel). Wenn du dir unsicher bist, bring sie zu einem Juwelier oder Uhrmacher, der macht das wahrscheinlich in 10 Sekunden.
Zitat- Ist nach so langer Ruhephase der Uhr so etwas wie Reinigung/Wartung notwendig?
Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist nach langer Liegezeit das Öl in den Lagern verharzt und klebrig geworden. Auch wenn sie läuft, eine Revision würde ihr gut tun. Das kann ein Uhrmacher erledigen. Dauert aber länger und kostet auch ein bisschen was. Man muss sich dabei immer vor Augen halten, dass diese Uhren massiv an Wert verloren haben - die Arbeit des Uhrmachers wird wahrscheinlich um einiges mehr kosten als die Uhr wert ist.
Zitat- Kann mir jemand etwas über Herkunft und Alter der Uhr sagen?
Dazu müsste man das Werk sehen. Der Zifferblattstil sagt frühes 20. Jahrhundert, 1900 bis 1910 vielleicht. Wäre mein Tipp. Aber wie gesagt, ein Blick auf das Werk kann eventuell mehr Auskunft geben.
Ein Tipp für Dich - oder Deine Frau als frischgebackene Savonette-Besitzerin: Niemals den Deckel einfach so mit einem "Knack" zudrücken, wie man es oft in Filmen sieht. Sieht lässig aus, beschädigt aber auf Dauer den Deckelrand, irgendwann greift die kleine Zunge nicht mehr und der Deckel bleibt nicht mehr zu. Das ist kaum zu reparieren. Stattdessen Krone drücken und Deckel schließen, dann Krone loslassen.
Grüße aus Berlin, Ingo -----------------------------------
Hallo Ingo, vielen Dank für Deine Antwort. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Damit Du auch das Uhrwerk unserer Savonette sehen kannst, habe ich ein weiteres Bild angefügt. Dank Dir habe ich jetzt schon ein wenig von der Terminologie in der Uhrenwelt gelernt. Wie z.B. das Wort Lunette. Wenn ich mir Details der Uhren bzw. andere kleine Dinge genauer anschauen möchte, benutze ich immer das Objektiv eines alten Diaprojektors. Damit bekomme ich eine beachtliche Vergrößerung beim Betrachten filigraner Dinge. Diese Lunette die nicht halten will ist offenbar die Plexiglasvariante. Weder an der Nut der Uhr noch an der Hinterschneidung der Lunette sind störende Deformationen sichtbar. Aber das Einclipsen will einfach nicht funktionieren. Auf Deinen Rat hin, bin ich hier in unserer Kleinstadt zu 2 Juwelieren/Uhrmachern gegangen. War nicht so prickelnd. In beiden Fällen war kein Uhrmachern greifbar. Im ersten Laden sollte ich die Uhr dort lassen, damit der Uhrmacher mir einen Kostenvoranschlag für Revision, Reparatur etc. machen kann. Im zweiten Laden war der Uhrmacher auch nicht da. Ich ich sollte die Uhr dalassen, man würde die Lünette festkleben. Im übrigen gäbe es solche Lunetten nicht mehr. Die Antworten haben mich nicht wirklich begeistert, also habe ich die Uhr wieder mitgenommen. Ich werde jetzt mal dieses Forum genau studieren. Vielleicht finde ich ja einen Hinweis, wohin ich mich mit meinem Problem wenden kann. Wenn mir jemand einen Tipp geben kann, bin ich auch dankbar. Mach's gut! Norbert Uhrwerk.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Hallo Norbert - ich muss an der Stelle betonen: Ich selbst bin kein Uhrmacher, sondern Hobbyist und lerne selbst noch.
Es wundert mich, dass das Aufsetzen der Lünette solche Probleme bereitet. Ist es denn überhaupt die, die auch zum Gehäuse gehört? Also eine Lünette zu kleben halte ich für keine gute Idee. Es gibt andere Möglichkeiten, eine zu lockere Lünette fest genug aufzusetzen.
Das Werk ist eine relativ gewöhnliche Zylinderhemmung mit 10 Rubinen, aber gut erhalten. Ein Problem sehe ich: Der Rückerzeiger fehlt, wahrscheinlich abgebrochen.
Wegen Uhrmachern im Raum Stuttgart schicke ich dir mal eine PN. Es gibt eine Liste in einem anderen Forum, vielleicht ist einer dabei.
Vielleicht liest ja auch hier jemand mit, der sich der Sache annehmen kann.
Grüße aus Berlin, Ingo -----------------------------------
Hallo Norbert, auch von mir ein "Herzlich Willkommen"!
Zitat von Hora@Labora im Beitrag #1Ich weiß noch gar nicht so genau, ob das hier das richtige Forum für mich ist.
Warum nicht? Hier bekommst Du von vielen Leuten Tips zur Reparatur, egal, ob Du Armbanduhren, Wecker oder Turmuhren reparieren willst. Es gibt ja viele Foren, wo die Mitglieder sich gegenseitig übertreffen wollen, wer sich denn nun die teuerste Armbanduhr leisten konnte. Das ist nicht der Zweck dieses Forums! Ich habe hier sehr viel gelernt, vor allem was ich früher als Autodidakt für Fehler gemacht habe. Außerdem helfen wir uns hier auch gegenseitig mit Ersatzteilen aus. Ich denke schon, daß Du hier richtig bist! [/quote]
Hallo Paul, verzeih mir meine Unwissenheit. Da ich überhaupt nicht weiß was ein Deckstein ist, offenbart sich mir gar nichts. Ihr werdet mich sicher aufklären können. Bin schon gespannt. Norbert
Hallo Norbert, Die Lünette hat nur einen ganz schmalen Rand der einrastet bei leichtem Druck,wenn der Druck zu kräftig war ist der Rand platt. Rückerzeiger ist nicht so wild,kann auch anders gestellt werden,Regulieren lohnt sich aber nicht wirklich da 5 Minuten + oder - durchaus normal sind bei einfachen Zylinder Taschenuhren. Wegen der Lünette kannst Du auch mal bei Goldschmied nachfragen,gibt Einige die auch TU-gehäuse machen. Aber die Uhr hat nur einen idelen Wert und eine Überholung würde den Wert um einiges übersteigen. Der Deckstein sitzt über der Unruhe. Gruß Manfred
@Paul Eble - Also mich würde auch interessieren, was du auf dem Foto am Deckstein gesehen hast. Mir ist da nichts weiter aufgefallen und ich lerne gern dazu.
Grüße aus Berlin, Ingo -----------------------------------
Auf dem vorliegenden Bild sind eindeutige Bruchkanten zu sehen. Falls es sich dabei um eine Spiegelung oder Verzerrung, ursächlich durch die Fotografie handeln sollte, na Gut.
Hallo zusammen, Eure rege Anteilnahme und Eure Kommentare haben mich neugierig gemacht. Also habe ich erst einmal optisch aufgerüstet, um die filigranen Feinheiten dieses Erbstückes kennenzulernen. Schnell wurde mir klar, warum die Lunette mit ihren Uhrglas sich nicht mehr einclipsen lässt. Irgendwann in grauer Vorzeit ist wohl mal der dünne Ring der Lunette aufgeplatzt. Ein Goldschmied hat versucht, mit einem kleinen Flicken und Lot diesen Riss zu flicken. Aus meiner Sicht eine beachtenswerte Arbeit. Hat aber leider nicht ganz geklappt, aufclipsen lässt sich die Lunette immer noch nicht. Am Deckstein erkennt man jetzt auch gut die Ausbruchstelle des Rückerzeigers. Ansonsten fallen mir da keine schlimmen Schäden auf. Wenn ich mir die Schlitze einiger Schrauben anschaue, so hat da auch schon mal jemand mit ungeeigneten Schraubendrehern rumgeschraubt. Witzig finde ich die halben Schrauben und die kleinen Splinte aus Kupfer. Das scheint aber wohl ein zeitgemäßer Bauzustand zu sein. Grüße Norbert Hier für Euch noch einige Bilder:
Hallo Norbert, cool, dass du das herausgefunden hast mit der Lünette! Respekt!
Die Splinte sind die Zifferblatt-Füße. Die sind aus Kupfer und haben eine Einkerbung für die Hütchenschraube, die den Zifferblattfuß beim herausschrauben nach oben zieht und so das Zifferblatt fixiert. Die Schrauben mit halbem Kopf sind die Werkhalteschrauben. Der halbe Kopf greift in den Gehäuserand und hält das Werk fest.
Diese Bauweise ist eigentlich der Klassiker und das wird, wenn mich nicht alles täuscht, bei vielen Uhren bis heute so gemacht.
Grüße aus Berlin, Ingo -----------------------------------
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11.05.2022 09:34
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