Hallo Liebe Forenmitglieder!

Ich bin Günter aus Wien und schon länger Uhrenfan jeglicher Art. Ich komme eigentlich aus der Elektronikszene, bin also zumindest mit kleinteiligen Fummeleien schon etwas vertraut. Zuerst mal danke, dass es dieses Forum gibt und auch so viele hilfreiche Menschen hier mitwirken. Danke! Ich würde mich nun gerne mehr dem eigentlichem Handwerk widmen bzw. mehr darüber lernen. Ich habe von Verwandten eine Warmink Wuba Tischuhr erhalten, die sich zwar aufziehen lässt jedoch nicht mehr von alleine läuft. Sie haben sie immer pfleglich behandelt, d.h. von groben Beschädigungen würde ich jetzt nicht ausgehen. Man kann das Werk sogar sanft anstupsen, dann läuft sie für ein paar Sekunden aber bleibt dann wieder stehen. Das Schlagwerk funktioniert auch noch (kurz, wenn man es von Hand ein bisschen antreibt). Die Zeiger gehen etwas schwergängig. Ich denke also, nachdem die Uhr für sicher 15 Jahre stillstand einfach das Öl eingetrocknet ist und sie einfach ein bisschen Liebe im Werk benötigt. Zumal ist sie auch schon etwas staubig innen.

Ich habe mich nun schon eingelesen in die verschiedenen Einträge hier bzw. mir auch schon ein Buch besorgt und sauge gerade alle Infos auf. Jetzt würde mich interessieren ob ihr noch weitere Tipps habt für mich bzw. ob meine Vorgehensweise so korrekt und anzuraten ist. Gleichzeitig würde mich noch interessieren für wie schwierig ihr dieses Unterfangen (für zwar einen Anfänger aber mit Reparatur-Kenntnissen) hält. Bei dem Uhrwerk handelt es sich um das original Warmink Wuba Uhrwerk mit Viertelstunden und Stundengong, und Mondphasenanzeige.

Meine Vorgehensweise wäre wie folgt (ich versuche möglichst günstig aber dennoch korrekt zu arbeiten, und wenn ich das Hobby dann weiterverfolge mir eventuell besseres Equipment zulege):

Notwendige Zutaten besorgen
Soweit würde ich mir ein Reinigungsmittel besorgen (ich habe keinen US-Reiniger), kann ich hier zu normalen Waschbenzin aus dem Baumarkt greifen oder würdet ihr mir eine Spezialflüssigkeit empfehlen? Falls ja, würde ich vermutlich ein Fertigkonzentrat für die Reinigung besorgen. Desweiteren würde ich mir einen Ölgeber besorgen (hier weiß ich noch nicht welche Größe gut wäre) und das Dr. Tillwich Präzisionsschmierstoff Uhrenöl Sorte 3-5 soweit ich das richtig recherchiert habe.

Sobald ich alles vorbereitet habe gehe ich wie folgt vor (selbstverständlich würde ich währenddessen viele Bilder machen, das schreibe ich jetzt nicht extrig dazu):

1. Zeiger abnehmen und beiseite legen.
2. Gehäuseschrauben lösen und Uhrwerk herausziehen.
3. Beide Federn entspannen, denkt ihr wäre das mit dem original Schlüssel und einem zweiten Paar Hände ratsam oder besser gleich zu einem richtigen Werkzeug greifen?
4. Platinen abnehmen
5. Uhrwerk komplett zerlegen
6. Teile in die Reinigungsflüssigkeit einlegen - Die Federn eher nicht, gibt es sonst noch Teile die da nicht reingehören? Die Schlaghämmer vom Gong?
7. Kontrolle der Lager und Zapfen - Soweit verstanden, dürfen diese nicht verbogen sein und nicht zu viel Spiel haben.
8. Zusammenbau
9. Ölen mit dem Ölgeber - Wobei mir hier noch nicht 100% klar ist wo überall wie viel Öl hingehört, habt ihr da eine Ressource wo man das nachlesen kann?
10. Funktionstest und Wieder-Einbau

Ist diese Vorgehensweise so korrekt und anzuraten? Würdet ihr mir noch etwas anderes Vorschlagen? Und wie müsste ich vorgehen wenn tatsächlich etwas kaputt ist, brauche ich für die Zapfen und Lager zwingend Originalteile oder gibt es hier einfach passende Größen die man bestellen kann? Nach was müsste ich da genau suchen?

Ziel des Ganzen sollte es natürlich sein das Uhrwerk wieder zum Laufen zu bringen und keinen Schaden anzurichten. Mir geht es nicht darum, dass die Uhr danach nun eine Ganggenauigkeit von 2 Sekunden pro Monat hat (was sowieso unmöglich ist) sondern, dass diesem "alten" Stück wieder etwas Leben eingehaucht wird.

Ich bedanke mich gleich im Voraus für eure Antworten und nochmals Danke für dieses tolle Forum und die Menschen die es Pflegen.

Liebe Grüße
Günter

Hallo Günter und

Deine Herangehensweise ist soweit korrekt - das Abspannen der Feder geht mit einem Abspannschlüssel oder dem zugehörigen Aufziehschlüssel und einem einem kleinen Schraubendreher, um die Sperrklinke zu öffnen.

Der Rest stimmt soweit - zur Reinigung habe ich als Selbsthilfe sehr gute Erfahrungen mit OXI-Reiniger (gibt es in Pulverform als no-name bei DM) in lauwarmen Wasser gemacht - da geht alles Grobe sehr gut ab. Feinreinigung Platinen usw mit Putzholz, Pfeifenreiniger etc.pp.

Ölen kannst Du bei einer Großuhr eigentlich alle Lager - weitere Tips folgen sicherlich

Hallo Günter,


Literatur hast Du schon, das ist die richtige Vorgehnsweise. Falls noch nicht beschafft, würde ich Dir von Klaus Dinger "Die Großuhr" empfehlen.
Ich würde Dir weiter raten, mit einem einfacheren Werk zu beginnen. Schwierig ist nicht das Zerlegen, sondern das korrekte Zusammensetzen.
Die Schlagwerk-Räder müssen in bestimmten Positionen zu einander stehen, sonst läuft das Schlagwerk nicht korrekt.
Suche Dir einen billigen Regulator, der möglichst noch funktioniert.
Beim ersten Versuch schon auf Fehlersuche zu gehen ist sehr sportlich.
Benzin als Reiniger ist nicht ideal, da verharztes Öl nicht gelöst wird - für erste Versuche aber machbar. Ich verwende den wässrigen Reiniger Elma 1:9.
Ultraschall brauchst Du fürs Hobby nicht unbedingt, Du kannst Dir mit Schwenken und Pinseln behelfen, wenn die Arbeitszeit nicht zählt.
Für den Anfang kannst Du auch mit einem blanken Kupferdraht ölen, der vorne evtl. etwas breitgedrückt wird.
Mache viele Photos, und dann ran!


Viele Grüße!

Matthias

Hallo Günter!

Ich merke schon, da geht einer überlegt an die Sache ran

Warmink Wuba mit Viertelstundenschlag und Stundenschlag ... klingt nach Westminster für mich und heißt bei diesem Hersteller, der eigentlich keine eigenen Uhrwerke gebaut hat oft Hermle 340 Das ist hinzubekommen, gehört zur servicefreundlichen Sorte und es gibt noch alles als Ersatzteil. Du kannst dir also die Reparatur von Rädern und Lagerzapfen wohl sparen (und damit Werkzeug).

Beim Abspannen der Federn würde ich einfach mal so vom Aufzugsschlüssel abraten Das gibt gerne ein Aua auf die Finger. Wenn du keinen speziellen Abspanner kaufen willst, dann nimm ein Stück festen Gartenschlauch, mach in das eine Ende einen Schlitz, damit die "Flügel" des Aufzugsschlüssel durchpassen und sicher das Ganze z.B. mit einem Kabelbinder. So kannst du bequem z.B. mit einem Schraubenzieher die Sperrklinke lösen und den mit dem Gartenschlauch verlängerten Schlüssel durch die Hand gleiten lassen. Zu zweit geht's natürlich noch viel besser.

Waschbenzin aus dem Baumarkt reicht zum Reinigen. Riecht halt nicht gut Aber kostet auch nicht viel.

Das Tillwich Öl 3-5 reicht. Zusätzlich wirst du an einem Westminster-Werk auch ein wenig Fett benötigen. Da braucht's aber kein Superspezialfett.

Du kannst ja mal ein Foto vom Uhrwerk einstellen, damit wir es sicher identifizieren können. Manche Werke haben so ihre Besonderheiten/Schwachstellen auf die man bei der Revision ein besonderes Augenmerk haben sollte.

Schönen Guß!
Markus

Hallo Günter,
oft muss man während Jahrzehnten verschmutzte Uhrwerke nur zerlegen und gründlich mit viel Liebe reinigen, um sie wieder "wachzuküssen". Oben erwähntes Buch "Die Großuhr" von Dinger war auch meine "Einstiegsdroge" ;-)
Für das Abspannen der Feder nehme ich einen Kunststoffgriff für Feilen (aus dem Baumarkt), den ich mit einer Säge geschlitzt habe und einfach kraftschlüssig auf den Originalschlüssel stecke. Dann in der Hand mit angepasstem Druck langsam rotieren lassen, nachdem man das Gesperr entriegelt hat.
Für die Reinigung: Waschbenzin (auf eigene Gefahr, nur mit guter Belüftung und ohne Funken oder Flammen) für die Grundreinigung, dann das Rezept nach Jendritzki "Reparatur antiker Pendeluhren": Zitat: "Die Seifenlauge besteht aus fünf Teilen Wasser, drei Teilen Seifengeist und zwei Teilen Salmiakgeist" den Seifengeist interpretiere ich als flüssige Schmierseife aus dem Drogeriemarkt. Dann destilliertes Wasser zum Spülen, dann Isopropanol zum entwässern. Das alles mit Bürsten (z. B. Zahnbürsten), Pinseln, Putzhölzern, ... . Das Gangrad nach Jendritzki "immer alleine und wie ein rohes Ei". Konservieren mache ich mit mikrokristallinem Wachs. So wird alles schön sauber und die Patina bleibt erhalten. Wenn Lager oder Zapfen zu stark verschlissen sind, dann muss ich als ambitionierter Laie leider passen, ...
Für das Ein- und Auswinden der Federn aus den Federhäusern (nur mit robusten Handschuhen und Schutzbrille) habe ich mir einen Federwinder frei nach Joe Collins gebaut (die neuere Version mit Klemmbock für die Welle).

Hallo Beamer,

"Konservieren mache ich mit mikrokristallinem Wachs."

Das wollt ich immer schon mal wissen. Meinst Du, man kann damit auch Silbergehäuse, silberne Zifferblätter etc. sozusagen passivieren um sie vor dem Anlaufen zu schützen? Kannst Du eine Marke empfehlen?
Dank und Gruß
Alex

Zitat von AlexanderT im Beitrag #6

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Meinst Du, man kann damit auch Silbergehäuse, silberne Zifferblätter etc. sozusagen passivieren um sie vor dem Anlaufen zu schützen? Kannst Du eine Marke empfehlen?

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Besten Dank dafür und beste Grüße
Alex

Hallo an Euch alle die mich so herzlich Empfangen und mir schon fleißig Tipps und Infos gegeben haben - Danke an euch! Ich antworte hier mal kurz auf das bisher geschriebene.

Zu Oggy:
Den OXI hätte ich sogar zuhause! Da müsste ich nichts extrig kaufen. Toller Tipp dankeschön. Dieses Putzholz kannte ich bis jetzt auch noch nicht guter Hinweis.

Zu Alberich / Matthias:
Die Klaus Dinger "Die Großuhr" Pflichtlektüre habe ich mir natürlich schon besorgt. Eine günstige Uhr zum Üben ist sicher eine gute Idee, das werde ich mir anschauen. Arbeitszeit zähle ich bei diesem schönen Hobby sowieso nicht. Der Tipp mit dem Kupferdraht ist super dankeschön!

Zu Nippon-Fan / Markus:
Ja wenn, dann möchte ich es gleich richtig machen und mir nicht schon zu Beginn die Fehler einlernen - ich habe hier bei euch schon gelesen von den Ballistol-Schmierern usw. Über die Hermle 340 hab ich auch schon etwas gelesen und mein Uhrwerk scheint mir recht ähnlich auszusehen! Ich bin davon ausgegangen, dass nur die Werke als "Westminster" bezeichnet werden die eine Melodie spielen. Zählen zu diesen Werken auch die, die nur "Gong" machen? Der Tipp mit dem Gartenschlauch ist toll, generell find ich es super wie hier alle so viele gute Ideen haben und man gar kein teures Spezialwerkzeug braucht um hier loslegen zu können. Danke! Uhrwerk als Foto werde ich unten anfügen.

Zu beamer:
Auch an Dich danke für die ganzen tollen Tipps, das klingt alles sehr gut. Auch super deine verlinkten Artikel bzw. Bücher da werd ich mich gleich durchstöbern. Den Trick mit den Papierzetteln und Klebestreifen machen wir Elektroniker genau so.


Anbei auch mal ein Bild vom eingebauten Werk:

IMG_20220208_192639_HDR.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Zitat von midatter3 im Beitrag #9

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Anbei auch mal ein Bild vom eingebauten Werk

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