Hallo liebe Uhrenfreunde,

die Turmuhr unserer Kirche streikt nach umfangreichen Baumaßnahmen.
Leider scheint es so, dass entsprechende Experten nicht zur Verfügung stehen.
Da ich es nicht länger ertrage, wir wohnen in Sichtweite, das auf Punkt 12°°
stehende Zifferblatt anzuschauen, möchte ich gern Abhilfe schaffen.
Nachdem ich hier im Forum sah wie ein Turmuhrwerk aussehen kann,
denke ich dass es wohl nur das alte Fett in Kombination mit dem Baustaub
sein kann, was nach 7 bis 15 Minuten zum stillstand führt.

Mein Bezug zu alten Uhren ist eher sporadisch ich finde es aber sehr interessant
wie die Maschinen funktionieren. Mein letzter Reparaturkontakt ist 20 Jahre her
und die zu reinigende und reparaturbedürftige alte Wanduhr funktionierte danach sogar wieder.
Gern würde ich mich an dieses Projekt wagen wenn ich hier von eurem Wissen
etwas abschöpfen könnte damit die Turmuhr bald wieder richtig geht.

Nun zu meinen Fragen:
Mir fiel jedoch gleich auf, dass die Ankerwelle ein großes Spiel hat, kann das so bleiben?
Sollte die Uhr komplett zerlegt werden oder kann ich sie vor Ort reinigen?
Sollten die Zahnräder vor dem Auseinanderbau markiert werden?
Brauchen die Lager eine spezielle Wartung?
Mit welchem Mittel funktioniert die Reinigung am Bestem?
Die Uhr hat kein Gehäuse, womit sollte sie geölt werden?

Ich freue mich auf eure Antworten, vielen Dank im voraus und schöne Grüße.

|addpics|ts6-1-f472.jpg,ts6-2-b8a6.jpg,ts6-3-d2da.jpg,ts6-4-ac37.jpg,ts6-5-40c9.jpg,ts6-6-892b.jpg,ts6-7-e76f.jpg,ts6-8-6272.jpg|/addpics|

Hallo Horscht,
Du hast viele wichtige und richtige Punkte bereits angesprochen. Die Weule benötigt als erstes eine gründliche Reinigung, da hier nach dem Motto "viel hilft viel" die Hemmung, die Räder und die Lager völlig verdreckt und mit verharzten Fetten und Ölen zugedonnert wurden. Etwas Lagerspiel ist nicht schlimm, das müsste man sich natürlich nach der Reinigungsprozedur genau anschauen. So eine mittelgroße Turmuhr lässt sich gut zerlegen, vorher auf jeden Fall genaue Fotos machen. Ich empfehle die Reinigung mit warmen Wasser, Schmierseife und Salmiakgeist mit Wurzelbürsten etc. (Schutzhandschuhe nicht vergessen). An die Verzahnung gehört kein Fett oder Öl, nur die Lagerstellen werden geölt, Gleitstellen gefettet. Auf die Ankerklauen etwas Öl. Zum Ölen gibt es spezielles Turmuhrenöl, allerdings schadet auch der sparsame Einsatz von handelsüblichem Motoröl keinesfalls (da werden sicher einige Kollegen leicht aufschreien, stimmt aber trotzdem ;o)) ).
Eigentlich die Arbeit für einen Uhrenfachmann, der die Hebeflächen des Ankers, die Lagerzapfen und die Lager selbst kontrollieren und gegebenenfalls wieder instandsetzen kann! Viel Glück und Erfolg bei diesem Vorhaben.
Gruß,
Gerrit

Zitat von Philclock im Beitrag #3

---

Wo steht denn die Uhr?
Wenn es im Berliner Raum ist,dann können wir das zusammen machen.

---

Zitat von Mahlekolben im Beitrag #5

---

Da fehlt auch ein Triebstock, wenn ich das richtig sehe: im Bild mit dem Weule-Schriftzug, links am Rand.

Dann wird die wohl länger nicht mehr gelaufen sein.

---

Ist es nötig die Positionen der Wellen zu markieren, dass beim Zusammenbau
alles wieder an der selben Stelle sitzt oder kann ich das vernachlässigen?
Wie schwer ist eigentlich so eine Turmuhr?

Zitat von elektrozeit im Beitrag #2

---

Hallo Horscht,
An die Verzahnung gehört kein Fett oder Öl, nur die Lagerstellen werden geölt, Gleitstellen gefettet.

---

Lager: Wellenzapfen dreht sich in der Lagerbohrung.
Gleitstellen: Palletten des Ankers gleiten an den Zähnen des Ankerrades ab. Bei Dir in Bild 3 zu sehen.
Aber wenn Du Dich nicht auskennst, dann lass es lieber sein, denn Du kannst auch viel kaputtmachen. Und schlecht sieht das Werk nicht aus.

Ich habe nun bereits zum zweiten Mal mit einem Kollegen so ein Turmuhrwerk auseinander genommen und anschl. wieder zusammengebaut.
Eigentlich ist die Arbeit an für sich Schlosserarbeit; das Wissen vom Ablauf ist beim Uhrmacher schlussendlich von Vorteil (Know-how). Da helfen Pläne, wenn vorhanden enorm.

Wenn möglich Zeigertransmission vom Uhrwerk wenn nicht nötig lediglich abkoppeln.
Die wichtigsten Tipps für eine solche Revision: Man kann nicht genug Fotos machen und immer wieder alles genau kennzeichnen, sowie Skizzen anfertigen unter dem Motto lieber zuviel als zuwenig, hauptsächlich was das Schlagwerk mit Viertelstunden-schlag anbetrifft! (Zeiger am Kontrollzifferblatt beachten) Zeigertransmission niemals rückwärtsdrehen, das ist wie bei normalen Uhren mit Schlagwerk vergleichbar. Schlossrad genau markieren etc... Pendelaufhängung vorher genau ausmessen. Gewichtsaufhängung vor Demontage ausmessen. Bei Rückfragen immer mit Bilder dokumentieren.

(#9 "Aber wenn Du Dich nicht auskennst, dann lass es lieber sein, denn Du kannst auch viel kaputtmachen. Und schlecht sieht das Werk nicht aus".)
Da erlaube ich mir Kugellager zu widersprechen, wenn Du genaue Aufzeichnungen machst, kannst Du nichts kaputtmachen.
Also diesbezüglich keine Angst!

Viel Erfolg und gutes Gelingen
Giacumin

(#3 Vorschlag Philclock würde ich annehmen, irgendwie ließe sich das bestimmt arrangieren; verbunden mit Zeitersparnis und zu zweit ist es immer einfacher.)

Grüße,

Ich würde meinen Senf auch noch dazugeben.
Vom Auseinandernehmen als blutiger Laie rate ich dringlichst ab!!! Da kann man viel falsch machen und sich verletzen sowie die Uhr weiter beschädigen. Ich schlage vor wenn die Corona-Krise um ist sich an eine Fachfirma zu wenden. Ich habe schon ein kleines Dutzend auseinandergenommen gereinigt und zusammengesetzt. Als Laie würde ich nicht rangieren.

Grüße aus dem Uhrenmuseum Erfurt
Marvin

Zitat von Giacumin Bass (Windfang) im Beitrag #10

---

Eigentlich ist die Arbeit an für sich Schlosserarbeit; das Wissen vom Ablauf ist beim Uhrmacher schlussendlich von Vorteil (Know-how). Da helfen Pläne, wenn vorhanden enorm.

---

Ja es ist notwendig das zu Markieren, zumindest im Schlagwerk. Markierung aber immer vollständig entfernbar anbringen (z.B. Klebestreifen). Ohne Uhrmacherkenntnis wird es trotzdem auch mit Markierung schwer.
Der Uhrmacher ist nicht ohne Grund ein Ausbildungsberuf.
Ich rate wirklich ausdrücklich eine Fachfirma zu nehmen. Fa. Beck aus Kölleda zum Beispiel wärmstens zu empfehlen.

Liebe Grüße
Marvin

Deine Frage ist schnell beantwortet: Im Zweifelsfall immer, für den Laien kann es nicht schaden. So aus der Ferne ist es immer schwer etwas zu beurteilen, das man nicht sieht. Wenn man schlussendlich die Uhr wieder genau so zusammengebaut hat wie sie es im original Zustand war, kann eigentlich nichts schief gehen...

MfG Giacumin

Aber jetzt sehe ich gerade den Kommentar von Marvin, da muss ich Ihm schon Recht geben. Gut wenn man diesbezüglich einen mechanischen Beruf erlernt hat, sollte es dennoch möglich sein...