Nun gebe ich nach reiflicher Überlegung noch meinen eigenen Senf dazu... Uhrmacher gleich Profi! Weit daneben! Was ich so bei Gross-Uhren alles erlebt habe, die beim Uhrmacher waren und Schlussendlich bei mir landeten, weil sie ganz einfach falsch eingestellt waren; vor allem haben die meisten mit dem Schlagwerk große Mühe. Aber auch sonst von tuten und blasen keine Ahnung haben von Wanduhren, Standuhren, Regulatoren, Pendulen, Tischuhren aus der guten alten Zeit. Ich habe schon eine Wette verloren, weil ich behauptet habe, dass eine kleinere Turmuhr, die scheinbar ein Uhrmacher revidiert hatte, dass diese nie und nimmer bei einem Uhrmacher war; denn ein Uhrmacher macht nicht solche Murkse. Bis dann der Kunde mir die Rechnung von einem renommierten Uhrenfachgeschäft in Zürich präsentierte, der eben diese Uhr zur Revision hatte. Meine Erfahrung zeigt, es ist schwierig den Fachmann zu finden, der antike Uhren auch reparieren und Ersatzteile besorgen kann. Damit so ein Schmuckstück wieder genau läuft braucht es viel Erfahrung sowie Idealismus und Freude am echten Uhrmacherhandwerk. Daneben sind ganz spezielle Werkzeuge nötig, um die oft erstaunlich komplizierten Schlagwerke wieder in Gang zu bringen. Es gibt in unserem Lande nicht mehr viele Leute, die dieses Handwerk auch wirklich verstehen! Die neue Generation von Uhrmacher sind top ausgebildet auf Armbanduhren und manchmal habe ich das Gefühl, dass sie gar kein Interesse an solchen Uhren haben?
Schweiz, zwischen Zürich-Luzern und Deutschland, Saarbrücken
Vielleicht sind solche "Lehrvideos" auch nur die Auswirkungen des Bologna-Prozesses von 2009!
Bachelor-Absolventen (wie der hier diskutierte DIY-Uhrenbauer) halten sich für "Ingenieure"und dürfen sich so nennen. In der Realität sind sie aber ein ganzes Stück weit entfernt von echten Dipl.- Ingenieuren. Von den nicht erworbenen "realen" Praxis-Erfahrungen wegen der fehlenden Praktika oder vorausgegangener Berufsausbildungen mal ganz abgesehen.
... so werden dann im Quervergleich Gesellen zu Meistern, Lehranfänger zu Gesellen ... und Laien zu Profis ...
LG
Ralf
Es gibt Dinge die wir lernen müssen bevor wir sie tun können und wir lernen sie indem wir sie tun
Ist zwar offtopic, möchte aber zur Problematik der Großuhrenreparatur etwas beitragen. Die Krux ist, daß Uhrmacher welche überhaupt noch Großuhren reparieren, ihre Arbeit schlecht bezahlt bekommen. Ich spreche von Großuhrmachern, welche ihre Arbeit ordentlich und gewissenhaft machen. Als Beispiel: Kunde bringt Federzugregulator, sicher seit 30 Jahren keine fachgerechte Revision mehr gesehen. Jede Menge Lager ausgelaufen, Werk ist eine Ölsardine. Mich wundert es nicht, wenn Uhrmacher solche Reparaturen ablehnen, oder eben saumäßig schlecht ausführen. Kunden bekommen ja schon bei genannten 250,- Euro (Unterste Grenze!) scheinbar Herzklabaster. Und dann wird eben nach "Preisvorgabe" durch den Kunden gearbeitet, diese Resultate sind bekannt. Weil der Uhrmacher in dieser Zeit leicht 2 oder 3 Revisionen an höherwertigen Armbanduhren fertigstellen kann. Und dort bessere Reparaturpreise durchgesetzt werden können. Ist sicher regional unterschiedlich. Es wird natürlich oft diskutiert, Reparaturen generell mit einem höheren Stundenverrechnungssatz als allgemein üblich gegenüber dem Kunden zu berechnen. Ist ja auch in Ordnung, wenn man mit seiner Kundschaft keine Schwierigkeiten bekommt und diese Preise für eine gewissenhaft durchgeführte Reparatur auch langfristig durchsetzen kann. Gruß Werner
Ja lieber Werner, das ist genau der Punkt. Wenn eine Revision 8 und mehr Stunden braucht dann wird es problematisch und ich habe nun mal 8 Stunden, sogar mit großer Kulanz. Die meisten Uhren die ich erhalte, sind Erbstücke; antike Uhren und da ist der Preis nicht unbedingt ausschlaggebend. Bei sehr antiken Uhren gehe ich sogar so weit und sage mir, die muss unbedingt wieder laufen, koste es was es wolle, denn vielmals muss man bei solchen Uhren Teile anfertigen. Dazu kommt der Ehrgeiz und in Memorial an den seinerzeitigen Uhrmacher, der diese Uhr gemacht hat! Gut, das kann man sich als pensionierter Uhrmacher leisten...
Hier nur ein kleines Beispiel aus meiner Uhrmachertätigkeit:
Endlich habe ich die Kaminuhr vom Chefarzt; Spital Sta. Maria bei uns in der Val Müstair repariert und mir ist hörbar eine großer Stein vom Herzen gefallen, dass die Uhr wieder tadellos läuft und ich wieder meinen gerechten Schlaf finde. Die besagte Uhr war ein total Schaden. Das Uhrwerk mit schwerem Marmorsockel, insgesamt um die 25Kg. ist aus einem Meter Fallhöhe zu Boden gefallen. (Ein schwerer Gegenstand fällt im freien Fall auf den Boden; in einem solchen Fall lässt sich, je nach Bodenbeschaffenheit, mit etwas physikalischen Grundkenntnissen ca. die Aufprallkraft berechnen. Wenn man das rechnet (F=mvh=Kg m/s) also 25x4,5m/s= 112,5 Kg Aufprallkraft!) Wenn man sich Gedanken macht, welche Energie ein solcher Crash auf einem Steinboden auszulösen vermag, wundert man sich nicht, dass mit dieser Wucht sämtliche Achsen gebrochen waren und andere Teile arg beschädigt wurden.
Jeder andere Uhrmacher hätte da mit Bestimmtheit schon aus Kostengründen abgewunken. Weil es ein Erbstück von der Mutter war, wollte er unbedingt, dass man diese Uhr wieder instand stellt. Ein Austausch-Werk kommt nicht in Frage!!! Das Uhrwerk wurde kompl. demontiert und Ultraschallgereinigt. Marmorsockel soweit es ging repariert sowie die Bronzestatue verleimt. Zum Uhrwerk selbst: Zapfen der Ankerwelle gebrochen, Zapfen Windfangwelle gebrochen, Zapfen Hebnägelradwelle gebrochen usw. (Zapfen alle neu eingebohrt) Federwelle im Federhaus verbogen; gerichtet, Haken im Federhaus gebrochen; ersetzt, Stoppstift Anlaufrad gebrochen;ersetzt, Einfall-hebel-Achse verbogen; gerichtet, Antriebsrad-Zahnkranz-Zahn ausgeschlagen; Hartlot aufgetragen und ausgefeilt, Schlaghammer völlig verbogen und angerissen; gerichtet und neu verlötet. Pendelführung gerichtet sowie Ankergabel. Ankerradwelle neu angefertigt. Anker (Hemmung) auf Steigrad neu eingestellt und justiert. Zeiger ersetzt, da schon vorher defekt und Schlussendlich Schlagauslösung neu eingestellt und auf Ganggenauigkeit geprüft. Ein Wunder ist geschehen: Die Uhr läuft wieder soweit tadellos; absolut nicht selbstverständlich, wenn man das schwer beschädigte Uhrwerk gesehen hat!
Arbeitszeit; beinahe 2 Wochen bis tief in die Nacht hinein an der Uhr gearbeitet! Wenn man das anhand üblichem Stundentarif rechnet, sind das über 6'000.- Franken ohne Ersatzteile und Zubehör. Ich habe dann die Revision für einen absoluten Freundschaftspreis ausgeführt und ich hatte selten so den Plausch, dass dieses Schmuckstück wieder zum laufen erweckt wurde!
Einzige Bedingung war: Sollte ich aus irgendwelchen Gründen im Spital Sta. Maria eingeliefert werden, so erwarte ich von Ihm, dass er mich genauso zusammenflickt, wie ich seine Uhr gemacht habe! Ja, der liebe Doktor mit seiner Uhr ist bei mir in Granit gemeißelt.
In letzter Zeit war ich stets im Atelier am Arbeiten. Das wurde mir nun sprichwörtlich zu viel. So werde ich nun im neuen Jahr keine Uhren mehr annehmen und wieder vermehrt in meine „Stammbeiz“ gehen und bei einer Tasse Espresso oder einem Bier die Hektik um mich herum beobachten und genieße dann das Gefühl in diesem Moment ganz viel Zeit für mich zu haben. Eines hatte ich völlig verlernt: Die Kunst des Nichtstun… ob mir das gelingen wird?
MfG Giacumin
Giacumin Bass (Windfang)
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Zitat von Giacumin Bass (Windfang) im Beitrag #52Nun gebe ich nach reiflicher Überlegung noch meinen eigenen Senf dazu... Uhrmacher gleich Profi! Weit daneben! Was ich so bei Gross-Uhren alles erlebt habe, die beim Uhrmacher waren und Schlussendlich bei mir landeten, weil sie ganz einfach falsch eingestellt waren; vor allem haben die meisten mit dem Schlagwerk große Mühe. Aber auch sonst von tuten und blasen keine Ahnung haben von Wanduhren, Standuhren, Regulatoren, Pendulen, Tischuhren aus der guten alten Zeit. Ich habe schon eine Wette verloren, weil ich behauptet habe, dass eine kleinere Turmuhr, die scheinbar ein Uhrmacher revidiert hatte, dass diese nie und nimmer bei einem Uhrmacher war; denn ein Uhrmacher macht nicht solche Murkse. Bis dann der Kunde mir die Rechnung von einem renommierten Uhrenfachgeschäft in Zürich präsentierte, der eben diese Uhr zur Revision hatte. Meine Erfahrung zeigt, es ist schwierig den Fachmann zu finden, der antike Uhren auch reparieren und Ersatzteile besorgen kann. Damit so ein Schmuckstück wieder genau läuft braucht es viel Erfahrung sowie Idealismus und Freude am echten Uhrmacherhandwerk. Daneben sind ganz spezielle Werkzeuge nötig, um die oft erstaunlich komplizierten Schlagwerke wieder in Gang zu bringen. Es gibt in unserem Lande nicht mehr viele Leute, die dieses Handwerk auch wirklich verstehen! Die neue Generation von Uhrmacher sind top ausgebildet auf Armbanduhren und manchmal habe ich das Gefühl, dass sie gar kein Interesse an solchen Uhren haben?
Zitat von Giacumin Bass (Windfang) im Beitrag #56Eines hatte ich völlig verlernt: Die Kunst des Nichtstun… ob mir das gelingen wird?
Dazu mußt du erst den uhrmachertypischen Sprachfehler ablegen: "Nicht nein sagen können" Hut ab vor deinem Idealismus, diesen Totalschaden wieder in Ordnung gebracht zu haben. Gruß Werner
Bei der oben genannten Turmuhr handelte es sich um eine Turmuhr auf Sockel mit Grahamhemmung der Fa. Eduard Korfhage & Söhne; gezeichnet von einem Uhrmacher Plasch Schwarmstedt 1893. (Übrigens, die Turmuhrfabrik Eduard Korfhage & Söhne in Buer bei Melle / Onabrück gib’s heute noch)
Nun will ich aber diesen Faden nicht weiter strapazieren und wünsche allen immer gutes Gelingen!
Es wird langsam OT, aber diese auf Großuhren und antike Uhren spezialisierten Uhrmacher gibt es durchaus und es kommen gelegentlich auch neue hinzu. Für Schnäppchenjäger taugen deren Preise nicht. Und sie machen keine Werbung, denn sie sind gut ausgelastet. Ein bekannter Auktionator sagte letztens, er würde die Uhrmacher die für ihn arbeiten grundsätzlich nicht mehr weiterempfehlen, denn dann würden die Wartezeiten für eine Reparatur sich erfahrungsgemäß nur ganz schnell von Wochen auf Jahre verlängern.
Wie manche Uhren aussehen wenn sie aus der „Überholung“ bei schwarzen Schafen kommen wäre eigentlich ein Fall für die Innung. Aber die ist nur für ihre Mitglieder zuständig, viele gute Uhrmacher die ich kenne sind nicht mehr in der Innung, weil sie darin nur noch Kosten aber keinen Vorteil mehr sehen. Und heute darf ja jeder Uhrenreparaturen durchführen. Die Meisterpflicht ist abgeschafft, die Industrie legt keinen Wert mehr auf Meister und unterscheidet in ihren Tarifverträgen nicht mehr zwischen Meistern und Gesellen, es geht nur noch nach anderen Tarifmerkmalen wie Position,...
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15.11.2019 19:04
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