Nachdem in einem anderen Thread gerade Fragen zu meiner Identität aufkamen und ich sogar fälschlich für einen Tarnaccount eines anderen Forumsmitgliedes gehalten wurde, hole ich Überfälliges nach und stelle mich hiermit vor:
Ich muss allerdings gestehen, alles andere als ein Uhren-Fachmann zu sein und mich erst seit wenigen Wochen als Hobby überhaupt mit dem Thema Uhren zu befassen. Auch wenn vielleicht eine gewisse Prägung vorliegt, bin ich als Sohn eines autodidaktischen Hobby-Uhrmachers in einem Haushalt aufgewachsen, in dem es von jedem Quadratmeter Wand tickte (bestimmt kennt Ihr auch dieses unerträgliche Negativ-Geräusch, das fehlende Ticken, wenn man in einem anderen Haushalt ist, in dem es nicht so ist?), und wo ich als Kind meinem Vater beim Zerlegen, Reinigen und Einstellen helfen durfte.
Auch muss ich gestehen, ein entsetzlicher Theoretiker zu sein, der sich für ein Thema begeistert, dann aber erst einmal alles an verfügbarer Literatur verschlingt und dann monatelang denkt, zeichnet und rechnet, bevor ich ans Ausprobieren gehe.
So verfiel ich über die Weihnachtstage auf die Idee, ein klassisches Astrolabium zu entwerfen, müsste es sich doch sehr gut in Ätztechnik bauen lassen; eine Technik, an der ich beim Eisenbahn-Modellbau großen Gefallen gefunden hatte. Außerdem hatte ich schon als Jugendlicher eine hölzerne Armillarsphäre entworfen und gebaut gehabt.
Und dann kam Eines zum anderen: Ein Astrolabium lässt sich ja auch wunderbar als astronomische Uhr antreiben. Dazu kann ich jedem nur das Buch "Grundlagen astronomischer Uhren" von Erik Damm empfehlen. Etliche Tage lang rechnete ich wie besessen, um ein möglichst einfaches und dennoch genaues astronomisches epizyklisches Getriebe zu entwerfen. Ursprünglich wollte ich dieses einfach durch einen Synchronmotor antreiben.
Aber wenn man sich schon den Aufwand machen will, warum dann nicht auch gleich eine Hemmung selber bauen? Bis dahin kannte ich nur Graham (und Brocot als einfacher zu bauende Variante), kam aber schnell auf die Schwerkrafthemmungen, die es erlauben würden, das Pendel von dem ganzen astromischen Klimbim unbeeinflusst zu lassen. Über Mudge/Goertz und Denison schrieb ich ja schon anderswo.
Dadurch stieß ich dann erst unlängst auf dieses Forum, als ich über Verzahnungen recherchierte. Bis dahin hatte ich nämlich (als Maschinenbauer) irrigerweise geglaubt gehabt, mit käuflichen Evolventenräder auskommen zu können. Ich muss sagen, dass ich vor allem durch das Nachlesen von Matthias Postings in den letzten Wochen geradezu unglaublich viel dazugelernt habe, wahrscheinlich mehr als durch alle anderen Beiträge zusammen. Ihr habt da einen unschätzbarer Wissensschatz!
So war es unvermeidlich, dass ich (erstmals) auf Harrison stieß. Alexander hatte ja gerade den Vergleich zum Kosten vom Baum der Erkenntnis gebracht, den ich für absolut zutreffend halte! Jetzt war es geschehen, und ich verschlang alles, was ich Harrison in die Finger bekommen konnte.
Vergessen war nun die ganze Astronomie. Das aktuelle gedankliche Projekt ist eine minimalistische hölzerne Grasshopper-Uhr, mit nur einer Verzahnung im Zug, einem rechtsdrehenden Minutenzeiger und zwei linksdrehenden Ziffernscheiben (mit feststehenden Zeigern, damit die Ableserichtung stimmt) für Sekunden (auf dem Steigrad) und Stunden (auf einer lastfreien Scheibe); mit Huygens-Endlosseil und mechanisch (bis aufs Seil) vom Werk entkoppelten, über Quecksilberschalter geschaltetem elektrischem Remontoir. Das Ganze hat mehr durch Gleichheit der Ziele als durch Abschauen wohl ziemliche Parallelen zu Matthias Franklin-Uhr.
Hier eine erste Briefmarkenskizze, die noch nicht viel preisgibt:
Daran rechne und zeichne ich jetzt schon einige Wochen, und die Skizzen füllen schon ganze Aktenordner. Materialien wie Feinschichtsperrholz, Pockholz- und Buchsbaumkanteln, Stangen und Federbleche aus Berylliumkupfer u. dgl. häufen sich an.
Momentan teste ich verschiedene Fertigungsverfahren, denn obwohl ich hier grundsätzlich Zugriff auf CNC-Fräsen und Laserplotter hätte, würde mir so etwas wie ein blasphemischer Stilbruch vorkommen. Mir schwebt für die Kreisbogenverzahnung so etwas wie ein einfacher Fräszirkel vor; ich werde bei Zeiten darüber berichten.
Soweit der momentane Stand. Abschließend noch einmal: Nichts ist absurder als die Annahme, ich sei ein Tarnaccount von Matthias. Nur soviel dazu: Aus seinen Postings spricht ja allenthalben eine offenbar tiefsitzende Skepsis insbesondere gegenüber Maschinenbau-Professoren. So gesehen bin ich sein genauer Antipode... was ja nicht heißt, dass man sich dennoch extrem gewinnbringend austauschen kann, solange man die Umgangsformen einhält. Ich hoffe, insofern ist es statthaft, wenn ich mich hier mich zu einen oder anderen Thema einmische, sofern ich glaube, etwas (bislang leider eher theoretischen) Background dazu beitragen zu können. Aber manchmal kann die Sicht eines Quereinsteigers als Blick über Tellerrand vielleicht auch ganz nützlich sein. Hoffe ich zumindest.
Lieber Moritz Ich freue mich ebenso auf anregende Berichte und Meinungen dazu. Für Deine ausführliche und interessante "Vorstellung" ein großes "Dankeschön" verbunden mit einem herzlichem Willkommen. Aus der Schweiz mit den besten Grüssen Giacumin
Hallo Moritz, erstmal noch ein , moegest Du Dich wohlfuehlen ...
Zitat von Bierjunge im Beitrag #1 So war es unvermeidlich, dass ich (erstmals) auf Harrison stieß. Alexander hatte ja gerade den Vergleich zum Kosten vom Baum der Erkenntnis gebracht, den ich für absolut zutreffend halte! Jetzt war es geschehen, und ich verschlang alles, was ich Harrison in die Finger bekommen konnte.
Drucken, binden lesen, nochmal lesen und nochmal lesen .... die Zeichnungen nachentwickeln und die Rechnungen nachrechnen .... . Das ist Lektuere fuer Jahre.
Zitat Vergessen war nun die ganze Astronomie. Das aktuelle gedankliche Projekt ist eine minimalistische hölzerne Grasshopper-Uhr, mit nur einer Verzahnung im Zug, einem rechtsdrehenden Minutenzeiger und zwei linksdrehenden Ziffernscheiben (mit feststehenden Zeigern, damit die Ableserichtung stimmt) für Sekunden (auf dem Steigrad) und Stunden (auf einer lastfreien Scheibe); mit Huygens-Endlosseil und mechanisch (bis aufs Seil) vom Werk entkoppelten, über Quecksilberschalter geschaltetem elektrischem Remontoir. Das Ganze hat mehr durch Gleichheit der Ziele als durch Abschauen wohl ziemliche Parallelen zu Matthias Franklin-Uhr.
Es geht einfacher, die Hemmung dreht im Uhrzeigersinn, das Kraftrad dagegen ... Auf dem Wellenstumpf eine Vierstiftige Laterne .... die Harrisons Nofri-Lager erlauben doch dicke Wellenstuempfe .... ein Zeigerrad mit 48 Zaehnen fuer ein Franklinzeigerrad fuer die Minuten, mit Ring fuer Stunden .... oder mit 12 Zahnen fuer einen normalen Minutenzeiger, und ein "Klee-blatt"(Zycloiden-differential) (oder einfach einen Ring) fuer den Stundenzeiger, alles laeuft im Uhrzeigersinn ....
Die Verrenkungen die seinerzeit James Fergusson (Maschinenbauprofessor) machte haben sich nicht bewaehrt .... er schreibt sebst ganz entnerft "je mehr ich verbesserte, um so schlechter wurde sie (meint die Franklinuhr), offensichtlich liegt das Geniale in der Bescheidenheit.
Zitat Hier eine erste Briefmarkenskizze, die noch nicht viel preisgibt:
Wird doch schon .... wenn das Raederwerk im Kopf klar wird, folgt doch die Form von allein ... Funktionell reduktionistische Formgestaltung (lies im Harrison zu "The Analysis of Beauty") hat doch was ...
Zitat Momentan teste ich verschiedene Fertigungsverfahren, denn obwohl ich hier grundsätzlich Zugriff auf CNC-Fräsen und Laserplotter hätte, würde mir so etwas wie ein blasphemischer Stilbruch vorkommen. Mir schwebt für die Kreisbogenverzahnung so etwas wie ein einfacher Fräszirkel vor; ich werde bei Zeiten darüber berichten.
Solange Du nicht auf die Idee kommst fuer Modul=0,3 Radien von 0,6012mm fertigen zu wollen .... Fuer Moduln von 1-5 langt anreissen, saegen, feilen einwaelzen ( und fuer Metallraeder noch schleifen und polieren). Fuer Moduln von 0,75-3, Zahnfeile +Grundfeile fuer die rohe Kopfform, gibt automatisch die korrekte Teilung und eine Konstant-Addendum Kopfform. Und zum einwaelzen und anpassen auf angepasstes Addendum die Waelzfeile .... Werkzeuge die man sich selber macht, wie das geht, und wie man sie anwendet beschreibt "Jcob Auch" in senem Handbuch fuer Landuhrmacher .... aber ich wuerde Dir da auch in modernen Sprache aushelfen. Vielleicht machen wir mal hier gemeinsam ein HOWTO aka. "Zahnraeder fuer Dummies" fuer die die sich keine Kreisteilmaschine und Waelzmaschine anschaffen wollen?
Fuer die Berechnung der Verzahnung fndest Du mein Shellscript "Kreisbogenverzahnung.tgz" am selben Platz wo Du den Harrison gezogen hast. Ist fuer /bin/sh geschrieben ... und entstand ende der 80ger Jahre, etwa aus dersleben Motivation, wie Dein Exel .... und enthaelt Formeln fuer Kreisbogenverzahnung fuer BS978 Part1 Konstantaddendum, BS978 Part2, SN282/025 und fuer EVJ 1aus6 ... Sollte auch auf einem kktuellen Ubuntu udgl. laufen, ist reines UNIX .... . Wenn man die innenliegenden Formeln verstanden hat, braucht man das Teil zwar nicht, aber zum begreifen der Zusammenhaenge hilft es schon das Script zu lesen.
Hallo Moritz, dann nun ein offizielles auch von mir. Deine bisherigen Beiträge haben mir sehr gefallen. Unsere technische Laufbahn verlief etwas ähnlich, daher sehe ich auch vieles eher maschinenbaulich. Viel Erfolg bei Deinem Uhrenprojekt.
Kontakt
Moderatoren
Foren-Regeln
Links
Xobor-Interview
Uhrenwerkstattforum
Thema drucken
28.03.2018 07:35
Antworten
, moegest Du Dich wohlfuehlen ... 
