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#1 Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bretone 29.10.2022 09:57

Hallo und Grüße vom Atlantik! Vor zwei Wochen habe ich hier auf einem Flohmarkt eine Drehpendeluhr erworben, gut erhalten, gepflegt und offenbar nicht verbastelt. Offenbar ist es eine Koma; der Schriftzug auf dem Zifferblatt ist zumindest für mich unleserlich. Sie hat einen „flachovalen“ Glassturz. Ich hatte zuerst kein gutes Gefühl, weil dem Verkäufer nicht einmal die Transportsicherung bekannt war. Aber er liess mit sich handeln und 20€ später war sie meine. Daheim habe ich sie erst einmal gerade aufgestellt und aufgezogen. Die Pendelfeder war nur leicht tordiert, allerdings hatte irgendwer sie mal an der unteren Einhängung festgelötet. Nach einigem hin und her mit Einstellungen lief sie dennoch bis zu drei Tage lang. Da ich noch eine Pendelfeder auf Lager hatte, habe ich mich ans Auswechseln gemacht inkl. ablöten und polieren der unteren Einhängung, um das Lötzinn wegzukriegen. Mit der neuen Feder läuft sie jetzt seit über einer Woche aber:

Das Pendel dreht sich schrecklich langsam, macht ca. 390 Grad, man hat aber an den Umkehrpunkten den Eindruck, dass sie gleich stehen bleibt. Das eigentliche Problem ist aber, dass sie masslos vorgeht bzw. Gar keine richtige Zeit anzeigt, weil der Stift der Hemmung in Mittelstellung jedes Mal drei bis vier Ausschläge macht, was den Minutenzeiger entsprechend voreilen lässt. Fazit: Zwei Fragen. 1. Was ist das genau für eine Uhr; 2. Wie bekomme ich das Flattern der Hemmung unter Kontrolle? Danke im Voraus für jede freundliche Antwort.

#2 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bulova 29.10.2022 10:49

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Hallo,
wenn das Torsionspendel sehr langsam läuft (man müsste mal herausfinden, wie viele Umdrehungen z. B. für eine Minute nötig sind), ist das eigentlich ein Zeichen dafür, dass die Torsionsfeder zu schwach ist. Oder physikalisch gesprochen: Die Federkonstante (Drehmoment/Winkel) ist zu klein. Das würde auch das Flattern in der Nähe des Nullpunktes begünstigen bzw. erklären.
Also: Erst einmal schauen, welche Umdrehungsrate braucht man.
Grüße
Dieter

#3 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von kioto 29.10.2022 12:13

Hallo
Ich habe mich selber einige Zeit mit Drehpendeluhren beschäftigt, mit wenig Erfolg. !2 Stück stehen noch bei mir rum. Die Werke sind sehr fein und müssen top gepflegt sein, um zuverlässig zu laufen. Eine 50 Jahre alte Uhr sollte deshalb erst mal sorgfältig überholt werden, sonst wirst du wenig erreichen. Also gründlich reinigen, Zapfen ev. polieren Lager nachsehen usw. Die Torsionsfeder muss passen und man braucht ein Sortiment um zu probieren, welche passt auf den vorliegenden Typ. Sie müssen gerade und ohne Knick oder so sein, zu dicke können durch vorsichtiges ziehen über poliertes Stahl angepasst werden. Leider gibt es keine deutsche Literatur zu dem Thema, soweit ich weis. Es gab mal ein Horolovar Guide mit einem Verzeichnis der Federn für verschiedene Werke. Wenn die Führungsgabel des Ankers schlackert, kann sie etwas höher montiert werden, dann wird sie straffer geführt. Höhe muss man probieren, damit noch sauber der Anker ausgelöst wird.
Obwohl hauptsächlich in Deutschland gefertigt, waren sie bei Sammlern hier nie besonders beliebt. Ändert sich vielleicht, für Fabrikuhren hat ja vor 40 Jahren auch niemand interessiert, jetzt ist ein richtiger Run entstanden. In GB und USA gibt es eher Fans, die so was sammeln.
Gruß Werner

#4 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bretone 29.10.2022 12:38

Ich habe das mal gestoppt. Das Pendel braucht für zwei Zyklen ( links-rechts-links-rechts) 58 Sekunden. Ich habe ein Reststück der neuen Feder vermessen und komme auf 4/100 mm ( mit einem alten, russischen Mikrometer gemessen). Die alte Feder hat 6/100mm und ist ca. 6/10 mm breit. Die Breite der neuen Feder kann ich nicht messen, das Reststück ist einfach zu kurz.

#5 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Fritz 29.10.2022 13:16

Zuerst muss die Hemmung richtig eingestellt sein. Das Flattern lässt erkennen, dass der Anker nicht ordentlich auf Ruhe fällt. Welche Feder gebraucht wird könnte man in dem erwähnten Buch nachschauen. Dazu bräuchte man ein ordentliches Foto der hinteren Platine sowie deren Maße.

#6 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bretone 29.10.2022 14:12

Hallo Werner, danke für die Antwort. Ich hatte die einzige Feder eingebaut, die ich im Fundus noch hatte. Das war mal ein Geschenk eines Uhrmachers, der mit dergleichen nichts mehr zu tun haben wollte. Ich selber bin eher der Schreiner und Grobschmied, der sich hauptsächlich mit Comtoise, Oeil de Boeuf und Konsorten abgibt. Aber ich habe auch einige Drehpendel in der Sammlung, bis auf eine sind das aber alles „Stehzeuge“. Zerlegen möchte ich diese hier nicht, das ist mir einfach zu filigran und ich befürchte, mehr kaputt als ganz zu machen. Die neue Feder hat 4/100, die alte hatte etwa 6/100. Schon klar, dass das ein Unterschied ist. Aber immerhin läuft sie ja seit einer Woche. Geölt habe ich sie nicht, irgendwo hatte ich mal gelesen, dass diesen Werken Öl mehr schaden als nutzen kann. Die Welle derHemmung ist in einem Exzenter gelagert, verstellt man eher den oder versetzt man eher die Stifte in der Hemmung? Man müsste dazu „nur“ Zeiger und Zifferblatt demontieren, das schaffe ich noch.

#7 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von kioto 29.10.2022 14:56

Hallo,
Das eine ersetzt nicht das andere. Die Hemmung muss korrekt eingestellt sein und dann muss die Ankergabel die richtige Höhe haben.
Die obere Befestigung der Pendelfeder und die Gabel müssen recht nahe beieinander stehen. Ich habe in meinem Bücherschrank gekramt und ein kleines Booklet (in Englisch) von Chris Wadge über die Reparatur von 400 Days Clocks zu Tage gefördert. Da ist ein entsprechendes Diagramm drin und sonstige Tipps. Bei einer Federlänge von 125mm beträgt der Abstand nur 5mm
Der Laden existiert noch

https://antiqueswebsite.co.uk/item/chris-wadge-clocks/

so dass ich wohl nicht einfach kopieren und reinstellen kann. Ich maile ihn mal an und frage nach, ob ich Copyright bekomme.

Gruß Werner

#8 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bretone 29.10.2022 17:04

Danke! Ich habe eben mal die Hemmung ausgebaut angeschaut, geputzt und wieder eingebaut. Das Lager im Halteblech habe ich mit einen Zahnstocher ein bisschen ausgerieben, nur für alle Fälle, das hat bestimmt nichts am Maß geändert. Mir ist aufgefallen, dass der eine Stift etwas weiter aus der Verschraubung ragt als der andere, habe aber alles erst mal so gelassen. Vielleicht ist das ja der Welle geschuldet, die ja exzenterbedingt ein bisschen schief steht. Die Feder ist samt ihren Montierungen 111 mm lang, die Gabel hat knapp 6mm Abstand zur oberen Montierung, weniger geht aber nicht mehr, sonst lässt sich die Feder nicht mehr einhängen oder umfasst den Stift nicht mehr richtig. Ich habe schon vor ein paar Tagen Federn mit 0,055 mm und 0,058 mm bestellt, kann ja nicht schaden.

#9 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bulova 29.10.2022 19:39

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Hallo,
die Art bzw. die Eigenschaften der Pendelfeder sind essentiell. Solange das nicht stimmt, führt der Versuch der Hemmungseinstellung nicht zum Ziel.
Ich meinte eigentlich nicht die Zeit, was das Pendel aktuell an Schwingungszeit braucht, sondern die originale Uhr. Man schaut einfach auf den Minutenzeiger der Uhr und zählt die Pendelschwingungen. Man kann das natürlich auch bei entfernter Hemmung rauskriegen. Wenn das klar ist, kann man schnell prüfen, ob die eingesetzte Feder passt.
Meine Drehpendeluhr braucht z. B. etwa 20 Sek. für eine Ganzschwingung.
Gruß
Dieter

#10 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bretone 29.10.2022 23:51

Ich hatte das mit meiner Armbanduhr gestoppt weil ja der Minutenzeiger der Koma beim Flattern der Gabel - also bei jedem Pendeldurchgang - gleich bis zu vier Minuten weiter gesprungen ist. Die Angabe dieser Zeig erschien mir wenig sinnvoll. Inzwischen läuft did Uhr nicht mehr. Gegen 13:00 Uhr hat did Gabel zum letzten Mal den Mitnehmer der Hemmung bewegt. Jetzt ist es fast Mitternacht aber das Pendel ist noch nicht zum Stillstand gekommen und schlägt noch ca. 70 Grad. Für mich ein Phänomen… Ich habe ja nicht zum ersten Mal mit solchen Uhren zu tun, meine anderen sind von Kundo und von Kern, wenn did stehen blieben, dann hat das maximal zehn Minuten gedauert… Die auf dem Bild habe ich am 29.07.22 aufgestellt, sid geht ziemlich vor aber sie läuft… Jetzt warte ich mal, bis die Post mir die bestellten Federn bringt. Ich hatte die jetzige Feder ja nach dem Muster der vorhandenen konzipiert und dabei nicht bemerkt, dass die eigentlich ein bisschen zu kurz war. Die Transportsicherung hatte das Pendelgewicht nur gerade mal 2 mm angehoben… Wenn man halt kein Profi ist…

#11 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von kioto 30.10.2022 00:20

Hallo,

Ich fürchte, ohne saubere Überarbeitung des Uhrwerks ist das vergebene Liebesmüh. Das hat 50 Jahre gestanden, öl verharzt, Staub, Verschleiß. Das muss gemacht werden. Deshalb mag sie ja keiner.

Gruß Werner

#12 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bremer 30.10.2022 08:01

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Moin hänge mich mal mit rein da ich auch gerade ein Problem mit einer Koma habe (mir hat s ein Zahnrad zerschossen) das aber nur nebenbei
ich wollte nur die Auflistung anfügen, hilft ja vielleicht und auf jeden Fall das Werk ordentlich reinigen
Koma.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Bremer

#13 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bretone 30.10.2022 10:41

Danke, Bremer! Mein Werk hat die Abmessungen 42x77, ist also wohl Standard. Die in der Liste vorgeschlagene Feder wäre ganz erheblich dicker als die von mir eingebaute. Ich habe aber noch ein prinzipielles Verständnisproblem: Wofür genau ist diese Federstärke wichtig? Vom Prinzip her, so meine Logik, wird dich die Energie der Antriebsfeder, untersetzt durch die Zahnräder, am Ende über die Hemmung auf die Torsionsfeder übertragen. Wenn die dünn ist, so meine Logik, findet mehr Torsion statt, und der Pendelausschlag wird grösser, also mehr Umdrehungen. Das beeinflusst dann m.E. die Ganggeschwindigkeit. Eine Uhr mit zu dünner Feder geht also vor, mit zu dicker Feder eher nach. Aber laufen müsste sid doch so oder so. Warum kann eine Uhr mit der falschen Feder stehen bleiben? Meine bleibt jetzt nach drei Minuten stehen, d.h. Die Hemmung bewegt sich nicht mehr, weil wohl die Losbrechkraft zwischen Hemmungsrad und den Zapfen nicht mehr erreicht wird. Die Energie aus der Antriebsfeder, die noch in der Torsionsfeder steckt, bewegt die Hemmung nicht mehr weiter, sorgt aber dafür, dass das Pendel noch zwei Stunden später weiter schwingt. Womit reduziert man denn die Reibung in dieser Hemmung…? Ich habe bislang meist mit Comtoise u.ä. zu tun gehabt, da stellt sich dieses Problem kaum je, weil die schon mit überdimensionierter Antriebskraft an den Start gehen. Deren Komponenten inkl. Zahnräder poliere ich mit einer stationären Poliermaschine 250mm Stoffscheiben) und Polierwachs in Stangenform. Eigentlich nur aus optischen Gründen und um den Rost von Säulen, Hebeln und Wellen zu entfernen. Mit dem Equipment kann ich diese filigranen Teile ja nicht bearbeiten…

#14 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Bulova 30.10.2022 11:52

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Dünne Torsionsfeder = schneller Gang? Ich denke, da liegst Du falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Vereinfacht gesprochen kommen zu den größeren Ausschlägen noch kleinere Winkelbeschleunigen hinzu. Also: Dünn => langsam.
Ferner wird auf jeden Fall die Hemmung auch an die zu verwendende Torsionsfeder angepasst sein.
Hast Du mal gezählt, wie viele Klicks bei der Hemmung für eine Minute nötig sind?
Die Reibung der Hemmung hängt von vielen Faktoren ab, einer davon ist Lagerreibung. Die Reibung des Gesamtsystems beinhaltet u. a. auch Luftreibung, die nicht ganz unerheblich ist bei Drehpendeln, denn die Geschwindigkeiten sind vergleichsweise groß.
Gruß
Dieter

#15 RE: Unbekannte Drehpendeluhr mit Problem von Fritz 30.10.2022 12:06

Der geschilderte Fall dass sich das Pendel weiterhin bewegt obwohl das Gangrad nicht weiterläuft wird wohl durch eine falsch eingestellte Hemmung hervorgerufen. Einseitig bekommt der Anker bei jeder 2. Halbschwingung einen Impuls steht aber möglicherweise zu tief um nach der Hebung abzufallen.
Wenn die Hemmung nicht korrekt eingestellt ist, sind die weiteren Gedanken zur Pendelfeder erst einmal überflüssig.
Sieht mir so aus als sollte sich der TS noch einmal mit den theoretischen Grundlagen der Hemmung befassen.
Übrigens wissen wir noch nicht einmal um welche Hemmung es sich im vorliegenden Fall handelt.

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