das Thema Uhren ist bis dato für mich neu, daher bitte ich um Nachsicht bzw. Korrektur, falls ich Fachbegriffe nicht oder falsch verwende.
Also ich habe hier eine Wanduhr, die ich gern wieder in Gang bekommen möchte, bzw. mich interessiert, ob dies möglich ist und wie groß der Aufwand wäre bzw. ob ich das überhaupt selbst hinbekommen kann oder auf jeden Fall ein Uhrmacher ran sollte. Ich hoffe, hier auf fachkundige Hilfe zu treffen.
Aber der Reihe nach: Wenn ich das Uhrwerk herausnehme, sind auf der Rückseite ein paar Punzierungen sichtbar, das ist alles was ich an Schrift/Text auf der Uhr gefunden habe:
Die Uhr verfügt über zwei Federn, eine fürs Uhrwerk und eine fürs Schlagwerk, allerdings läßt sich das Uhrwerk aufziehen und die Pendelaufhängung klackert danach munter hin und her, aber beim Aufziehen des Schlagwerks gibt es bei jeder Drehung stets am gleichen Punkt ein Klacken und es baut sich kein Gegendruck auf, ich kann beliebig oft den Schlüssel herumdrehen. Für mich als Laien klingt das nach defekter Aufzugsfeder.
Weiterhin ist zwar ein Pendel vorhanden, aber das bekomme ich nicht in die - ich sage mal - Pendelaufhängung eingehangen. Es scheint da irgendein Teil zu fehlen: Dieses Pendel:
muß irgendwie hier dran:
Das wären nun also ganz grob zwei Dinge: 1. Ich benötige irgendwie eine neue Feder. Diese muß auch noch eingebaut werden. Bekomme ich das als Laie mit etwas Fingerspitzengefühl hin oder ist das diskussionslos ein Fall für den Uhrmacher? Falls ja, in welcher Größenordnung hängt da ein Preisschild dran? Falls ich das selbst machen kann, woher bekomme ich genau so eine Feder, wenn ich noch nicht einmal den Hersteller benennen kann? Oder muß ich nur messen und der Rest ist Standard? (glaube ich kaum...) 2. Welches Teil fehlt für die Aufhängung des Pendels? Gibts dafür einen Ersatzteilemarkt oder wird das "aus dem Ganzen gefeilt"?
So, nun hoffe ich, das waren nicht zu viele Fragen auf einmal.
Es ist ein Werk der Firma Gustav Becker. Hinter den Ziffern verbirgt sich wahrscheinlich die benötigte Pendellänge, sie wird häufig auf die rückwärtige Platine gestanzt.
Leider zeigt das Foto das obere Ende der Pendelaufhängung nicht. Dort müßte sich die Pendelfeder befinden, falls nicht, fehlt sie. Dort oben, an die Pendelfeder, muß eine Pendelverlängerung eingehängt werden. Sie fehlt offenbar. Der nichtgewerbliche Schrauber kann sowas im >> Selva-Shop << kaufen, allerdings muß das alles auch passen. Die Pendelverlängerung muß durch die Gabel der Pendelführung (das ist das Teil, das klackert) gefädelt werden, in die Verlängerung wird schließlich das Pendel eingehängt.
Die Beschreibung des Aufzugsvorganges spricht für eine gebrochene Feder. Das Entfernen der Feder ist nicht ungefährlich. Es gibt Schrauber, die sich an soetwas heranwagen, das muß jeder selber wissen. Ich verweise nur auf die Gefährlichkeit. Schließlich muß die Feder repariert werden, was u.U. geht, wenn z.B. nur das Federende abgerissen ist. Auch das macht mancher Schrauber - ich kann das nicht. Falls die Feder nicht reparabel ist, muß sie ersetzt werden. Dazu müssen Befestigungsart, Länge, Höhe und Klingenstärke bekannt sein - die alte Feder könnte als Anhalt dienen. Das Einwinden der reparierten/neuen Feder ist auch nicht ohne. Ich habe gehört, daß das manche mit bloßer Hand schaffen, es gibt dafür jedoch ein spezielles Werkzeug (Federwinder). Bei manchen Werken läßt sich das Federhaus entnehmen, ohne das Werk demontieren zu müssen. Das könnte man dann einzeln zum Uhrmacher bringen.
Die wenigen Bilder lassen erkennen, daß das Werk wohl mal gereinigt werden müßte. Bei der Gelegenheit wären die Lager, Räder etc. zu kontrollieren - alles in allem (Pendel, Feder, Überholung des Werkes) also eher was, was insgesamt ein Fachmann machen sollte.
Eine solche Pendelverlängerung gibt es bei Selva nicht.
Bei Selva gibt es Pendelfedern und Aufzugsfedern, Abmessungen von den alten Federn abnehmen und nachbestellen - kein Problem.
Die Frage ob jemand sich das selbst machen kann, hängt von den sonstigen Kenntnissen, den Interessen und der Werkzeugausstattung des Jeweiligen ab. Pauschal kann man das nicht beantworten.
Vielen Dank für Eure Antworten und Erklärungen, das ist schonmal sehr aufschlussreich! Ich hab mal noch ein Foto gemacht, auf dem das obere Ende der Pendelaufhängung zu sehen ist und darin die Feder, deren Öffnung und die Gabel markiert. Hängt das Gewicht des Pendels dann an der Feder oder an der Gabel oder an beidem? Ich hatte gedacht, ich hänge das Pendel nur in die Gabel ein, aber so wie es scheint, gibt die Gabel nur den Impuls und die Last hängt an der Feder.
Wie es so klingt, steige ich bei der Reparatur aus, es hört sich leider nicht nur nach ein paar Schrauben lösen an, sondern eher nach mehr :-( Meine Werkzeugausstattung ist eher für größere und gröbere Sachen geeignet, ein paar Feinmechanikschraubendreher werden dafür nicht ausreichen, ich hab mir auch mal angeschaut, wie das Gehäuse bzw. die beiden Platinen miteinander verbunden sind, da sind auch Teile des Schlagwerks "außen" (zwischen Zifferblatt und vorderer Platine) dran, ich befürchte da mehr kaputtzumachen wenn ich selbst anfange und ganz am Ende muß ich das auch alles wieder zusammenbekommen, nee, da laß ich lieber die Finger von.
Wenn ich auf die Schnelle richtig recherchiert habe, scheint Gustav Becker halbwegs ordentliche Uhren gebaut zu haben, d.h. ich habe keinen billigen Schrott vor mir. Wenn ich das Werk nun zum Uhrmacher bringe, bin ich da erfahrungsgemäß noch im zweistelligen Bereich? Kann mir jemand vielleicht einen fähigen Uhrmacher in der Rhein-Main Region, vorzugsweise in oder nahe von Frankfurt empfehlen oder sollte das jeder normale Uhrmacher können?
Danke und Gruß klunch
PS: muß noch eine Frage nachreichen: Sind die Pendelverlängerungen universal oder woher wüßte ich, daß die bei meinem Uhrwerk passt?|addpics|3yl-5-ca9d.jpg-invaddpicsinvv|/addpics|
Wenn die die Uhr ein Fachmann machen soll, was ich auch empfehle, kannst du schon eher von einem unteren dreistelligen Betrag ausgehen. An solch einem Uhrwerk hat man um die vier bis fünf Stunden zu tun. Eine neue Feder kostet auch Geld. Und von Nächstenliebe allein kann kein "fähiger" Uhrmacher leben, schon garnicht in Frankfurt / Main.
LG Thomas
Vom Handwerk kann man sich zur Kunst erheben. Vom Pfuschen nie. J.W.v. Goethe
Schnell noch die Antworten auf die technischen Fragen:
Richtig: Das Pendel wird an die Pendelfeder gehängt, sie trägt die gesamte Last der Pendelkonstruktion. Deswegen muß sie auch richtig dimensioniert sein (und bleibt trotzdem ein neuralgisches Bauteil). Das Pendel läuft dann durch die Pendelgabel, die wiederum zu einem Bauteil gehört (Pendelführung) an der letztlich der Anker befestigt ist.
Universelle Pendelverlängerungen in dem Sinne, daß man ein Bauteil kauft, das überall paßt, gibt es nicht. Es muß immer angepaßt werden: Oben an die Pendelfeder, unten zur Aufnahme des Pendels. Dann muß es durch die Pendelgabel passen und schließlich die richtige Länge haben (einen Hinweis gibt meist die hintere Werksplatine, wo die Gesamtpendellänge häufig eingestanzt ist, wie ich oben schon schrieb).
Zwischen Zifferblatt und vorderer Werksplatine findet man den Großteil der Schlagwerkssteuerung. Ein recht komplizierter Mechanismus, bei dem man viel falsch machen kann .
Als Laie würde ich meinen, daß jeder Uhrmacher die Instandsetzung von Großuhrwerken beherrschen müßte. Eine andere Frage ist, ob es jeder macht. In meiner Heimatstadt (außerhalb der Reichweite des TS) gibt es einen Uhrmachermeister, der sich richtiggehend auf Großuhren spezialisiert hat.
Danke für die detaillierten Antworten und Erklärungen! Werde mir nun in der näheren Umgebung einen Uhrmacher suchen, vorzugsweise einen alten. Beim näheren Betrachten ist mir auch noch aufgefallen, daß die kleinen "Hämmer" des Schlagwerks eine Feder haben, diese ist beim doppelten Hammer gebrochen, das wäre auch noch was für den Fachmann und wer weiss, was der noch alles findet.
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07.01.2016 23:31
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