Hallo liebe Uhrenfreunde,

wie in meiner Vorstellung versprochen, sende ich Euch heute ein paar Bilder einer Wiener Empireuhr von ca. 1830, vor allem vom Uhrwerk, das Probleme bereitet. Das Gehäuse befindet sich in einem guten Zustand und weist auch keine Beschädigungen auf. Lediglich das Ziffernblatt ist nicht das Originale, aber ich denke, daß es hier gut gelöst wurde. Natürlich wäre mir ein Originalziffernblatt lieber, aber ich denke, daß man hier fast keines bekommt. Vielleicht hat jemand so etwas in seinem Fundus liegen, das er nicht mehr benötigt - wäre toll.

Das Uhrwerk ansich macht einen sauberen Eindruck, allerdings ist die Platine etwas angelaufen. Die Zahnräder sind weder verstaubt, verölt noch sonst irgendwie verschmutzt und laufen einwandfrei. Es handelt sich um ein Wiener Vierviertelschlagwerk mit Repetierschnur. Das Gehwerk funktioniert einwandfrei.

Nun zu den Problemen des Uhrwerkes:

- sind am Uhrwerk die Zeiger dran und dreht man per Hand die Zeiger viertelstundenweise weiter, funktiniert das Schlagwerk wie es soll (jede Viertelstunde und anschließend die vollen vergangenen Stunden).
- in ausgebauten Zustand ohne Zeiger läuft das Gehwerk einwandfrei, aber der Mechanismus des Schlagwerkes wird nicht ausgelöst. Per Hand kann man durch Weiterdrehen des Vierkantes des Minutenrades dann wieder auslösen, ebenso per Repetierauslösung. Ich habe einmal gelesen, daß bei den Wiener Werken eine Druckvorrichtung? besteht, die durch Anbringen der Zeiger und des Haltesstifts am Ende des Zeigerrohres aktiviert wird. Der Vierkant der Minutenwelle läßt sich ganz leicht hineindrücken (hinterhalb des Stundenrades sitzt ein kleines, gebogenes Metallplätttchen).
Daher meine Frage: funktioniert die Auslösung des Schlagwerkes tätsächlich nur, wenn die Zeiger, das Halteplättchen und der Haltestift dran sind?

- ich habe Euch ein paar Bilder des Uhrwerkes beigefügt. Auf den beiden Bildern der Vorderseite des Werkes sieht man rechts neben dem Stundenrad oder unter den Viertelstundenrad ein kleines Loch mit einem Gewinde. Man sieht hier genau, daß mittels einer kleinen Schraube etwas quadratisches mit ca. 1/2 cm war.
Könnte dies die Ursache sein, daß das Schlagwerk nicht weiterläuft, weil hier etwas fehlt? Die obige Viertelstundenscheibe läßt sich von dem einen zum anderen Stiftchen (4 an der Zahl) hin und her bewegen.

Dies sind Fragen, die vermutlich nur ein Uhrmacher beantworten kann. Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand die Fragen beantworten könnte. Danke im voraus.

Viele Grüsse
Norbert

Bilder:



Anmerkung: Habe im Internet ein Foto eines identischen Werkes entdeckt:
- das bei meinem beschriebene kleine Schraubloch ist auch hier zu sehen und auch nicht belegt.
- allerdings ist auf dem Stundenrad ein kleines Zahnrad angbracht, das bei meinem Werk nicht vorhanden ist. Ob es nun bei meinem Werk notwendig ist oder Auswirkung hat, weiß ich nicht.

Bild des identischen Werkes:
portaluhr_3_alabaster_22.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Hallo Norbert,

eigentlich hast du dein Schlagwerkproblem schon selbst gelöst. Ohne Zeigerscheibe und Vorsteckstift wird das Viertelrohr (auf dem der Minutenzeiger sitzt) nicht mitgenommen und damit auch die Viertelstaffel nicht weitergeschaltet, wie du schon vermutet hast. Wenn du den Minutenzeiger aufsteckst, die Zeigerscheibe darüberlegst und das Ganze mit einem Vorsteckstift sicherst (Immer darauf achten, daß sich das Viertelrohr etwas zur Frontplatine drücken lassen muß, um den Vorsteckstift anzubringen).

Der Fachbegriff für diese Vorspannung heitßt "Friktion". Bei Wiener Uhren und auch englischen Standuhren wird diese Reibung durch ein Federplättchen unter dem Viertelrohr erzeugt, bei französischen Pendulen durch ein federnd verengtes Viertelrohr auf einer konischen Minutenradwelle, und nicht zuletzt bei den modernen Hausuhren mittels eines federnd befestigten Minutenrades auf der Minutenradwelle.

Zur Überprüfung dieser Friktion dreht man im zusammengebauten Zustand den Minutenzeiger. Dreht er sich zu leicht, oder fällt er gar von alleine von "Viertel nach" auf "Halb", ist die Friktion zu schwach. Dreht er sich sehr schwer oder gar nicht, ist die Friktion zu stark oder das Viertelrohr hat sich auf der Minutenradwelle festgefressen, weil beim Zusammenbau ein Tropfen Öl vergessen wurde.

Viele Grüße

Kurt

Hallo Kurt,

vielen, vielen Dank für Deine Hilfe und die Erklärung mit der Vorspannung bzw. Friktion. Deinem Ratschlag folgend habe ich den Minutenzeiger, die Zeigerscheibe und den Vorsteckstift am Uhrwerk befestigt. Das Viertelrohr ließ sich auch etwas in Richtung Frontplatine drücken. Nach dem Aufziehen der Federhäuser hat sich der Minutenzeiger sofort zu bewegen begonnen. Bei Viertel, Halb, Dreiviertel hat er dann ganz normal (ohne mein Zutun) ausgelöst und ein, zwei und dreimal geschlagen und die vergangene Stunde dann nachgeschlagen. Bei Voll hat er dann vier mal geschlagen und die neue volle Stundenzahl. So soll es bei den Vierviertelwerken ja sein.

Ich bin wirklich begeistert, wie schnell und kompetent hier im Forum geholfen wird (in diesem Fall von Dir Kurt). Ich selbst bin kein Uhrmacher, sondern Bänker i.R. (leider krankheitsbedingt) und habe auch schon viele franz. Pendulenwerke zerlegt, gereinigt und alle laufen wieder. Mit einem Wiener Vierviertelwerk hatte ich bisher noch nie etwas zu tun. Die Sache mit der Vorspannung oder Friktion habe ich irgendwann mal so nebenbei gehört, war mir aber nicht sicher, ob es tatsächlich stimmt. Ich bin jetzt fast 60 Jahre alt, aber man sieht, man lernt immer wieder was dazu - gut so, dann bleibt der Geist wach.
Was ich mir allerdings nicht zutrauen würde, dieses Vierviertelwerk zwecks Reinigung zerlegen und wieder zusammenbauen. Ich bin ganz ehrlich, dies würde ich dann lieber einem Profi machen lassen.

Ich bin happy, daß das Werk nun läuft, wie es sein soll.

Sollten noch Fragen zum Uhrwerk oder zum Gehäuse auftauchen, melde ich mich wieder. Bis dahin alles Gute und vielen Dank!!!!
Wenn ich die Uhr dann komplett gereinigt und wieder zusammengebaut habe, stelle ich einige Bilder ein - ich denke, daß es viele interessieren wird.

Viele Grüsse

Norbert