Letztes Jahr erwarb ich aus einer Sammlungsauflösung für einen geringen, eher symbolischen Betrag das Fragment einer französischen ATO Bürouhr. Eigentlich als Ersatzteilträger gedacht, zwei Exemplare dieses aus meiner Sich recht robusten Uhrentyps im Industrie-Stil (oder „style“, wie man heute sagt) hab ich bereits in meiner kleinen Sammlung. Ich habe diese Uhren als zuverlässig, aber ein bisschen laut kennengelernt.

Bei näherer Untersuchung stellte ich erfreut fest, dass der Begriff Fragment dann doch eher unzutreffend ist, denn mit ein paar Kleinigkeiten aus der eigenen Ersatzteilkiste könnte eine komplette Uhr zusammengebaut werden. Allerdings fehlten nach wie vor Zifferblatt und Gehäuse. Ich erinnerte mich natürlich an mein Junghans Elektronom-Projekt und überlegte, dass der Ansatz auch hier zu einem schönen Museums-Sichtmodell führen könnte. Wenn, ja wenn ich es mit meinen Mitteln hinbekommen würde, ohne an den eigenen Präzisionsansprüchen zu scheitern.

Die Versuche, Plexi-Teile für ein solches Gehäuse selbst zuzuschneiden, gab ich schnell wieder auf. Im Internet finden sich ausreichend viele Anbieter für solche Zuschnitte, deren Angebote verlockend erscheinen. Die Idee war, an den Kanten der Seitenteile und Richtung Front gleich 45-Grad-Gehrungen anbringen zu lassen. Eine solche Auswahlmöglichkeit ist aber erstaunlicherweise bei keinem Anbieter (vielleicht hab ich auch nicht alle entdeckt) im Online-Konfigurator zu finden. Der Griff zum Telefonhörer führte zu netten Ergebnissen, bis hin zu Feststellung eines Mitarbeiters, dass viele nicht wüssten, was eine Gehrung sei du sie die Option deshalb wieder rausgenommen hätten ...
Einer konnte die Teile dennoch wie gewünscht anbieten, lag aber preislich so weit über allen anderen (obwohl angeblich nicht „per Hand an der Maschine“ nachgearbeitet wird), dass ich mich dafür entschied, mit 90 Grad zu arbeiten. In Richtung Front sollte ohnehin eine eloxierte Aluleiste angebracht werden, um die Uhr „schicker“ aussehen zu lassen. Die originalen Uhren haben eine vernickelte oder verchromte Leiste, ein bisschen Ähnlichkeit darf schon sein.

Nebenbei bekam ich auch verschiedene Tipps zu den Klebern und entschied mich für das einfache Dichlormethan, das mittels Nadelflasche aufgetragen werden sollte. Klingt einfach, ist aber trotz einiger Übungsstücke tückisch. Um die Teile exakt im 90-Grad-Winkel platziert zu bekommen, habe ich auf einer dicken Glasplatte gearbeitet – und mit einem recht präzise gearbeiteten alten Stahlblock, damit dann nichts verrutscht. Unglücklicherweise ist es dem Kapillareffekt wurscht, ob Plexi oder Stahl und nur eine Idee zuviel Flüssigkleber, ein gaaanz kurzes Zögern beim Auftrag oder irgendein anderer Störfaktor führen zu unschönen Überraschungen. Bei Youtube sah es sooo einfach aus ;-)








Mit meinen Werkzeugen auch schwierig: die 45-Grad-Gehrungen für die Leisten.

Wie macht Ihr das?

Ich hab es mit kleinen Dremel-Trennscheiben versucht, mit und ohne diverse Führungen, dann mit der Proxxon-Tischkreissäge, auch hier diverse Tests, Führungen und Schnittmethoden – den halben Millimeter Versatz oder eine leichte Winkelverschiebung auf der halben Sägestrecke sieht man leider sofort.
Also stundenlang mit feinen Feilen alle Teile anpassen und natürlich auch die jeweilige Position am Gehäuse nicht verwechseln, sonst passt es wieder nicht.




Kleberreste bzw. die nicht ganz plane Aushärtung des durch den Kleber angelösten Materials an der Außenseite des Gehäuses führt zu weiteren Herausforderungen hinsichtlich Spaltmaßen an der Leiste. Erst wollte ich sie – wie beim Original – mit kleinen Schrauben befestigen. Davon habe ich seeeehr schnell wieder abgelassen und mit Sekundenkleber gearbeitet.




Gebohrt und gefeilt auch die Öffnungen für die Laschen an der Oberseite, von denen das Gehäuse gehalten wird. Einen wirklich passenden Schaftfräser hatte ich nicht, außerdem auch hier wieder Tücke im Detail. Wird das Teil auch nur geringfügig zu warm, schmilzt natürlich das Plexi und setzt den Fräser zu. Die Öffnung wird breiter :-)

Zifferblattaufkleber von Eric – VIIILEN DANK NOCHMALS – nach einem Muster einer zeitgenössischen anderen quadratischen ATO, in der Größe angepasst. Gefällt mir mit arabischen Ziffern besser als nur mit Strich-Indizes.

Das Werk zu reinigen, zu komplettieren und wieder zusammenzubauen war die weit einfachere Arbeit, alle Lager – soweit ich das beurteilen kann – soweit okay und dann auch wieder sauber (keine Fotos davon gemacht). Die Herausforderung bestand hier in der korrekten „Höhenlage“ des Werkes auf der Grundplatte. Eine längere Zeigerachse hatte ich nicht im Fundus (kann mir auch keine machen), also musste ich ein bisschen „aufpolstern“, damit das 3 mm dicke Zifferblatt (dünner fand ich zu „wabbelig“) das Anbringen der Zeiger nicht verhindert. Zum Glück sind die Zahnräder ausreichend dimensioniert und mit dazwischen gelegten Scheiben gelang es nach einigen Versuchen knapp. Ich kann mir ja leider auch keine Scheiben in beliebiger Dicke selber drehen :-) Wer gibt Kurse an der Uhrmacherdrehbank???



Der Testlauf des Werkes war zunächst erfolgreich, brachte mich aber wieder an den Rand der Verzweiflung. Alle elektrischen Komponenten okay, Spule okay (war übrigens schon beschriftet, hätte ich nicht gemacht) Zuleitungen durchgemessen, auch okay, Kontakt mittels LED getestet, alles prima. Und mehr gibt es ja nicht. Mal läuft es 2 Tage, mal 3, mal 4. Ob mit Zeiger oder ohne – kein Unterschied. Testbatterie mit Zuleitungen per Kroko-klemme befestigt, andere Testleitungen brachten auch keine Verbesserung.

Irgendwann bleiben ja nur die originalen Zuleitungen, die ich ja immer gern erhalte soweit das möglich ist. Hier unproblematischer, weil schon kunststoffummantelt – aber auch da habe ich nicht alle Farben und Durchmesser. Richtig schwierig wird es bei den alten Isolierungen, ob Baumwolle oder irgendwelche lackgetränkten weiß-nicht-was-Materialien. Es war das, was ich bezüglich Junghans Magnetpendeluhren mal gesagt bekam: Leitungsbruch. In der „Ausgangsstellung“ der Kabel Durchgang, durch das Gewicht der Kroko-Klemme bewegt sich das Kabel laaaaangsam nach unten – kein Durchgang. Kabel ersetzt – und gut.



Im Ergebnis war die Uhrmacher-Herausforderung sogar für mich als Laien deutlich geringer als der Gehäusebau. Man könnte das jetzt wohlmeinend als „Prototyp“ bezeichnen – ich stelle aber fest, dass viele gar nicht sooo genau hinschauen wie ich. Oder wie der ein oder andere von Euch?
Erstmal mach ich kein weiteres Gehäuse (es könnte 3 mm kleine sein, könnte keine „verhunzten“ Klebestellen haben, die Fräslöcher könnten schmäler sein, die Spaltmaße der Leiste kleiner ...)

ABER: ich freu mich, dass jeder Besucher jetzt ganz leicht erklärt bekommen kann, wie eine Magnetpendeluhr funktioniert :-)

Hallo,

Eine schöne Arbeit, die du da erbaut hast. Gefällt mir gut und ist im Falle von technisch oder optisch interessanten Werke eine passende Alternative zu einem irgendwie nachgebastelten Gehäuse.

Meine Frau schwärmt immer von diese transparenten Standuhr von Kininger, aber der Preis dafür liegt nicht in meinem Budgetrahmen.

Weiterhin viel Freude damit, Gruß Werner

Danke für den Bericht und immer wieder gerne.

LG Eric