Servus Leute,

ich überlege aktuell mir einen "Spirator" (auch Tumbler genannt) anzuschaffen und erhoffe mir davon die Möglichkeit Platinen und andere Komponenten von Großuhren zu reinigen, ohne daß die originalen Oberflächen beschädigt werden.





Bei den klassischen Rotationsgleitschleifern (Trowalisiergerät) werden durch die Schleifkörper leider Kanten verrundet und das ursprüngliche Erscheinungsbild geht verloren.

Nun möchte ich ungern die Katze im Sack kaufen und suche auf diesem Weg den Austausch mit Leuten die solch ein Gerät schon eingesetzt haben, um Großuhrteile zu reinigen. Welche Erfahrungen habt Ihr mit dieser Technik gemacht?

Ist es mit solch einem Spirator möglich eine saubere Oberfläche zu erzielen, ohne Materialabtrag?

Mit welchem Schleifmittel und ggf. welchem Compound (Zusatzflüssigkeit) habt Ihr gearbeitet?

Wie lange benötigen Teile in etwa bis sie gereinigt sind, ggf. auch poliert?

Welchen Gerätetyp habt Ihr verwendet?

Ich bin gespannt auf Eure Rückmeldungen!

Hallo,

die klassischen Tumbler werden von Sportschützen verwendet, die ihre abgeschossenen Patronenhülsen vor dem Wiederladen polieren.
Dabei ist aber nicht das Polieren wie bei Uhrenteilen (Entfernen einer Oxidschicht) gemeint, sondern das Entfernen von Pulverschmauchspuren.
Die Tumbler werden in der Regel mit speziellem Walnussgranulat und trocken eingesetzt.
Ich habe das mit Großuhr-Zahnrädern ausprobiert, aber ohne Erfolg:
Das Polierergebnis war auch nach mehreren Stunden ungenügend, die Granulatkörner setzen sich in Trieb- und Radzähnen fest, manuelle Nacharbeit mit Putzhölzern war erforderlich. Platinen habe ich nicht ausprobiert. Dazu sind die meisten Tumbler zu klein.

Ich verwende schon lange eine weiche, rotierende Drahtbürste, Hängemotor und Handstück. Damit bin ich sehr zufrieden.


Viele Grüße!

Matthias

Einen gewissen Materialabtrag wirst du bei jedem Verfahren haben. Ganz ohne geht nicht. Das kann man aber durch die geeigneten Schleifkörper und das Compound steuern. In der Regel wird man das nur unter dem Mikroskop erkennen können.

„Bei den klassischen Rotationsgleitschleifern (Trowalisiergerät) werden durch die Schleifkörper leider Kanten verrundet und das ursprüngliche Erscheinungsbild geht verloren.“

Das halte ich für ein Gerücht. Ich habe schon viele Uhrenteile damit gereinigt und konnte nie irgendwelche runden Kanten feststellen. Beim Einsatz ungeeigneter Schleifkörper ist das aber sicher möglich. Das trifft dann aber für den Spirator genauso zu.

Die benötigte Zeit hängt sicherlich davon ab, wie „neu“ die Teile aussehen sollen. Ich habe es mal ausprobiert mit ziemlich verdreckten und oxidierten Teilen. Bei meinen Schleifkörpern und dem Compound sahen die nach 2 Stunden aus wie neu.

Ich benutze die Keramikschleifkörper, „Zylinder Schrägschnitt,02/05" und das "Compound VF 109" der Firma Avatec.

@Uhrmensch - danke für die Info zu Deinen verwendeten Produkten. Hättest Du evtl. die Möglichkeit Bilder in guter Auflösung von einer historischen Platine vor und nach dem Trowalisieren zu zeigen?

Hallo, ja kann ich versuchen. Muss mal sehen was ich habe. Allerdings erst heute Abend.

"Trowalisieren" ist eine Ausdruck von Walther-Trowal, den Erfindern dieser Technologie.
Technisch heisst das im allgemeinen Gleitschleifen, im Beispiel des gezeigten "Spirator" Vibrationsgleitschleifen.
Das andere leicht zugängliche Verfahren ist Trommelgleitschleifen mit rotierender Trommel.

Ich habe das abgebildete Gerät.
Das Ergebnis kann allen obengenannten Kriterien in beliebigem Maße entsprechen. Das hängt von der Behandlungsdauer, dem Compound und den Schleifkörpern ab.
Von reiner SIC Schlämme über agressive kunstoffgebundene Schleifkörpern, Stahlstifte oder Zirkonoxidkugeln bis hin zu Walnuss oder gar Maisschalen lässt sich der Effekt steuern.
Das Ergebnis kann von verbogenen Teilen bis zur Hochglanzpolitur reichen.

Selbstverständlich kann wie bei jedem Schleifvorgang kein Dreck oder Oxid abgetragen werden, ohne dass auch Material dabei verloren geht. Im Idealfall mikroskopisch wenig.
Der Abtrag erfolgt immer an den Ecken maximal, den Flächen weniger und in Innenkonturen kaum.
Jegliche Innenkonturen sind darüber hinaus Fallen für Schleifkörper, die sich mit unglaublicher Phantasie überall reinkeilen, wo man das nicht für möglich gehalten hat.

Das gezeigte Gerät ist für Großuhren zu klein.
Für eine Umwälzung darf das Werkstück nicht größer sein als höchstens 1/3 des Innenduchmessers des Topfes.
In eine rotierende Trommel passen vergleichsweise größere Teile rein aber die Abtragsgeschwindigkeit ist geringer.

Gleitschleifen ist kein Wunderverfahren. Man braucht vom Entgraten bis zum Polieren recht viele verschiedene teure Prozessmittel und von restauratorischen Gesichtspunkt macht man damit fast immer einen Fehler.
Ich finde, es ist eher ein Verfahren für viele gleiche Teile in industrieller Fertigung, wo man den Prozess hinoptimieren kann.

Für gelegentlichen Einsatz in der Uhrmacherwerkstatt ist man mit Bürsten und verschiedensten Reinigungs- und Poliermitteln in meinen Augen auf der sichereren Seite.
Ansonsten vielleicht eher mit einer Trommelmaschine und ZrO Stiftchen, die nicht viel kaputt machen können.

Hallo, wie versprochen einige Bilder.
Ich habe leider nur wenige gefunden, bei denen man einen direkten Vergleich hat...

Edit:

Hier noch ein Bild von zwei Zahnrädern, aus der selben Uhr.
Eines habe ich ich ca. 2 Stunden in der Trommel gehabt; das Andere nicht.
Wie gesagt, ich habe das schon mehrfach gemacht und konnte noch nie irgendwelche
sichtbaren Abträge erkennen (außer dem Dreck ;-))

Aber wie Mikromeister bereits anmerkte, die Patina ist natürlich weg.
Daher mache ich das bei historischen Uhren normalerweise nicht. Es sei denn der Dreck
ist so eingefressen, dass gar nichts mehr geht. Dann kann man versuchen, durch kurzzeitiges
trowalisieren und häufige Kontrolle die Patina weitestgehend zu erhalten und gleichzeitig den Dreck
soweit möglich zu entfernen. Das ist aber eine Gratwanderung..


IMG_2612.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)

Also ich sehe da eine deutlichen Kantenverrundung beim behandelten Zahnnrad.

Man mag das gut oder schlecht finden, aber wenn Du das unterm Mikroskop anschaust, dann wirst Du sehen, dass der Abtrag auf den Kanten mindestens Faktor 10 so groß ist wie der auf der Fläche.
Mit trockenem Walnusschalengranulat ist der Abtrag wirklich minimal, aber leider auch der Reinigungseffekt.

Restauratorisch ist es problematisch, dass originale Bearbeitungsspuren verschwinden, die Rückschlüsse auf die ursprüngliche Fertigung ziehen lassen und z.B. damit die zeitliche Einordnung erschweren.

Also ich sehe da nichts von einer Verundung. Könntest du mal eine Stelle markieren? Vielleicht täuscht das auch auf dem Bild. Aber ich schaue mir das auch nochmal unter der Lupe an.
Die ganzen Originalspuren bleiben eigentlich auch erhalten. Ich habe hier zB. eine Platine liegen, bei der man nach der Reinigung immer noch die fast unsichtbaren Abdrücke eines Zahnrades vom Schlagwerk sieht, das schon lange nicht mehr vorhanden ist.

Ps. Die Bilder aus der ZIP Datei hast du gesehen?

Vielen Dank an @Uhrmensch und @mikromeister - Eure Beiträge helfen mir gut bei der Entscheidungsfindung.

Daß Mikromeister solch einen Vibrationsgleitschleifer schon ausgiebig getestet hat ist natürlich super. Dadurch muß ich nicht wieder von vorne mit dem Experimentieren anfangen.

Es geht nicht um eine Stelle sondern um alle Kanten, die im linken Bild scharf bis gratig sind und im rechten Bild perfekt entgratet bzw minimal verrundet sind.
Wenn Du die Teile in die Hand nehmen würdest, würdest du sofort einen Unterschied spüren und der kommt vom Materialabtrag.

Sicherlich ist das aber auch alles eine graduelle Frage und subjektiv in der Beurteilung.

Die Zip Bilder finde ich hinsichtlich Abtrag weniger aussagekräftig.
Trotzdem wird der Unterschied zwischen Restaurieren und Aufpolieren schön deutlich.
Ein Restaurator würde bei dem behandelten Werk Pickel bekommen, ein Kunde wäre meist entzückt und freut sich dass es schöner wie neu ist.
Alles eine Frage der Zielsetzung.

So ich habe das nochmal unter der Lupe mit 10x Vergrößerung angeschaut. Ihr habt Recht, es ist tatsächlich eine minimale Abrundung/Entgratung zu erkennen.
(wobei solche Grate an Zahnrädern natürlich auch nicht grade für eine hohe Qualität der Uhr sprechen…)

@mikromeister, Interesse an einem kleinen Versuch? Ich könnte dir das unbehandelte Zahnrad zuschicken. Wenn du es dann in den Spirator legst, hätten wir einen direkten Vergleich der Methoden. Wobei, eigentlich müsstest du dann auch die gleichen Schleifkörper verwenden damit das Aussagekräftig ist..

Der Versuch wird nichts bringen.
Ich kann dir die Zähne wahlweise bis zur Unkenntlichkeit wegschleifen oder das Rad mit minimalem Abtrag spiegelglänzend polieren.

Die Methode wird nur zu einem kleinen Teil, und hier vor allem in der Abtragsgeschwindigkeit von der Maschine bestimmt. Den meisten Einfluss haben die Prozessmittel.
Drum braucht man ja auch viele verschiedene.

Für empfindliche Kleinteile nehme ich ganz gerne feines trockenes Walnussgranulat mit 400er SiC .
Das ist sehr, sehr langsam und mild, geht vergleichsweise gut in kleine Strukturen rein und vor allem pappen flache Teile nicht zusammen. Dafür ist aber auch nach 24h noch nicht viel passiert, weil das Granulat sehr leicht ist und die SiC Körner hauptsächlich nur unten rumliegen.
Wird das Schleifkorn an die Polierkörper irgendwie z.B. durch Wasser gebunden, geht es viel schneller.

Ein Problem bei Nassebehandlung oder bei Walnuss mit Polierpaste ist aber, dass sich kleine flache Stücke stapeln, zusammensaugen und dann gegenseitig zerkratzen.
Bei wenigen Teilen kann man einen Kunststofffaden um jedes Teil rumknoten oder sowas, damit es zu keinem Zusammensaugen kommt.
Microkugeln aus Kunststoff verhindern das auch, aber die wirken im Vibrationsgerät wie Kugellager und schwächen die Vibrationsbewegung extrem. Kugeln sind in Vibrationsgeräten aus diesem Grund prinzipiell schlecht.

Relativ problemlos für empfindliche Oberflächen sind auch 1mm Stahlstiftchen nass. Hier kommt es zu einer recht gleichmäßigen Gleitbewegung ohne Vibration.
Die Stifte können eine gute Oberfläche bis zum Hochglanz reiben. Druckpolitur quasi.

Danke für die ausführliche Info!
Das heißt also, die Wahl des Gerätes ist eher zweitrangig und es kommt vor allem auf die Schleifmittel an?
Und sind diese Stahlstifte, die du genannt hast, auch für eine drehende Trommel geeignet oder nur für die Vibrationsgeräte?

Ja, das Gerät bestimmt fast nur die Schleifgeschwindigkeit. Vor allem bei kleinen und leichten Teilen.
Die Stifte sind auch für ein Trommelgerät geeignet.

Ich nehme 0,5x3mm schräg geschnittene Edelstahl-Stifte. Das ist das kleinste was es gibt und die kommen am besten in Ecken rein.
Dafür verkeilen sie sich auch am besten in Löchern und sind am teuersten. Ein Kilo ist nicht wirklich viel.
1x5mm habe ich auch. Die sind auch ok.

Noch ein Tipp zum Trocknen der Stifte, was nicht so leicht ist wie man denkt.
Ich habe eine kleine Wanne mit den nassen Stiften drin die ich schräg stelle, damit das Wasser auf eine Seite zusammenläuft.
Dort stecke ich einen Docht aus einem 5cm breiten Stoffstreifen rein und lasse das andere Ende ins Waschbecken hängen wie einen Schlauch zum Abziehen.
So saugt es das meiste Wasser über Nacht ins Waschbecken und der Rest trocknet vom Stoff ab.