Hallo Forum,

ich hab vor einiger Zeit eine wunderschöne und absolut originale Wiener Dachluhr kaufen können, und bei der Revision des Uhrwerks hab ich etwas gefunden, was ich so an frühen Pendeluhrwerken um 1800 - 1840 noch nicht gesehen habe.
Der Uhrmacher hat sich viele Gedanken um die Austarierung des Zeigerwerks gemacht, so hat das Stundenrohr ein ziemlich großes Gegengewicht, und sogar das Minutenrohr trägt ein kleines Gegengewicht auf seiner Unterseite. Zudem ist am kurzen Ende des Minutenzeigers nochmals eine kleine Stahlkugel in das runde Auge des Zeigers eingelassen. Für mein Gefühl schon etwas zu viel Gegengewicht, aber ich werds mal auspendeln lassen.

Hab ich bei einer solchen Uhr noch nie gesehen, wie auch die Abdeckung der Ölsenkung des Ankers mit einem kleinen polierten Stahlplättchen in Schlüsselllochform. Bei Laterndeln auf Bildern hab ich solche Abdeckungen schon gesehen, kennen aber die genaue Bedeutung nicht.
Ich vermute, dass damit die Ölhaltung verbessert werden sollte, wie auch diese Lagerstellen gegen das Eindringen von Staub geschützt werden sollten. Richtig?

Ansonsten freue ich mich über einen tollen, absolut originalen Kasten, der noch nie Abbeizer oder Schleifpapier gesehen hat, dafür mit einer dicken Schicht Dreck bestens konserviert war. Auch ist noch nie ein Gewicht runtergefallen und hat diese bösen Schäden an den Seiten des so fragilen Kastens verursacht.

Das Zifferblatt aus Milchglas ist ordentlich verdreckt und schon bei der Spezialistin für Zifferblätter, auch müssen die Zahlen und Signatur leicht nachgezogen werden, leider ist da Glasbemalung nicht so haltbar wie Emaille.

Alles zusammen aber eine traumhafte Uhr feinster Qualität, und endlich mal wieder ein unverbasteltes Original, und wenn ich mir die Angebote diverser Spezialisten für solche Uhren ansehe, graust es mich immer wieder. Da sind sicher 80 % der Dachluhren komplett gefälscht oder so verfälscht, dass sie eigentlich wertlos sind.

Hallo Pfertbauer,

ein interessantes Detail, haben wir auch auf einer unserer Uhren. Ist soviel ich weiß zur Begrenzung des Höhenspiels des Triebes, aber unsere Hardcore Uhrmacher hier im Forum wissen das sicher genauer.
Schön wäre es, wenn Du uns auch die ganze Uhr vorstellen würdest, zumal man ja wie gesagt selten Originale zu sehen bekommt.
In einem muss ich Dir allerdings widersprechen: auch "nachgemachte" Dachluhren haben, bei entsprechender Qualität, ihren Wert. Versuche mal heute ein passables Gehäuse von einem Tischler angefertigt zu bekommen

Moin Sieverl, meine Bemerkung zu den wertlosen gefälschten Dachluhren ging eher so in die Richtung Antikhandel, wo die meist ab 5000 oder auch noch deutlich mehr gehandelt werden. Genau die sind wertlos, weil eben als Originale verkauft, die sie nicht sind.
Ein guter Nachbau mit wirklich gutem Material wie passendem Furnier etc. liegt meist so um die 2000 Euro, und das sind die dann sicher auch wert, wenn sie eben als Kopie verkauft werden.
Beizeiten, wenn alles fertig ist, gibts dann auch Fotos von der Uhr.

Bin zwar weder Uhrmacher noch Hardcore, aber bei dem Plättchen habe ich wie Siverl auch gleich an ein Deckplättchen zur Begrenzung des Spiels gedacht. Funktion entspricht dem Deckstein bei Steinlagern. Ich habe eine Nachkriegsuhr von Julich (Zella-Mehlis). Natürlich viel billiger ausgeführt als Deine Uhr. Da haben viele Räderwellen keine Zapfen und sind auch mit ähnlichen Deckplättchen gegen zu großes Seitenspiel gesichert. Und was ähnliches gibt es ja auch bei der Anker-Lagerung bei Schwebe-Ankerhemmung oder bei magnetisch entlasteter Unruh.
Die Gegengewichte an den Zahnrädern erinnern mich sehr an den Masseausgleich bei Kuppelrädern von Dampfloks oder stangengetriebener E- oder Diesselloks (z.B. V 60 DB und DR). Pufferküsser wissen, was gemeint ist.

Masseausgleich am Zeigerwerk habe ich bisher nur an einigen Präzisionsuhren gesehen. Bei einem feinen Regulator erscheint mir diese Maßnahme als durchaus angebracht. Ich kann mir vorstellen, dass sich damit die benötigte Antriebsmasse noch etwas reduzieren lässt.

Eine Dacherl-Uhr war einst auch das Ziel meiner Internetsuchen. Ich bin schon neugierig auf die Bilder des Themenstarters.

Roland

So, nun hängt die Dachluhr an der Wand und ist eine wahre Augenweide:
Am Werk war außer einer Reinigung nichts zu machen, alle Lager waren ok, nur der Anker musste etwas nachgearbeitet werden, das hat mein Uhrmacher getan.
Leider scheint das Gewicht mit seinen 700 Gramm noch immer deutlich zu schwer, der Gang ist sehr gut, die Amplitude des Pendels weit und sie tickt laut für eine feine Wiener Pendeluhr.
Ich hatte in jetzt sicher 40 Jahren Sammelei noch nie eine Uhr, bei der der Kasten so original erhalten war, außer einer Menge Dreck auf der Politur war alles im Originalzustand. Absolut unberührt.
Ein schönes Detail: nach Art einer Laterndluhr geht die Tür vor dem Zifferblatt separat auf, und die untere Tür wird nach oben eingeschoben und durch zwei winzige Zapfen verriegelt, öffnen heißt also die Tür ein paar mm anheben, und dann nach unten ausheben.
Das war eher unpraktisch, da jede Woche einmal die Tür so umständlich geöffnet werden musste, da normalerweise der Kurbelschlüssel unten im Kasten liegt.
In diesem Fall haben sich dann die kleinen Macken auf der waagerechten Fläche des Dachls vorn erklärt: anstatt immer die Türe auszuheben haben die Vorbesitzer die kleine originale Kurbel dorthin gelegt, und die beiden Zackenförmigen Verzierungen des Schlüssels haben dort ihr Spuren hinterlassen.

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Die Uhr ist traumhaft schön!

Diesem Kompliment möchte ich mich gern anschließen.