Bei einigen der von mir gefertigten Instrumente habe ich Markierungen, Schrift, Zahlen und Ornamente nicht geätzt, sondern "graviert", in der Hammergravurtechnik.
Ich habe das "graviert" extra in Anführung gesetzt, weil für den Berufsgraveur, der diese Technik wirklich beherrscht, die Anstrengungen eines Laien eher wie geritzt oder gemeißelt aussehen.
Wie bei der Handgravur setzt die Hammergravur eigentlich ein tägliches, stundenlanges Üben vorraus, ein Aufwand an Zeit die dem Amateur in der Regel nicht zur Verfügung steht - oder die er nicht bereit ist zu investieren.

Wenn er sich trotzdem mit dieser Technik beschäftigen will ist es natürlich unumgänglich sich zuerst mal das entsprechende Werkzeug zu besorgen.

Dazu gehören für den Anfang:

Mehrere Spitzstichel mit langem Heft
Ein Schleifstein mit grober und feiner Seite
Ein Gravierhammer
Ein Kittstock
Ein drehbarer Parallelschraubstock
Eine Reißnadel
Ein kurzes Stahllineal
Plastilin
Ein Bleistift, Härte HB

Mit dieser kleinen Grundausstattung kann der Amateur beginnen.
Zu allererst sollte er sich mit dem richtigen Anschleifen des Stichels beschäftigen.
Ein korrekt geschliffener Stichel ist die halbe Miete! Ist der falsch angeschliffen kommt man zu keinem brauchbaren Ergebnis.
Um zwischendurch mal kontrollieren zu können ob das Anschleifen von Erfolg gekrönt ist, sollte man sich einen korrekt geschliffenen Stichel immer zur Seite legen.

Das erste Bild zeigt wie der Stichel richtig geschliffen wird. Für den Anschliffswinkel der Kappe ist wichtig welches Material graviert werden soll.
Als Faustregel gilt, je härter das Material um so stumpfer der Winkel. Die Bahn der Facette darf nicht zu lang und nicht zu kurz sein und muß ohne Abweichung in die Bahn des Stichels übergehen. Sie verleiht dem Stichel bei geraden Strichen die nötige Stabilität. Ist die Facettenbahn zu lang zerstört sie bei engen Kreisradien den Rand des gerade Gravierten.
Beim Schleifen der Stichel ist natürlich darauf zu achten das sich der Stahl nicht verfärbt. Dann ist die Härte raus. Also lieber einmal zuviel abkühlen als einmal zu wenig.





Liegen die Stichel gut geschliffen bereit gilt es das Werkstück vorzubereiten, in unserem Fall die Messingplatte.
Die Oberfläche wird nun mit Schleifpapier gleichmäßig angeschliffen. Ich selber benutze da 600 er.
Danach tupft man die geschliffene Oberfläche mit dem Plastilin ab um das Graphit des Bleistifts so sichtbarer zu machen.

Jetzt kann das Anzeichnen der Markierungen, der Buchstaben, Zahlen und der Ornamente beginnen.
Wer mit dem Zeichnen auf Kriegsfuß steht wird hier schon scheitern.
Sind Buchstaben und Zahlen ungenau und unsauber gezeichnet wird auch die anschließende Gravur dementsprechend ausfallen.
Es bedarf einer längeren Übung solche Ungenauigkeiten während des Gravierens auszugleichen.

Vor dem Gravieren muß unsere Messingplatte noch befestigt werden. Bei der Hammergravur ist dieses sichere Befestigen naturgemäß noch wichtiger als bei der Handgravur.
Hier kommt normalerweise ein Kittstock in Form einer Kugel (bei der Handgravur), oder in unserem Fall eines einspannbaren Holzkittstocks zum Einsatz, auf den unsere Messingplatte mithilfe eines Heißluftföns in den Kitt eingelassen wird.

Ich selber benutze anstelle des Kittstocks eine umgebaute Vorrichtung aus der guten alten Buchdruckzeit, mit der früher kleinere Druckplatten eingespannt wurden.
Aluminium - Lochplatten mit kleinen, unterschiedlich geformten Schließwerkzeugen, die es ermöglichen auch unsymetrische Platten sicher zu spannen.
Diese Vorrichtung wird in einen schweren, drehbaren Paralellschraubstock gespannt, der auf den nachfolgenden Bildern nicht zu sehen ist, weil die Klemmung bei einem Freund überholt wird.








Diese Klemmung muß so justiert werden können das sich zwar das Werkstück mit Hand drehen läßt, sich aber bei den Hammerschlägen beim Gravieren nicht verdreht. Diese Drehbarkeit ist wichtig beim Gravieren von Rundungen, etwa bei Kreisen, Buchstaben und Zahlen.

Beim eigentlichen Gravieren hält man in der einen Hand den Stichel wie einen Meißel in dem Winkel zum Werkstück der dem Winkel der Facettenbahn entspricht und treibt ihn mit kurzen Schlägen des Gravierhammers voran. Dabei sollte er nicht seitlich verkanntet werden - und natürlich keine unterschiedlich tiefen Bahnen ziehen.
Es gibt unterschiedlich schwere Hammerköpfe und die Länge und Form des Stiels paßt man sich nach einer gewissen Einarbeitungszeit seinen Bedürfnissen an.

Für den Anfang tut man gut daran auf Restmaterial erst mal gerade Striche und Kreise zu üben, sowie das Zurückstechen, welches bei Linienabschlüssen wichtig ist, weil ja beim Beginn einer Linie der Stichel eine kleine Strecke braucht um die erforderliche Linienstärke, und damit Graviertiefe zu erreichen, und somit dieser Anfang immer dünner erscheint. Deshalb dreht man das Werkstück, setzt den Stichel in der gravierten Linie vor dem Anfang erneut an und sticht sozusagen bis zum Anfang der Linie zurück und hat nun die gesamte Linie in der gleichen Stärke gestochen.

Es gibt da aber auch ausführliche Literatur.

Sauber gemacht. Danke für die viele Arbeit der Präsentation.
Mir fallen natürlich gleich ein paar Fragen dazu ein

1. Der "Anschliffwinkel der Kappe" ist wohl von 90° zur Facette aus gerechnet? Also 0° würde rechtwinklig zur Facette heissen und einen Spanwinkel von 0° und einen Keilwinkel von 90° ergeben.? http://de.wikipedia.org/wiki/Spanwinkel

2. Wie groß sind diese Flächen in Wirklichkeit? Also wie lange ist z.B. diese Facette im Vergleich zur Linienbreite die gestochen wird.

3. Wie feste muss man draufhauen? Also eher in 1mm Schritten oder eher in unsichtbar kleinen Stufen. Sieht man die einzelnen Hiebe hinterher noch?

4. Macht man die Linien auf ein Mal oder in mehreren Schritten?

5. Ist Hammergravur für den handwerklich überdurchschnittlich begabten und vorgebildeten Uhrenwerkstattforumsleser auf Anhieb einfacher als "normale" Handgravur.
Normale Handgravur ist ja immer von der Gefahr des Ausrutschens überschattet wenn man es nicht kann. (so wie ich)
Da ist dann schnell eine sonst irgendwie halbwegs akzeptable Arbeit ruiniert.

Der von Dir im Beispiel gezeigte Ring ist aber nicht Hammergraviert oder?
Diese flächigen Buchstaben sehen so nach Ätzen aus.

Hallo mikromeister,

Zu 1: Ja, der Kappenanschliffwinkel wird vom 90° Winkel der Facettenbahn aus gemessen. siehe Bild 1.

Zu 2: Die Facettenbahn sollte nicht über 1mm betragen.

Zu 3: Bei geraden Linien kann man den Stichel mit stärkeren Schlägen vorwärtstreiben. Bei Rundungen von Buchstaben, Zahlen und kleinen Kreisen natürlich nur mit schwachen Schlägen, etwa im Zehntelbereich, um auch wirkliche Rundungen hinzubekommen. Bei zu starken Schlägen werden die Rundungen eckig ausfallen.
Die Ansätze der einzelnen Schläge sieht man je nach Qualität des Stichelschliffs. Bei stumpferen Schneidkanten sieht man die Schläge weniger deutlich, allerdings ist so auch das Sticheln mühseliger. Bei richtig angeschliffenen Kanten sieht das so aus wie auf Bild 2 zu sehen.

Zu 4: Kommt darauf an. Bei Gradmarkierungen z.B., wo es auf gleichmäßige Linienstärke vom Anfang bis zum Ende ankommt muß man wie beschrieben zurückstechen. Handelt es sich um eine verschnörkelte Schreibschrift sind die dünneren Linienanfänge ja geradezu erwünscht.

Zu 5: Die Handgravur setzt einen "Gravurarm" vorraus der sich erst nach einer längeren Zeit des täglichen, stundenlangen Gravierens bildet. Erst die dadurch enstehende, spezielle Kraft im Arm ermöglicht ein Gravieren ohne das gefürchtete "Ausrutschen".
Das ist der Hauptgrund warum Laien schon nach wenigen Versuchen das Handtuch werfen.
Die Hammergravur ist tatsächlich für den Laien, der keine großen Anforderungen an die Qualität der Gravur stellt, schon nach wenigen Stunden des Übens machbar. Hat er begriffen wie der Stichel zu halten ist und wie dosiert er den Hammer einzusetzen hat kommt er dann zu ansehlichen Erfolgen.

Aber man soll sich nicht täuschen. Die Hammergravur kommt ja aus der Ecke der Waffenveredelung und die hier vorgestellte Arbeit mit dem Spitzstichel ist nur die leichteste Variante von vielen. Bevor man einen gelernten Graveur an teure Jagdwaffen heranläßt gehen oft zehn Jahre oder mehr ins Land, die er benötigt um seine Fähigkeiten zu vervollkommnen.

Der Sonnenuhrmeridianring ist geätzt und diente nur dazu meine Spannvorrichtung zu demonstrieren.