Habe es in letzter Zeit mit Taschenweckern. Und bevorzugt mit denen der besseren Sorte. Denn bei Taschenweckern sind viele Modelle mit Stiftankern oder ähnlichem gebaut worden. Die Modelle von Junghans sind zwar nicht besonders, gehören da aber schon zu den besseren.
Hier etwas wirklich gutes, das aber mit einigen Pferdefüßen. Es gibt auch ein Patent dazu: CH10461 von 1895. Eingeber des Patents ist Monnier und Frey. Die Firma ist so nirgends aufgeführt, auch nicht bei Mikrolisk. Und der Wecker scheint wirklich selten zu sein. Das Gehäuse ist sehr massiv und aus Silber hergestellt.



Das Zifferblatt zeigt einen englischen Verkäufer. Die Konstruktion des Uhrwerks erscheint etwas umständlich, das Uhrwerk etwas hoch, aber alles ist gut gemacht und durchdacht. Es ist halt eine frühe Weckerkonstruktion mit Kronenaufzug, wahrscheinlich eine der ersten seiner Art.



Von hinten sieht man die hohe Qualität des Uhrwerks: Breguet-Spirale, Gleichgewichtsanker, alles natürlich etwas kleiner als bei einer anderen Taschenuhr dieser Größe. Stellt man den Wecker auf Wecken ein, wird die Aufzugwippe vom Federhaus abgehoben, denn diese Uhr hat nur ein Federhaus für Wecken und Gehwerk. So dreht sich die Krone beim Wecken nicht rückwärts, was das Wecken in der Tasche behindern könnte. An so etwas hat man bei anderen, billigeren Konstruktionen (- z. B. Junghans), nicht gedacht - oder nicht denken wollen.



Und hier haben wir den ersten Pferdefuß: Von unten sieht man, rot markiert, die Stellung, die verhindert, dass die Zugfeder beim Wecken komplett abläuft. Bei der fehlen 2 Zähne, und so läuft die Feder natürlich komplett ab und nach dem Wecken steht die Uhr. Der Stellungsfinger ist komplett, versteckt sich aber unter der Abdeckplatte. Ich habe nur einmal einen "Finger" eingezeichnet, damit man die Funktion erkennen kann. Meiner Meinung nach hat die Stellung von vornherein zu viele Zähne - oder die Zugfeder war unendlich lang. Ziemlich klein, die Sache, und auch nicht besonders kompliziert, weil nur ein flaches Stahlteil. Aber die Zähne müssen präzise genug sein, und am Ende muss die Stellung wieder zurückspringen, wenn der Wecker voll aufgezogen ist, aber die Uhr noch aufgezogen werden muss. Daher braucht sie am Ende, wo die Sperrfeder eingreift, eine Schräge, am anderen Ende muss der Stellungsfinger gebremst werden.
Hier das Bild von der neu angefertigten Stellung, hier schon gehärtet und blau angelassen. Die Farbe wurde noch abgeschliffen, damit die Teile wie die anderen in der Uhr aussehen.



Viel übler ist der nächste Fehler:



Die Gongfeder ist abgebrochen. Irgendjemand hat es mal mit Hartlot versucht, aber das macht natürlich die Gongfeder weich, und eine weiche Gongfeder gibt keinen vernünftigen Ton ab.
Da die Feder von 1,2mm Durchmesser mindestens federhart sein soll, weil sie sonst keinen vernünftigen Ton abgibt, habe ich ein Stück blauharten Tamponstahl genommen und ihn hinter der Einpress-Stelle dünner gedreht. Dadurch ergibt sich ein tieferer Ton. Anschließend habe ich die Stelle wieder gebläut und dann den Stab in ein vorbereitetes Messingklötzchen eingepresst. Da man das nur schön mit einem geraden Stück Stahl kann, musste ich ihn hinterher bogenförmig an den Werkdurchmesser anpassen. Als geeignet hat sich da die Bügelzange herausgestellt.





Das Ergebnis kann sich so einigermaßen sehen lassen. Wie hat man das wohl früher gemacht?
Anschließend habe ich den alten Tonfederklotz aufgeschraubt und den Umriss angepasst. Dann alles am Werk befestigt, noch mit der "Haltenase", um alles besser festhalten zu können.



Nach einiger Anpassung - der Hammer soll ja die Tonfeder gut treffen - wurde der Klotz gekürzt.



Jetzt muss nur noch der Klotz der Tonfeder vernickelt werden, weil auch einige Teile des Uhrwerks vernickelt sind.

Ich frage mich, wie die alten Uhrmacher so eine Feder hergestellt haben. Zumal bei einem Viertelrepetierer noch eine vernünftige Tonfolge eingehalten werden muss.

Dann kamen "nur" noch einige Anpassungsarbeiten: Natürlich Reinigung der Uhr. Außerdem musste die Tonfeder noch so angepasst werden, dass sie ohne anzustoßen in das Gehäuse ging. Dazu waren beide Unruhzapfen krumm. Sie konnten aber - ohne abzubrechen - wieder gerichtet werden. Glück gehabt. Außerdem musste noch eine passende Zugfeder ausgesucht werden, und auf der Zeitwaage lief die Uhr hoffnungslos vor, sodass unter ein Pärchen Unruhschrauben je eine Scheibe untergelegt werden musste. Warum da jemand an allen Schraubenköpfen der Unruh herumgefeilt hat, erschließt sich mir gar nicht.
Alles keine großen Sache, aber da gingen mal wieder jede Menge Stunden drauf. Das kennt man ja,
Jedenfalls läuft die Uhr jetzt und weckt auch gescheit.

Frank

PS: Mir gerade eben aufgefallen: Appointment to the Queen. Die Uhr muss also vor 1901 hergestellt worden sein, sonst wäre die Beschriftung Blödsinn

F.

Interessante Vorstellung,
das mit den abgebrochenen Zähnen war bei Junghans Wecker-Tu die ich mal hatte auch. Ist wohl immer so ne Schwachstelle...

An dieser Stelle herrschen ja auch ordentliche Kräfte. Und eigentlich könnten dazu die Teile etwas größer sein, denn dann wären sie auch robuster. Leider kann man da konstruktiv nichts ändern, ohne den Wert der Uhr zu zerstören.

Frank

Ergänzung: Auch ein schöner Rücken kann entzücken:



Wie man sieht, kann man die Uhr wie einen Reisewecker aufstellen, aber anders als bei den anderen Modellen: Bei denen ist das Scharnier oben, und der letzte Deckel ist unten flach, damit die Uhr nicht umkippt. Hier ist das anders gelöst: Das eigentliche Mittelteil des Gehäuses hat unten 2 Warzen angelötet, die wie Füße wirken. Den letzen Deckel kann man als "3. Fuß" aufstellen.

Und dieser Deckel in Silber ist auch wirklich noch gut erhalten, wie man sehen kann.



Frank