Ich muss mich nochmals zu Wort melden, da mir innerhalb dieses Threads einige Dinge auf der Zunge brennen.

1.
Ich habe es in einem früheren Thread schon mal angesprochen, Uhrmacher verdienen häufig deswegen so wenig, weil immer noch genügend Fachgeschäfte die Werkstatt als "Non-Profitcenter" sehen und nicht in der Lage sind für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden auch einen entsprechenden Stundenlohn zu verlangen bzw. diesen zu erklären. Nur mal zum Vergleich: mein PC-Service berechnet mir heute 85.- € pro Stunde und da soll ein Uhrmachermeister mit 50.- bis 60.- € zufrieden sein ?
Um an ein halbwegs erträgliches Einkommen zu gelangen, arbeiten viele Kollegen an ihrem Feierabend dann noch von zuhause aus, schwarz am Finanzamt vorbei und sägen sich damit am eigenen Gehalt. Ich muss das doch tagtäglich hören : Was das kostet bei Ihnen 300.- €, ich kenne da einen Uhrmacher der macht das Zuhause für 100.- €. Ja klar, der steckt das ja auch bar in die Tasche, zahlt keine Steuern, Abgaben, Mieten, Versicherungen, Genossenschaftsbeiträge etc. Mit dieser Situation sieht man sich als Geschäftsinhaber eben auch konfrontiert und muss zeitweise seine Arbeitspreise anpassen - wie soll da ein ordentliches Gehalt für einen angestellten Uhrmacher zustande kommen ?

Ich will hier niemanden direkt ansprechen, aber in unserem Forum gibt es sicherlich einige, die genau dies tun, oder ?

2.
Die fachliche Qualifikation der stellensuchenden Uhrmacher ist nach meiner Erfahrung aus dem vergangenen Jahr derart schlecht, dass ich gezwungen wäre tagtäglich 1-2 Stunden Ausbildung in einen solchen zu investieren - da bleibt dann für ein überdurchschnittliches Gehalt nichts übrig. In Werkstätten mit höherwertigen Uhrenreparaturen muss zusätzlich noch in Schulungen und Wochenseminare der angestellten Uhrmacher investiert werden um entsprechende Werkstättenzertifizierungen zu erlangen - Kosten, welche in Mitarbeiter gesteckt werden, die dann den Arbeitgeber wechseln wegen 100.- € mehr Gehalt !

3.
Ich hatte in diesem Thread nach einem angemessenen Gehalt für Uhrmacher gefragt. Interessant, dass sich kein einziger daraufhin mit konkreten Angaben gemeldet hat. Wahrscheinlich verdienen die doch alle ganz gut, jammern aber eben gerne. Zur Information, der Zentralverband gibt folgende Richtwerte an. Uhrmachergesellen bekommen ab dem ersten Gesellenjahr zwischen 1800.- und 2500.- €, je nach Qualifikation und Arbeitsfeld. Das ist doch nicht so schlecht für einen Frischling, der immer noch weiter ausgebildet wird. Bei entsprechender Spezialisierung ist da nach einigen Jahren deutlich mehr drin, kommt aber eben auf die einzelne Person an. Leistungsorientierte Bezahlung nennt sich das!

4.
Lieber Victor, ich wüsste mal gerne, was bei Dir als "Haute Horlogerie" gilt, wenn nicht eine Da Vinci? Für einen noch sehr jungen Uhrmacher mit noch herzlich wenig Erfahrung in diesem Bereich schon eine etwas gewagte These/Aussage. Sind denn die heute per CAD und CNC entwickelten Uhrwerke von Hublot, Jaeger, AP, V&C oder Patek mehr "Haute Horlogerie" als die damals auf dem Reissbrett und im Kopf von K. Klaus entstandene Da Vinci und wer entscheidet eigentlich was unter dem Begriff Haute Horlogerie gemeint ist bzw. wer hat diesen Begriff denn entwickelt ?
Haute Horlogerie hat nicht ausschließlich etwas mit Anglage, Finnisage und Perlage zu tun. Einen ewigen Kalender so zu entwickeln, dass dieser nur über die Krone einzustellen ist, eine weitaus höhere Genauigkeit hat als die zeitgenössischen, ewigen Kalender der Konkurrenz, und auch noch die Jahre bzw. Jahrhunderte angibt, halte ich schon für Haute Horlogerie - nicht umsonst wird Kurt Klaus in diesem Zusammenhang höchster Respekt, auch von den Konkurrenten aus der Haute Horlogerie, gezollt.

Ein bisschen vermessen und respektlos, wenn ein junger Uhrmacher dann von "schnödem Modul" spricht wie ich finde!

Auch von mir noch ein kleiner Gedanke zum Thema "Uhrmachergehalt" im Besonderen und Entlohnung bestimmter Handwerksberufe im Allgemeinen.

Zumindest bei jungen Handwerkern wundere ich mich, dass über die Höhe der Löhne gejammert wird. Wenn man sich für einen bestimmten Beruf entscheidet und eine Ausbildung beginnt, ist es doch sicher kein Geheimnis, was man im Anschluss an die Ausbildung als junger Uhrmacher oder Handwerker verdient. Weshalb wählt man dann diesen Beruf?

Es ist doch eine einfache Regel. Beginnt man eine Ausbildung als Uhrmacher aus grossem persönlichen Interesse und aus Leidenschaft an diesem Beruf, ist das nachher zu erzielende Gehalt sekundär. Und wenn man seine Ausbildung und seinen Beruf dann tatsächlich als Berufung und Leidenschaft sieht, stellt sich der berufliche Erfolg und die Weiterentwicklung fast von alleine ein. Wer seinen Beruf aus Leidenschaft ausführt, wird auch entsprechende Anstellungen finden, Anstellungen finden, die auch Leistungs- und Fertigkeitsgerecht entlohnt werden.

LG

Ralf

Hallo,

mal etwas zum Gehalt. Ein Uhrmacher der 3 Jahr gelernt hat, spielt ein Gehalt von 1800,00€ bei weitm nicht ein.
Woher soll es auch kommen, 3 Jahre für den Beruf sind fast nichts, das geht erst mit dem Gesellenleben los.
Ich kann einem Frischgebackenen Gesellen nicht mit einem 7750 oder Zenith El Primero kommen.
Wir sind hier in Norden - sprich Hamburg und was gibt es hier noch an Fachgeschäften ? Da muss mal lange suchen
und ich spreche nicht von Christ und Co.
Ich könnte da noch eine ganze Menge mehr zu schreiben, was Gehälter betrifft,
aber das sprengt den Rahmen hier.

Thomas
Wer Fragen dazu hat, kann mir gerne eine Nachriht schicken !

Zitat von mecanicus im Beitrag #31

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4.
Lieber Victor, ich wüsste mal gerne, was bei Dir als "Haute Horlogerie" gilt, wenn nicht eine Da Vinci? Für einen noch sehr jungen Uhrmacher mit noch herzlich wenig Erfahrung in diesem Bereich schon eine etwas gewagte These/Aussage. Sind denn die heute per CAD und CNC entwickelten Uhrwerke von Hublot, Jaeger, AP, V&C oder Patek mehr "Haute Horlogerie" als die damals auf dem Reissbrett und im Kopf von K. Klaus entstandene Da Vinci und wer entscheidet eigentlich was unter dem Begriff Haute Horlogerie gemeint ist bzw. wer hat diesen Begriff denn entwickelt ?
Haute Horlogerie hat nicht ausschließlich etwas mit Anglage, Finnisage und Perlage zu tun. Einen ewigen Kalender so zu entwickeln, dass dieser nur über die Krone einzustellen ist, eine weitaus höhere Genauigkeit hat als die zeitgenössischen, ewigen Kalender der Konkurrenz, und auch noch die Jahre bzw. Jahrhunderte angibt, halte ich schon für Haute Horlogerie - nicht umsonst wird Kurt Klaus in diesem Zusammenhang höchster Respekt, auch von den Konkurrenten aus der Haute Horlogerie, gezollt.

Ein bisschen vermessen und respektlos, wenn ein junger Uhrmacher dann von "schnödem Modul" spricht wie ich finde!

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Zitat

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"Lieber Kollegen im Stande des Meisters der Uhrmacherkunst: Wir sind die erfahrenen im Handwerk der hohen Kunst der Uhrmacherei, bringen die Augen derer zum leuchten, die unsere Arbeit schätzen und sollten unser meisterliches Werken dem Lehrling/Gesellen/Gehilfen ebenso vermitteln und wehe dem, der seinen befohlenden Schützlingen ihrer Arbeit und eifigen ja fast des Übereifers Wissensdrang versucht, zu dämpfen. Hierin zeigt sich nämlich der wahre Meister"

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Ein wenig provokativ, aber die wussten schon damals damit umzugehen und dieses Zitat stammt so ähnlich von einem Obermeister. Für mich sehr prägend.

Aber ich bin schon der Meinung, dass die da Vinci, um hier mal beim Kaliber mit Modul zu bleiben, mit dem Modul damals was tolles war, eventuell am Reißbrett entwickelt wurde, trotzdem ist es ein Massenprodukt, das sehr teuer verkauft wurde und sehr gut vermarktet wird. Hohe Uhrmacherkunst verkauft sich immer besser, als wenn man seine Massenprodukte von großen herstellern mit diesem Slogan verkauft. Das 7750 wurde ja nicht als das Non-Plus-Ultra entwickelt, sondern als robustes Uhrwerk, dass gute Gangwerte hält und über lange Zeit zuverlässig läuft. Dafür muss man aber keine jahrelangen Erfahrungen sammeln um zu wissen, dass ein Modul nicht das ist, was das Sammlerherz immer hochschlagen lässt. Ich habe damals Uhren gesammelt, eben auch teure, ich hätte es mir mit dem heutigen Wissen sicher nicht mehr gekauft.

Es mag vielleicht auch Definitionssache sein, aber wenn eine sehr kleine Firma mit wenig Geld große Ideen aus dem Boden stampft, ist das für mich mehr wert, so ist halt meine Meinung. Wenn heute Jaeger, Lange und Söhne und Co hochtechnische Werke rausbringen, sind es meist extrem gut bezahlte Ingenieure..die würden fürs entsprechende Klleingeld alles bauen. Das mag früher noch anders gewesen sein, aber ich bin der festen Überzeugung, es geht heute hier NUR um das Geld.

Wo ich dir aber Recht gebe, ist das Argument mit den Preisen für Reparaturen. Allerdings jammern hier nicht nur die Uhrmacher, davon sind viele Sparten in Handwerk und Handel betroffen. Die Kunden wollen Qualität zum kleinen Preis, der Handwerker will seine Qualität zum möglichst hohen Preis und der Händler will beides ;-)
Allerdings, hier sehe ich so einen Teufelskreis: Wenn mir Arbeitgeber X im Monat zb 1700 Brutto zahlt, Arbeitgeber Y wirbt mich mit 1900 Brutto ab, muss ich mir immer überlegen, ob es sich lohnt. Sicher, Geld alleine ist nicht alles, aber es geht hier nunmal ums Geld. Ich kann die Uhrmacherei als tollen Beruf für mich sehen, jeden Tag in die Arbeit fliegen vor Freude, wenn ich mir am Ende des Monats überlegen muss, wie ich die Nebenkosten zahlen kann, komme ich schnell in der Realität an.

Der Chef sieht das natürlich anders: Er will einen guten und zuverlässigen Arbeiter haben, der die Werkstatt finanziell nicht belastet, sondern möglichst Geld einspielt durch Qualität und Schnelligkeit. Ein Betrieb ist kein Wohlfahrtsverein, war es noch nie und wird es nie sein. Dennoch bin ich der Meinung, wenn sich ein betrieb gut um seine Mitarbeiter kümmert und Ihnen dann ein "vernünftiges" Gehalt zahlt, lohnt es sich auch, dort zu bleiben. Sicher sehen das manche anders und wandern beim ersten Lockanruf ab, aber ich würde es nicht machen. Allerdings wäre ich auch nicht bereit, für den Betrieb mein eigenes Hemd zu geben. Da unterscheide ich ganz klar. Ich versuche, eine gute, saubere und Reklamationsfeie Arbeit abzugeben, erwarte dafür ein Gehalt, was dem Berufsstand angemessen ist. Wenn ich das eine nicht kann oder das andere nicht bekomme, schluck ich es entweder runter oder suche mir was anderes. Für mich als Kaufmann knallharter Kapitalismus, zu dem ich auch stehe.

Jetzt muss ich doch nochmal kurz darauf zurückkommen. Deine Aussage war: "7750 mit schnödem Modul für 15000 DM? Haute Horlogerie sieht bei mir anders aus..."

Für mich hat Haute Horlogerie nichts mit einer Preisgestaltung zu tun, sondern eben mit Innovation und deren technisch, perfekten Umsetzung. Die letztendliche Preisgestaltung des Produkts entsteht ganz wo anders und hat mit der eigentlichen Haute Horlogerie nichts zu tun, oder habe ich Dich völlig falsch interpretiert und Haute Horlogerie beginnt bei Dir erst ab 150.000.- € aufwärts ? ;-)

Ein weiteres Zitat von Dir: "Naja, die jungen Uhrmacher können eh nix und wissen nix..bla bla.." habe ich so nie gesagt und trifft so auch nur selten zu, dass sie aber häufig ihr fachlich begrenztes Wissen als das Non-Plus-Ultra anpreisen scheint mir schon, na ja sagen wir mal, fragwürdig.

und ein letztes Zitat: "Es mag vielleicht auch Definitionssache sein, aber wenn eine sehr kleine Firma mit wenig Geld große Ideen aus dem Boden stampft, ist das für mich mehr wert, so ist halt meine Meinung". Da bin ich völlig bei Dir, aber das hat mit dem Begriff Haute Horlogerie nix zu tun, es ist eben nur Deine Meinung - verstehst Du jetzt, was ich meine ?
Ihr (Phil & Du) seid als Administratoren in diesem Forum "Meinungsbilder" und habt von daher die Verpflichtung mehr als jeder andere Poster über Euer "G´schreibsl" nachzudenken weil Leser diese Meinungen übernehmen und weiterverbreiten könnten - genauso entstehen die meisten Missverständnisse !