Hallo, ich befasse mich gerade mit der Aufarbeitung des Uhrgehäuses der Holzplatinenuhr von Philipp Haas & Söhne.
Vor einer ersten Reinigung des Holzkorpus habe ich Zifferblatt und die Applikationen aus gepresstem Messingblech entfernt. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Messingblech unmittelbar nach dem Pressen, entweder künstlich patiniert und/oder mit einem Lack überzogen wurde. Sieht fast so aus, als wären sie in dunklen Schellack getaucht. Zumindest habe ich keine bessere Erklärung für das Aussehen, nach einer Reinigung mit Seifenlauge und Zahnbürste. Ein kurzer Test mit einem Glasradierer an der Innenseite zeigt, es ist eindeutig Messing.
Mir stellt sich nun die Frage, warum die Applikationen nicht die Farbe des Metalls haben, obwohl der Zifferblattring blankes Messing ist und die Kanneluren in den Säulen auch goldfarbig coloriert waren. Goldfarbene Applikationen wären da nahe liegend. Weiß einer von euch, ob künstliches patinieren in der Gründerzeit üblich war oder was diese Braunfärbung, auch auf der Innenseite der Teile, verursacht haben könnte.
Es ist möglich, daß es sich um einen original schon vorhandenen "Antik-Messing" Effekt handelt, dazu gab und gibt es die verschiedensten Rezepturen.
Für mindestens ebenso wahrscheinlich halte ich es aber, daß der ursprünglich klare Schutzlack (Zapon oder Schellack) durch Ofenruß und Tabakrauch über die Jahre stark abgedunkelt wurde. Wenn die Appliken nicht luftdicht abgeschlossen haben, wäre der Effekt auch auf der Rückseite gegeben.
Moin, möglich ist eine Schutzlackierung schon, nur stellt sich die Frage, warum dann nicht auf dem Zifferblattring. Ich habe die Teile jetzt in Alkohol gelegt. Wenn es Schellack sein sollte, dann müsste der reagieren. Der Schellack auf dem Korpus gibt jedenfalls unter Alkohol nach. Sollten die Messingteile nicht ragieren, versuche ich es mit Aceton, da sollte auch Zapon, also Nitrocellulose, nachgeben.
So, fast fertig. - Werk gereinigt, geölt - abgebrochenen Zeiger repariert - neue Pendelfeder auf Verlängerung genietet - Ketten ersetzt - Gehäuse und Messingapplikationen gereinigt, Risse verschlossen und mit Schellack, sowie Zaponlack behandelt
Was noch fehlt sind: - passendes Pendel (bin nicht sicher ob Holzpendelscheibe oder Messingblech) - Klangfeder (Spirale) - alte Gewichte - Zieraufsätze auf den Säulen
Und so trug es sich zu, dass die Uhr ihrem Besitzer wieder die Zeit anzeigte. Bis......, ja bis das Abendprogramm des "Öffentlich-Rechtlichen" begann. Mit dem Ende des Wetterberichts weigerte sie sich,weiter zu ticken. Ok, kann ja mal passieren, dachte ich. Also, korrekte Zeit eingestellt, Pendel angeschubst und schon war es, als wäre nie etwas passiert. Bis......, ja bis zum Frühstück des folgenden Tages. Sie stand 8:15 Uhr und wartete wahrscheinlich auf den Wetterbericht Zufall? Nochmal das gleiche Spiel, am Abend habe ich sie genau beobachtet. Und, punkt 20:15 Uhr verringerte sich die Amplitude des Pendels, bis es den Punkt seiner niedrigsten potentiellen Energie erreicht hatte. Vorsichtig und dieses mal mit Gefühl, habe ich den Minutenzeiger gegen 20:30 Uhr bewegt und dabei festgestellt, dass er einen punktuellen Widerstand zu überwinden hatte, bevor es wieder leichter ging. Da bremste also irgendetwas, ein anhaftender Fremdkörper oder ein zu langer Vorsteckstift waren meine ersten Gedanken.
Heute habe ich mir das Werk angesehen und erst auf den zweiten Blick das corpus delicti erkannt. Ein Zahn am Rad des Stundenrohrs hatte ein sichtbar anderes Maß als der Rest der Zähne und leistete beim Durchgang durch den Trieb Widerstand.
Ob nun die Veränderung des Eingriffs, durch die alten Lager, durch zu leichtes Gewicht, oder beides für den Hänger verantwortlich war, weiß ich nicht. Der Zahn selbst kann es eigentlich nicht gewesen sein, denn das wäre in den vergangenen 170 Jahren bestimmt schon aufgefallen. Trotzdem habe ich das Problem durch 3 Striche mit der Feile, links und rechts am Zahn, behoben. Erste Tests lassen hoffen, jetzt warte ich auf den Wetterbericht.
Hallo Volker, es kann schon sein, dass es schon immer so war. Die Zähnezahlen 56/7 bedingen, dass der Trieb immer in die gleichen Zähne kämmt. Wenn eine Zahnlücke größer als die anderen ist, passt der dicke Zahn vielleicht hinein. Grüße Achim
Zitat von Achimk im Beitrag #11Hallo Volker, es kann schon sein, dass es schon immer so war. Die Zähnezahlen 56/7 bedingen, dass der Trieb immer in die gleichen Zähne kämmt. Wenn eine Zahnlücke größer als die anderen ist, passt der dicke Zahn vielleicht hinein. Grüße Achim
Logisch, jetzt wo Du es sagst, Darauf habe ich tatsächlich überhauptnicht geachtet. Danke für die Lehrstunde, werde ich in Zukunft im Hinterkopf behalten. Mich würde tatsächlich interessieren, wer bei der Revision das Zeigerwerk bewußt auf so einen Umstand prüft.
Hallo Volker, bei einem industriell gefertigten Werk sollte das nicht notwendig sein, Präzisionsuhren vielleicht mal ausgenommen. Wenn sich vor Jahrhunderten ein Uhrmacher mit Zirkel und Feile beschäftigt hat, wird es nicht anders gehen. Grüße Achim
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18.04.2022 15:53 (zuletzt bearbeitet: 18.04.2022 18:08)
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