Liebe Freunde der Uhrmacherei, folgende Bilder will ich Euch nicht ersparen, ein seltenes Dokument gnadenloser Pfuscherei. Bitte nur bei gutem Gesundheitszustand betrachten!

Die Grundplatine mit eingelöteten, eingeklebten und eingeschraubten Lagerersatz. Auch sehr gelungen der Versuch der Rekonstruktion der Schlagwerkauslösung mit ehemals Storchenschnabel.
Die obere Platine steht dem in nichts nach, die Aufnahme für Spindel und Steigrad gekonnt im Zinn ersoffen, der Trieb des Steigrades wurde auch mit Zinn stabilisiert, schön auch das Klebelager.
Hier einige Teile des Radspiels, alles gelötet, der Stahl ist tiefblau, die Zapfen genügen den eingebrachten Lagerversuchen. Rundlauf ist immer Fehlanzeige.
Das Federhaus mit Unterlegscheibe fixiert, die Darmsaite in der Schnecke eingeklebt, ganz abenteuerlich ist der Sperrkegel.
Auch die Spindel musste dranglauben, Spirale mit Kleber fixiert, beachtenswerte Dimension des Spindelzapfens. Zumindest der Spindelkloben läßt sich in alle Richtungen justieren.
Im Laufe der Zeit sieht man ja merkwürdige Reparaturversuche an allemöglichen Uhren, hier handelt es sich um eine Monstranzuhr mit Spindelwerk und Selbstschlag. An solch einem Objekt grenzen derartige Pfuschereien an ein Verbrechen. Und was ich hier zeige sind nur die ersten Eindrücke, der Teufel steckt bekanntlich im Detail.
Glück Auf!
Joachim

Hallo

O, das ist echt ne harte Nummer, die Platinen selbst (außer Deinen gezeigten "Fehlern" ) haben ja auch ganz schöne "Kampfspuren".

Frank

Unglaublich
Aber wie ich immer sage, Lötzinn müsste für Uhrmacher waffenscheinpflichtig sein bei den Zerstörungen die sie damit anrichten.
lg Christian

Hallo Michael!
Wie oben schon kurz benannt, es ist eine Monstanz Tischuhr, Spindelwerk mit Selbstschlag auf Glocke im Sockel, darüber das Kreuz mit den Heiligenfiguren, über dem Kreuz dreht sich eine Kugel mit den Stundenindizes als Zeitanzeige. Da die Uhr nicht mein Eigentum ist, kann ich hier nicht mit einer Komplettansicht dienen.

Zwei Bilder vom Fundzustand will ich dennoch nicht ersparen.
Hallo Christian!
Deine konsequente Meinung zum Löten ist mir auch von Deinen Äußerungen a.O. bekannt. Nun meine ich, löten ist nicht löten, es ist eine Kunst, und läßt sich bei vielen Reparaturen leider nicht vermeiden. Z. Bsp. Zahnkaries nach Federbruch. Ordentlich ausgeführt kaum zu sehen und an Festigkeit unübertroffen. Und bitte bedenke, in jedem Pendulenwerk von Japy sind sämtliche Aufnahmen für die Stirnräder auf den Sahlwellen aufgelötet, auch die Zahnkränze der Federhäuser sind eingelötet. Nebenbei ist dies wichtig zu wissen, denn beim Anlassen zum Einbohren eines Zapfens sollte man die Radaufnahme gut thermisch schützen, sonst gibt es Arbeit. Das gleiche gilt beim Einlöten zu ersetzender Zähne in Federhäusern, bei zu viel Hitze kann es auseinanderfallen.
Glück Auf!
Joachim

Schlimm...
Und natürlich auch die Schrauben wieder maximal zerstört (mein Lieblingsthema, weil beinahe täglich auf dem Werktisch)

Die Frage ist nun, was macht man damit jetzt, ohne das es in einen Neubau ausartet und noch mehr Originalsubstanz verloren geht?
Abgesehen davon, dass das ja auch kaum Stundenmäßig zu kalkulieren ist. Da kann man beim Kostenvoranschlag leicht mächtig danebenliegen.

Andererseits handwerklich natürlich eine durchaus spannende Herausforderung um mal zu zeigen, was technisch machbar ist. Fragt sich nur, ob das jemand bereit ist zu bezahlen.

Also frisch ans Werk....

Gruß - Ottmar

Wow. Da kommt Freude auf! Was für ein Pfusch...
Gruß Andi

Da bin ich absolut der Meinung von Joachim, wenn man das Zinnlöten auf diese Zwecke beschränkt. Genauso ist das Hartlöten eigentlich eine gute Sache, wenn man dabei bedenkt, dass sich die Härte des Messings dadurch stark verringert. Beim Zahnersatz mit Schwalbenschwanz ist das Zinnlöten das Mittel der Wahl, weil das Zinn nur verhindert, dass der Zahn seitlich herausfällt. Zu halten hat das Zinn eigentlich nichts, die Verbindung soll formschlüssig sein. Und früher wurden tatsächlich die Räder auf die Wellen gelötet, auch bei den guten Pariser Pendulen. Passungsbohrungen waren mangels Technik einfach noch nicht erfunden, die Presspassung in der Industrie gab es noch nicht.

Wenn das Zinnen allerdings so ausartet wie hier (und auch schon sehr viel früher), dann ist das sträflich. Uhrmacher kann man solche Leute nicht nennen, egal ob er oder sie eine Ausbildung hatte oder nicht.

Frank

Am Federhaus vom Gehwerk war das Sperrrad zur Federvorspannung mit Silberlot befestigt, das ließ sich nur noch thermisch lösen.

Ein neuer Wellbaum mit Aufnahmevierkant muß angefertigt werden.
Zwischendurch ein Beispiel besonderer Barbarei. Die Federtrommel einer vermutl. Stutzuhr wurde von einem Geschoß getroffen. Durchmesser Federhaus 60 mm.


Wahnsinn, wie die Zugfeder gefaltet wurde. Wer schießt schon auf Uhren?
Glück Auf!
Joachim

Na das ist ja der Wahnsinn, da verging jemanden die Zeit zu schnell...

Wahnsinn, wie die Zugfeder gefaltet wurde. Wer schießt schon auf Uhren?

Vielleicht ein Querschläger noch aus WK II ?

Ohne Zeitdruck und ohne verbindliche Zusage auf garantierten Erfolg sollte man den Versuch einer Wiederbelebung wagen.

Das Radspiel für das Gehwerk ist funktional wiederhergestellt, neuer Wellbaum im Federhaus, neuer Sperrkegel, Lager sowieso.

Eine neue Spindel braucht sie auch. Alles nicht gerade schöne Arbeiten.
Glück Auf!
Joachim

Erste Herzschläge, wenn auch mit Rerzrhythmusstörungen, das Kronrad zickt noch im zu seichten Eingriff. Dennoch, das Ziel, eine Wiederbelebung zu versuchen scheint nicht ganz unmöglich zu sein.

Die Schrauben sind noch roh.


Alle Stirnräder arrondiert, Zapfen poliert, Eingriffe und Lager gesetzt. Auch das nicht originale Steigrad mußte geschenkelt werden, da zu schwer.

Nach einer Reinigung sieht alles besser aus, erst mal Hoffnung schaffen. Das maltätierte Schlagwerk muß noch etwas warten.
Glück Auf!
Joachim