Puh, SDHC? Das ist doch irgendein neumodischer Kram. Da muß ich erstmal sehen, ob ich die überhaupt zur Zusammenarbeit überreden kann.
@Willy: Bezüglich Deiner Luftdichtekompensation: Man sieht in Deinem Diagramm, wie bei fallendem Luftdruck die Amplitude zunimmt, damit geht die Uhr langsamer (Amplitudenfehler). Es müßte genau umgedreht sein, d.h. bei fallender Luftdichte müßte die Amplitude abnehmen. Wie soll das funktionieren? Wenn ich die Kompensation bei Harrison richtig verstanden habe, wird die Beschleunigung bei fallender Luftdichte durch die Backen an der Pendelfeder bewerkstelligt (mehr Amplitude = Verkürzung der wirksamen Pendellänge durch die Backen = Beschleunigung). Dazu müssen Dicke der Feder und Amplitude zueinander passen.
@Gustav Becker: das ist schon richtig rum. Eine "normale" Pendeluhr mit geringer Amplitude wird bei fallendem Luftdruck schneller. Dieser Fehler wird durch den Amplitudenfehler (Uhr wird langsamer) ausgeglichen :-)
Das war mir nicht bewußt, daß sich der Effekt umkehrt (Wie läßt sich das erklären?). Dann ließe sich ja prinzipiell auch bei "normalen" PU die Amplitude so anpassen, bis der Einfluß der Luftdichte kompensiert ist. :)
Ja, meine Uhr ist ja im Sinne der nicht vorhandenen Backen an der Pendelfeder eine normale PU, die allerdings für die große Amplitude (3° - 4°) deutlich mehr Energiezufuhr benötigt als andere "normale PUs" - was für ein Satz . Die Backen an der Pendelfeder sind sogar kontraproduktiv und erfordern eine noch größere Amplitude, die laut Harrison ca. 7° betragen sollte. Das hatten wir weiter oben aber schon "durchgekaut".
Hallo Willy, leider habe ich den Thread erst heute entdeckt. Um so größer meine Begeisterung. Da hast Du ja wirklich ein Kunstwerk geschaffen Was die Huygenschen Backen betrifft, denke ich mal, daß die wohl eher für eine Fadenaufhängug des Pendels geeignet sind. Eine Pendelfeder führt IMHO je nach ihrer Stärke die Pendellinse von selbst in eine mehr oder weniger zykloidische Kurve. Und der Huygenscher Aufzug ist ja vom Kräfteverlauf dem geschlossenem (umlaufenden) Federhaus ähnlich. Beim Aufziehen des laufenden Schlagwerks kann man deutlich hören, wie das Werk schneller schlägt. Deshalb kann ich mir durchaus vorstellen, daß ein zu kräftiges (schnelles) Aufziehen des Uhrwerks durchaus Einfluß auf den Gang der Uhr hat. Wird es dagegen z.B. mit einem E-Motor z.B. jede Stunde langsam aufgezogen, dürfte sich diese kleine periodische Abweichung leicht regulieren lassen. BTW, ist es beabsichtigt, daß Rückwand und Pendel die gleiche Farbe haben? Dadurch wird das Pendel sozusagen "unsichtbar", nur an Pendellinse und dem Huygensschem Teller läßt sich das Pendel überhaupt erst bei einer statischen Aufnahme erkennen. Und jetzt haben wir hier so viel Huygens, was ist da noch vom Harris übrig?
Zitat von Gnomus im Beitrag #66Und jetzt haben wir hier so viel Huygens, was ist da noch vom Harris übrig?
Vom Harrison ist die grundlegende Erkenntnis, dass bei einer großen Pendel-Amplitude automatisch eine Luftdruck-Kompensation erzielt wird. Außerdem hat Harrison explizit keine Huygenschen Backen, sondern zirkulare Backen vorgesehen. Mit Huygenschen Backen an der Pendelfeder würde die Kompensation nicht funktionieren.
Das Aufziehen erfolgt mittlerweile alle 5 h per Motor und ist nicht mehr problematisch.
Da der Pendelstab aus Quarzglas ist, hat er immer die gleiche Farbe wie die Rückwand und bei den Fotos habe ich mich bemüht Reflexionen zu vermeiden. Normalerweise ist er besser zu sehen :-)
Danke Roland :-). Lob von einem Uhrenbauer, der die Probleme kennt, ist doppelt gut.
Hier noch ein Detail, das ich bisher noch nicht gezeigt hatte: Bild38.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Die Klemmung der Quarzglasstange erfolgt jetzt genau auf Höhe der Aufhängung. Dazu musste ich in den Messingrahmen noch 4 Löcher in etwa entlang der Diagonalen bohren, durch die dann ein Schraubendreher gesteckt werden kann, um die Gewindestifte des Klemmrings zu erreichen. Damit gehen jetzt 3,7 mm Pendelfeder-Stahl und 4 mm MS (Pendelfeder-Klemmung) nach unten und 12 mm Alu nach oben. Rechnerisch werden damit auch noch die oberen 374 mm der Quarzglasstange kompensiert.
Mittlerweile ist die Uhr im Rest-Sommer und während des Winteranfangs gelaufen. Die Druckkompensation funktioniert bei rund 3,5° Amplitude sehr gut, aber die Temperaturkompensation "spinnt". Im Sommer war die Uhr leicht unterkompensiert, d.h. bei hohen Temperaturen zu langsam. Weiterhin war die Uhr während eines Temperaturanstieges (also immer vormittags) zu schnell und beim Temperaturabfall (abends und nachts) zu langsam, was sich im Mittel aber ausgleichen sollte. Dieser Effekt der Abhängigkeit von einer Temperaturänderung kann nicht durch Anpassung des Kompensationsrohres verhindert werden.
Jetzt im Winter ist die Uhr überkompensiert und die Abhängigkeit von der Temperaturänderung hat sich umgekehrt! Da die Uhr in einem Raum mit Fußbodenheizung läuft, lag der Verdacht nahe, dass sich die Temperaturschichtung im Gehäuse umkehrt (unten wärmer als oben) und dies für das Gangverhalten verantwortlich ist. Zur Überprüfung habe ich einen zweiten Temperaturfühler oben auf Höhe der Pendelfeder installiert und tatsächlich ist die obere Temperatur fast den ganzen Tag geringer als die untere. Das kann zu Zirkulationsströmungen im Gehäuse führen und meine erste Idee zur Verhinderung solcher Strömungen waren folgende "Regalböden":
Bild45.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
War ein Flop; die täglichen Schwankungen waren eher noch stärker ausgeprägt.
Nächster Versuch mit einem "Heizlüfter" der oben hinter das Werk eingebaut wurde (Abmessung 40 mm x 40 mm, Leistung rund 5,5 W, sehr schwacher Luftstrom):
Bild46.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Der nächste Flop.
Aktuell habe ich 6 cm Styropor auf dem Boden unter der Uhr liegen und aus 3 Styroporplatten (1 m x 0,5 m) ein U mit einer Höhe von 1 m und einer Schenkellänge von 0,5 m gebaut und vor die Uhr gestellt. Jetzt ist die Reaktion auf Temperaturänderungen tendenziell wieder wie im Sommer, obwohl die Temperaturschichtung weiterhin "unten warm, oben kalt" ist (der Heizlüfter ist abgeschaltet). So langsam frage ich mich, ob bei der Temperaturkompensation zwischen konvektiver Wärme und Strahlungswärme unterschieden werden muss ...
es ist immer wieder interessant, etwas über spezielle Probleme zu erfahren, an die man beim Umgang mit einfachen Pendeluhren gar nicht denkt.
Die Regalböden wären auch meine erste Idee zur Abhilfe gewesen. Dass das Ergebnis dadurch nicht besser wurde, überrascht mich.
Über das Problem der Temperaturschichtung gab es hier im Forum schon mal etwas zu lesen. Eine Verbesserung ließe sich evtl. erreichen, wenn das Gehäuse innen mit Kupfer- oder Messingblech ausgekleidet wird. Das passt natürlich nicht zu der großflächigen Verglasung Deiner Uhr.
Vielleicht gibt es aber einen Kompromiss. Ich denke da an die Verwendung anderer Glasscheiben, die eine bessere Wärmeleitfähigkeit besitzen.
Gegen die Wärme von unten empfehle ich, den Boden nicht nur zu isolieren, sondern von außen zu verspiegeln, im einfachsten Fall testweise durch das Anheften von Alu-Folie. Das stört wenigstens nicht den Anblick.
So, nachdem die Druck- und Temperaturkompensation recht gut funktionieren, möchte ich Euch ein paar aktuelle Ergebnisse vorstellen.
Zunächst einmal musste ich leider feststellen, dass die Uhr nach ein paar Monaten regelmäßig stehen bleibt. Wenn das passiert, dann klappen die kleinen Hebelchen an der Hemmung nicht selbstständig zurück sondern "hängen" am Anschlag fest. Nachdem ich zuerst einfach ein Messingrohr als Gleitlager verwendet hatte und aktuell sogar Lagersteine (geölt und ölfrei), was aber auch nicht besser ist, habe ich mir jetzt die kleinsten Kugellager besorgt, die es standardmäßig gibt: d=1, D=3, B=1. Mal sehen wie die sich machen :-). Wenn die Lager der Hebelchen frisch gereinigt sind, dann geht die Uhr etwas schneller und wird mit der Zeit langsamer. Das verstehe ich noch nicht.
Trotzdem geht die Uhr so genau, dass ein echtes Manko der Harrisonschen Bauart deutlich zu sehen ist: die Uhr geht langsamer, wenn die Temperatur schwankt und schneller, wenn sie konstant ist. Jetzt verstehe ich auch, wieso J. Betts in "Harrison’s Barometric Compensation" so viel zur Temperatur schreibt, obwohl bei dem Rekordlauf keine gravierenden Temperatureffekte zutage traten. Auch Harrison selbst fordert "a pretty temperate place", weil er offenbar weiß, dass das Problem nicht mit der Temperaturkompensation zu lösen ist.
Das folgende Bild zeigt die Ganggenauigkeit im Allan-Diagramm (die Stunden 1 - 232 des zweiten Bildes wurden weggelassen):
Allan.png - Bild entfernt (keine Rechte)
Im folgenden Bild ist der Einfluß von Temperaturschwankungen (rote Linie) auf die Zeitabweichung (braune Linie) bzw. Gangabweichung (schwarze Linie) zu sehen. Auch ohne näher auf die mathematische Auswertung (dünne braune Linie) einzugehen, ist der Effekt IMHO deutlich zu erkennen.
DATALOG.png - Bild entfernt (keine Rechte)
Das eröffnet für einen Rekordlauf ganz neue Möglichkeiten. Selbst wenn die Uhr in einem versiegelten Plexiglaskasten läuft, kann über das Ein- bzw. Ausschalten der Nachtabsenkung der Heizung eine Korrektur vorgenommen werden ...
Die Uhr hängt jetzt nicht mehr in der Firma (Fußbodenheizung) sondern bei uns zu Hause in der Küche (Heizkörper). Dort wird sie gelegentlich vom Backofen mit warmer Luft angeblasen und beim Lüften nach dem Kochen hängt sie im Durchzug. Trotzdem läuft sie jetzt seit 130 Tagen problemlos und seit 110 Tagen recht genau. Die Kugellager an den Hebelchen haben sich also bewährt.
DATALOG-Allan.png - Bild entfernt (keine Rechte)
Mit ganz viel Fantasie kann man die Gravitationsänderungen durch den Mondumlauf für tau < 2 d auch in den Linien der PU3 erahnen (werden wohl eher die täglichen Temperaturschwankungen sein :-)
Hallo Willy, Ich gratuliere zu dem Erfolg. Meine Anerkennenung und hohen Respekt zu der Uhr und der graphischen Aufarbeitung. Ich bewundere den Aufwand geistiger und materieller Resourcen.
Wann war der Tag "0"? Ich habe den Eindruck ab Sommerbeginn wurde das Gangverhalten der Uhr stabiler??
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06.03.2019 16:12 (zuletzt bearbeitet: 06.03.2019 16:14)
Da muß ich erstmal sehen, ob ich die überhaupt zur Zusammenarbeit überreden kann.
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. Die Backen an der Pendelfeder sind sogar kontraproduktiv und erfordern eine noch größere Amplitude, die laut Harrison ca. 7° betragen sollte. Das hatten wir weiter oben aber schon "durchgekaut".
